Ich lach mich schlapp - eigentlich hätte es mir ja dämmern müssen - eigentlich. Ich las das Angebot, eine neue Band zu besprechen. Kalt, ein Solo-Projekt des Ex- Garden of Delight-Gitarristen Mike York. »Ochja, mal wieder ein bisschen Folkrock zwischendurch, warum denn nicht?« dachte ich mir und war in Gedanken gleich bei diesen Herren, die in unserer Region ziemlich häufig unterwegs sind.
Ich gebe zu, ich hab sehr, sehr flüchtig gelesen, entsprechend überrascht war ich dann doch, als ich die Promo-DVD gestartet habe. Statt Folkgeklimper dröhnte mir düsterer Gothic entgegen. Ein genauerer Blick in das Promomaterial klärte dann mein Missverständnis schnell auf und nachdem die erste Überraschung überwunden war, konnte ich mich auch mit diesem Werk recht schnell anfreunden.
Doch bevor ich mich weiter der Musik widme, noch eine Skurrilität zu diesem Review - ich schreibe ja oben von einer Promo-DVD. Schließlich prangt auf dem Silberling deutlich sichtbar ein DVD-Logo. Wie umständlich, dachte ich mir noch, muss ich die Scheibe doch dann entweder auf der Surround-Anlage oder auf einem Rechner abspielen und nicht, wie gewohnt, auf der Stereo-Anlage mit bestem Sound oder im Auto. Um einen halbwegs vernünftigen Höreindruck zu kriegen - der Notebook-Lautsprecher ist qualitativ nicht gerade berauschend - ziehe ich also die Lieder als MP3 auf den MP3 Player und höre mir das Album mit Kopfhörer an. Gefällt mir echt gut - ich beschließe daher, mir die Tracks auf eine CD zu brennen, um auch im Auto in den Genuss kommen zu können. Mal schnell die Lieder markiert und geschaut, wie groß die Dateien sind - Überraschung!!! Handelt es sich doch bei der vermeintlichen DVD um eine hundsgewöhnliche CD, die sich erfreulicherweise doch überall abspielen lässt, auch ohne aufwendige Umkopiererei.
Nach diesem - fast schon comedyreifen - Anfang nun aber endlich zur Musik. Kalt - nein, kalt klingt sie nicht. Sie scheint zwar aus der tiefsten Gruft zu kommen, heizt aber dafür ganz ordentlich ein. Düstere Sphärenklänge werden mit einem Gänsehaut erzeugenden Gesang kombiniert. Gitarrenriffs und Schlagzeugparts mit einem kräftigen Wumms sorgen für Dynamik in dem eher moderaten Tempo.
"Lebe" eröffnet ein gut fünfzigminütiges Kopfkino mit dunklen, monochrom gehaltenen Stimmungsbildern. Altertümliche Träume ("Ancient Dreams") nehmen den Zuhörer mit in die Welt der Dunkelheit ("The Darkness"), aus der es keinen Ausweg ("No Way Back") zu geben scheint. Dafür gibt es dort aber kräftig vom achtziger-Jahre-Rock inspirierte Gitarrenparts, die mit einem wummernden Schlagzeug Tiefe erhalten und die hier ziemlich raue Gesangsstimme perfekt ergänzen. Ein Synthieteppich legt einen Gothic-Touch darüber. In "No Way Back" kündigt sich zum Ende der Nummer schon der Rückwechsel in die deutsche Sprache an, im eigentlich englischen Gesang lässt ein mehrfach eingeworfenes »weil wir so sind« aufhorchen.
Ein fast schon orientalisch angehauchtes Intro und dunkelst eingefärbte Gesangspassagen, die mich bei der Textstelle »hey mom« entfernt an Pink Floyds "Hey You" denken lassen, dominieren den Abschiedsgruß ("Farewell"). "Wie die Welt zusammenbricht" erfahren wir in der nächsten Nummer, bevor "Dein Gott" mit stark verzerrter, verfremdeter Stimme und monotonen Drums die Gesangsparts beendet und die beiden Instrumentalnummern "Bildbeschreibung 1.2" und "Fahr zur Hölle, Gott " der Fantasie des Zuhörers überlässt.
Blinzelnd öffne ich die Augen - mein Gott, was war das? Bevor ich jetzt die Play-Taste erneut betätige, versuche ich noch eine unvollständige Einordnung dieser Scheibe.
Das ganze Album hinterlässt einen runden und stimmigen Gesamteindruck, auch der von mir bei Lacrimosa kritisierte Wechsel zwischen deutschen und englischen Liedtexten, wird von Kalt sehr passend und ausgefeilt eingesetzt.
Wer Unheilig mag, ASP oder Eden weint im Grab gern hört, sollte auf jeden Fall mal reinhören. Für ausgesprochene Gothic-Fans dürfte Mike York ohnehin kein Unbekannter sein. Aber auch alle, die Gitarrenrock mit sparsamem Metaleinschlag mögen und sich von einer etwas düsteren Gesamtatmosphäre nicht abschrecken lassen, können hier durchaus mal ein Ohr riskieren.
Tracklist |
01:Lebe
02:Ancient Dreams
03:The Darkness
04:No Way Back
05:Farewell
06:Wie die Welt zusammenbricht
07:Dein Gott
08:Bildbeschreibung 1.2
09:Fahr zur Hölle, Gott
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