Karibuni @ddis / Back Road To Ethiopia
Back Road To Ethiopia Spielzeit: 48:40
Medium: CD
Label: Westpark Music, 2013
Stil: Afro Fusion

Review vom 10.06.2013


Wolfgang Giese
Eine wirklich sehr gute Idee, soviel vorweg. Ein Blick auf das Line-up lässt vermuten, dass es sich um Bemühungen einer ganz bestimmten Fusion handelt, Europa und Afrika mit einer gemeinsamen Musik zu vereinen - gleich beim ersten Titel (hier ein Textauszug)...
»Hoya Hoye Ho
Hoya Hoye Ho
Tew seteñina Ho
Lehedelehe Ho
Endaroge Jib Ho
Altchuhebehe Ho
Aroge Jibu Ho
Tchoho yehedal Ho
Endene yalew Ho
Metche yelekal Ho
Hoyesh Hoye yelimta bessefew Godana,«
...wird dieser Gedanke umgesetzt. Erst einmal gibt es neben dem oben aufgeführten Text in der Sprache Amharic auch Textpassagen in deutscher Sprache. Dann klingt der Backgroundchor recht afrikanisch, während der Rhythmus so gar nicht die Elastizität und Flexibilität der Musik aus Afrika aufweist, sondern westlich orientiert rockt. Es schwingt heiter und harmonisch, aber mir ist nicht ganz klar, ob der Akzent der Musik nun auf Afrika oder Europa gerichtet sein soll. Dazu erscheint mir die Verwendung der deutschen Sprache wirklich wie ein Fremdkörper in dem ansonsten gut abgehenden Song. In Deutsch klingt mir das zu steif und manchmal wie der Versuch, Klänge ganz alter Spielmannsleute aus dem Mittelalter ins Heute hinüber zu retten. (»Von einem Stein zum andern muss das Äffchen wandern…« - Walther von der Vogelweide nach Gebrauch einer Zeitmaschine auf Tournee in Äthiopien). Aber super ist das kurze, eingestreute, verzerrte Gitarrensolo.
Ein wenig anders wird es beim zweiten Song, der durch die mit der Flöte geführten Melodie schon fast keltisch anmutet. Doch die Drums klingen etwas matt und steif, stehen im Gegensatz zur pulsierenden Gitarre. Toll sind bei den jeweiligen Titeln die Chorarrangements in afrikanischer Sprache, das halte ich für sehr gelungen. Dass dann der Rhythmus nicht so federt, wie ich es lieben würde, betont letztlich den Gedanken der Fusion, und es ist nicht so, dass es nicht passt - nur mir eben nicht immer. Auch bei Titel vier, "Wir sind eins", liegt mir die deutsche Sprache nicht so sehr, eben weil es nicht so gut im Verbund mit afrikanischer Ausprägung fließt. So hakt es dann einfach und der Fluss der Sprachmelodie wird gehindert, wenngleich die Botschaft des Songs eine großartige ist!
So ziehen sich die Themen, die von Kindersoldaten, Frieden, Leben im Exil und Liebe handeln, durch die Platte. Wie gesagt, ein sehr guter Gedanke und schön, dass solche Themen engagiert aufgegriffen werden. Doch für mich hapert es einfach bei einigen Titeln an der musikalischen Umsetzung. Ein für mich besonders gutes Beispiel ist "Selam, Shalom, Shlomo, Frieden", ein beherzter Aufruf zu Frieden und Verständigung. Ja, die Welt könnte wirklich schöner sein... Auch hier kippt der Song in dem Moment, wo die aus meiner Sicht nicht ideal passende deutsche Sprache einsetzt, wobei der textliche Beitrag fast schon wie für Kinder geschrieben scheint. Kaum wird es in Amharic interpretiert, gewinnt die Atmosphäre enorm. Vielleicht hätte eine andere, deutschsprachige Sängerin diese Aufgabe besser meistern können?
Schade, denn die Mischung der Musik, gerade mit den mannigfaltigen Ausprägungen und Nutzung von Instrumenten wie dem Banjo, der Autoharp oder solchen aus dem Nahen Osten strahlt in ihrer Gesamtheit eine wirklich wunderbare und völkerverbindende Atmosphäre aus. Da passt auch die Rap-Einlage auf "No Child Soldier" super - ein ohnehin unglaublich anmachender Song, der sofort ins Blut geht und das Deutsche außen vor bleibt. Insofern bleibt mir weitgehend die Freude an der wirklich leidenschaftlich vorgetragenen Musik und einer gelungenen Fusion vieler Elemente. Nur man sollte sich, rhythmisch gesehen, erst einmal von Afrika verabschieden. Das ist dann eher westliche Musik mit einem sehr hohen Anteil 'Afrika' - so gesehen, ist es gelungen, die ganz andere Kultur mit unserer Popularmusik zusammenzuführen, und wenn dann noch solche Songs wie "Saba Sabina" ertönen, dann kommt so richtig gute Laune auf. Hier wird sogar der Sound ein wenig in Richtung Cajun angerissen. Mehr solcher Stücke und wir hätten einige heimliche Sommerhits, aber der hochwertigen Sorte! Das eine oder andere Stück erinnert mich dann noch stark an die Musik von Pili Pili - ein ähnlicher Fusionsgedanke aus Sicht des Jazz, seinerzeit initiiert vom niederländischen Pianisten Jasper van't Hof.
Für mich letztlich Licht und Schatten, mit dem Schwerpunkt auf dem Erstgenannten. Für alle anderen ergeht von mir die Empfehlung, einmal beide Ohren zu riskieren, weil etwas wirklich sehr Ungewöhnliches geboten wird.
Line-up:
Josephine Kronfli (vocals, flute, shaw washint, whistle, field recordings)
Pit Budde (acoustic guitars, banjo, sitar guitar, autoharp, bass, wavedrum, shaman drum, uruwuri, field recordings, vocals)
Rahel Budde (vocals)
Carlos Mampuya (vocals)
Roshan Linsi (vocals)
Ill James (vocals)
Dorothea Kares (vocals)
Klaus Jochmann (percussion, accordion)
Ahmet Bektas (ud, sazbüs, darbouka, bendir, davul, vocals)
Michael Voss (electric guitar)
Franziska Urton (violin)
Steffi Stephan (bass)
Benno Gromzig (bass)
Tracklist
01:Hoya Hoye/Assiyo Bellema (5:08)
02:Felega (4:58)
03:Mbawala Jila/Ayaya (4:59)
04:Wir sind eins/Esheruru (4:35)
05:Selam, Shalom, Shlomo, Frieden (4:51)
06:No Child Soldier (4:00)
07:Saba Sabina (3:44)
08:Melkam Fasika from Ethiopia (3:24)
09:Kunsi Africa (6:55)
10:Wefe, The Desperate Bird (5:52)
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