Machen wir uns nichts vor: Auf dem Schreibtisch der meisten Online-Redaktionen landen viele unbekannte Künstler - das wenigste davon ist wirklich erfreulich. Oftmals quält man sich zehn oder mehr Hördurchgänge, bis man endlich einen winzigen, positiven Ansatz gefunden hat. Dass einem ein Album förmlich ins Gesicht springt, zählt zu den eher seltenen Glücksmomenten.
Guthrie Kennard darf zu dieser Kategorie gerechnet werden und das, obwohl ich Americana im Großen und Ganzen nicht mag. Viel zu oft wird man da nämlich mit Weltschmerz und jammerndem Gewinsel konfrontiert. Das Leben ist schon hart genug, da will man nicht auch noch das Selbstmitleid anderer ungefragt ins Ohr gedrückt bekommen.
Bei Guthrie Kennard ist das anders, denn dieser Mann ist ein Poet, ein Literat und begnadeter Geschichtenerzähler. Einer, der sein persönliches Umfeld genau betrachtet und ebenso scharfzüngig wie intelligent analysiert. Dabei bedient er sich Instrumentierungen, die neben dem berüchtigten Americana auch den Blues - von dem er 'von Hause aus' kommt - und ein klein wenig (Southern-)Rock einbindet. Diese treffen die herbstlichen, latent melancholischen Stimmungen der Texte zielsicher ins Mark.
Das ist eine Musik, die sofort das Herz warm, weich und weit macht - packend, teilweise gar zu Tränen rührend. Da überhört der Schreiber gar, dass Guthrie in den 'folkigen' Balladen wie Bob Dylan knödelt. Eine Stimme zum 'Schweinebauch essen', herrlich versoffen... eben (wie heißt das neue Lieblingswort der Deutschen?) authentisch!
Guthrie Kennard ist selbst in den USA ein relativ unbeschriebenes Blatt. Hierzulande dürfte er höchstens eingefleischten Insidern der Bluesszene bekannt sein. Ich entdeckte ihn erst im Rahmen der Recherche zu "Unmade Beds" auf meinem 2005er Album von Rocky Athas, "Voodoo Moon" (nebenbei bemerkt: ein echter Knaller), in dessen Rocky Athas Group Guthrie eine Zeitlang mitwirkte. Als weitere bekannte Station ist Smokin' Joe Kubek zu nennen - zwei ausgesuchte Blueser aus der Texas-Szene also. Dort hatte der in Richmond, VA Geborene 1971 Wurzeln geschlagen und sich fortan vorwiegend den 'blauen Tönen' gewidmet, allerdings zumeist in Formationen, die wenig überregionale Bedeutung erlangten.
Erst spät fand der augenscheinlich wohl deutlich über 60-jährige zu eigenen Produktionen: 2006 "Ranch Road 12" und im vergangenen Jahr "Matchbox". Dazwischen lag die hier zu besprechende Scheibe, "Unmade Beds".
"Unmade Beds" - was für ein Titel! Offenbar ist da bei Mr. Kennard im gefühlsmäßigen 'Haushalt' einiges in Unordnung geraten. Der Dichter erzählt seine Seite der Wahrheit - die andere bleibt unausgesprochen...
Los geht's mit "Cadillac Sheryl", einem staubtrockenen Country-Rocker, der rustikal und erdig daher 'shuffelt'. "Unmade Beds" ist derart persönlich, dass der Hörer beinahe peinlich berührt wird. Musikalisch erinnert der Song stark an Jackson Brownes Antikriegs-Song "Crow On The Cradle". Knietief in der Weite der 'Bluegrass Hills' ist "Oh Rebecca" verwurzelt. Auf dem rein akustisch arrangierten Thema 'rutscht' Guthrie ergreifend auf dem Hals seiner Dobro herum.
»Uaaah Bob Dylan«, jammert meine Frau zu den folkigen Klängen von "She's Broken". Auch wenn ich deshalb leiser drehen muss - der Song packt mich eisenhart 'an den Eiern'. Wenn Mike Hamiltons Akkordeon dazu herzzerreißend wimmert, stellt sich das Gefühl ein, in einer schwül-heißen Sommernacht an einem Bayou in Louisiana zu sitzen. Bei "Wiggle" legt Guthrie Kennard seine Wurzeln, die tief im Texas Blues liegen, frei. Erstmals rockt es wild und ungestüm...
Schunkelnde, lässig rockende Wohlfühlatmosphäre vermittelt "No Turning Back", auch hier lässt der Sänger tief in seine Seele blicken. Zudem fällt hier ein alter Bekannter - Buddy Whittington - auf, der als Gast wunderschöne Lead Guitars beisteuert. Mit "Sick Of Me" packt Guthrie wieder den Dylan, wahlweise auch den Waits, aus - die quäkende Harmonika inklusive. »You were always waiting for the man you thought I was...« - dieser Satz scheint bedeutend zu sein. Dick und fett-rot ist er im Booklet zum Song "I Don't Mean To" hervorgehoben. "Monkey Wrench" knüppelt dann wieder auf einem rüpelhaften Riff: Die Hammond flirrt und die Dobros heulen, dass einem erneut warm uns Herz wird. Wie ein Vermächtnis kommt abschließend das stille, nachdenkliche "Hobo Travelin'" daher:
»My body is aching
The closer I get,
angels whisper
For my soul to take.
A hobo traveler
Has no blanket or boots.
And there ain't no trains
Running southbound tonight.«
Jetzt muss ich hier mal den 'Guttenberg' machen, denn der folgende Satz ist einfach zu schön: »Das ist ein Album, das man besten Freunden schenkt...« so der Eindruck unseres Ullis. Was soll ich da noch obendrauf setzen?
Für alle, die ihr Herz noch am richtigen Fleck haben, ist "Unmade Beds" ein absoluter Pflichtkauf!!
Line-up:
Guthrie Kennard (vocals, acoustic & resonator guitars, harmonica)
Steve Satterwhite (additional keyboards)
Austin Morgan (electric, acoustic & resonator guitars)
Mike Hamilton (Hammond organ, piano & acoordion)
Scott Lee (Hofner electric & upright bass)
Nate Coon (drums, percussion)
Buddy Whittington (background vocals, lead guitar - #6)
Becky & Kelly Butler (background vocals)
Tracklist |
01:Cadillac (4:03)
02:Sheryl (4:14)
03:Oh Rebecca (3:02)
04:She's Broken (3:57)
05:Wiggle (3:13)
06:No Turning Back (3:42)
07:Sick Of Me (2:36)
08:I Didn't Mean To (5:23)
09:Monkey Wrench (3:52)
10:Hobo Traveling (4:20)
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Externe Links:
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