KARO / Heavy Birthday
Heavy Birthday
Da sitze ich nun mit meinem besten Kumpel gemütlich in der Veranda, das kühle Blonde wartet auf unsere durstigen Kehlen und die ausrangierte HiFi-Anlage, welche von der Dame des Hauses in größten Teilen aus optischen(!) Gründen aus dem Wohnzimmer verbannt wurde, ist bereits angeschmissen.
Was liegt im digitalen Silberlingdreher?
KARO - "Heavy Birthday", 1988 erstmals erschienen, schnell verschwunden und nun ganz aktuell von den Münchener Hard-/Heavy-/Melodicrock - Spezialisten 'MTM-Music' als digital remasterter Rerelease wieder ausgegraben.
Wir prosten uns zu und kurz darauf bleibt uns die Hopfenkaltschale fast in der Kehle stecken.
Mein Kumpel ist quasi ein Kind des Spätsiebziger/80er Jahre - NWOBHM-Booms (New Wave Of British Heavy Metal), der freilich seinerzeit nicht nur britische Rockbands voll erfasst hatte. Und 1988 war eigentlich dieser Boom auch schon beendet, denn zu der Zeit regierten längst amerikanische Comic-Rocker à la Poison, Bon Jovi, Cinderella, Mötley Crue und ähnliche Geschmacklosigkeiten. Und der Sleaze-Rock a la Guns N' Roses, L.A. Guns, Little Caesar (kennt die noch jemand?) oder vielleicht auch Great White blühte gerade richtig auf und bescherte dem größten gemeinsamen Vorbild, nämlich Aerosmith ein beachtliches Comeback mit den fulminanten Alben "Permanent Vacation" (1987) und "Pump" (1989), bevor die Grungewelle mit Nirvana, Soundgarden oder Pearl Jam an der Spitze alles hinwegfegen sollte.
Aber die Berliner Combo KARO hatte dies alles offenbar wenig geschert, denn wir hören zunächst übelsten, angloamerikanisch geprägten Synthie-Möchtegern-Hardrock, geradezu prädestiniert zur Unterlegung diverser Teeniefilmchen damaliger Zeit bzw. kurz davor (ungefähr Mitte 80er!).
Das Schlagzeug hallt vollkommen leblos vor sich hin, die Gitarrenlinien beweisen null Eigenständigkeit und die Tasten bemühen sich zwar, nicht alles zuzukleistern, trotzdem kann hier eine gewisse Zurückhaltung nicht verbergen, dass einfach keine musikalische Linie erkennbar ist, von einem gewissen Eigenleben mal ganz abgesehen.
Und so fällt relativ schnell unisono der berühmt berüchtigte Satz:
"Das ging damals schon nicht (mehr) und heute erst recht nicht!"
Zu diesem von uns gewonnenen Eindruck habe ich bei den Kollegen von Squealer eine höchst interessante Besprechung zur KARO -Scheibe gefunden, in der Eric u.a. schreibt:
"(...) es den Berlinern gelang, die perfekte Mischung aus Eingängigkeit, Radiotauglichkeit und gesunder Härte zu finden, die schlicht und ergreifen zeitlos ist und deshalb auch mehr als 25 Jahre später nicht mehr und nicht weniger als einfach guter Rock (...)."
"(...) Ausfälle sucht ihr allerdings vergeblich auf "Heavy Birthday", so klang Melodic Rock made in Germany Ende der Achtziger at it's best. Schön geradeaus nach vorne, mit klasse Hooks, dem nötigen Bumms und dank Remastering mit einem durchaus zeitgemäßen Sound (...)."
Donnerwetter, so verschieden können die subjektiven Eindrücke sein.
Ich habe allerdings später noch mal auf meiner berühmt berüchtigten High-End - Kasperanlage den tatsächlichen Sound genauestens überprüft und jenseits aller subjektiven Eindrücke kann in Wirklichkeit mitnichten von einem zeitgemäßen Sound gesprochen werden. Den Hall des Schlagzeugs habe ich schon angesprochen, aber auch insgesamt klingt die Aufnahme ausgesprochen blutleer, vergleichsweise flach, ohne große räumliche Tiefe und mit leichter Überbetonung der Höhen. Von 'Bumms' ist nicht wirklich viel zu hören, es gibt wahrhaftig dynamischere Aufnahmen.
Und der Musik an sich eine gewisse Zeitlosigkeit zu attestieren halte ich persönlich für überaus gewagt.
Da möchte ich lieber die Antithese aufstellen und behaupten, hier ist exakt das Gegenteil der Fall und die Scheibe muss unbedingt im Kontext ihrer Zeit betrachtet werden.
Das rettet die ausgesprochen schwache ehemalige erste Seite der LP allerdings auch nicht. Die zweite Seite dagegen fällt deutlich besser aus, weil unterhaltsamer und schmissiger.
Bei "Call Of The Wild" gibt's einen schönen Mitsingrefrain, es wird endlich mal signifikant gerifft und gegroovt, statt Synthies erklingt die gute alte Orgel und die Dame des Hauses, die just in diesem Moment mal nach uns Jungs schaut, hört spontan Anleihen à la Van Halen heraus.
"No-Man's Land" kommt dann richtig schmissig rüber, inklusive Stolperdrums und Keyboards, die kurzzeitig an einen gewissen Rick Wakeman (in Wirklichkeit Bandmastermind und Namensgeber Karo Straub) gemahnen. Überhaupt, Sänger Lutz Salzwedel erinnert mich schon die ganze Zeit an Jon Anderson, so als hätte dieser mal eben zum Ausgleich von den anstrengenden Yes einen Ausflug in die Profanmucke getätigt.
"Out On The Line" dagegen klont in seinem Grundkonstrukt die ZZ Top der 80er Ära, für welche diese von alten Fans und überwiegenden Teilen der Musikjournallaie heftigst kritisiert worden sind.
Das erste von zwei Highlights kommt dann ganz zum Schluss der ursprünglichen Platte, denn "Nobody's Fool" ist einfach ein unwiderstehlicher Fuß- und Mitwipper, wiederum von gelungenen Stolperdrums (Ronald Bosien) vorangetrieben, mit einem Refrain, dem sich niemand entziehen kann und einem kurzen Gitarren-Soli (Erich Holstein), das doch tatsächlich hörbar einem Eddie Van Halen geschuldet ist.
Ein Partyfeger!
Das zweite Highlight schließt dann auch diese Neuauflage ab, denn es ist eine abgespeckte Akustikversion des Albumopeners "Wanna Be Loved", und macht aus dieser Nummer einen sehr schönen Candlelight-Tränenzieher.
Sehr romantisch!
Zum Schluss habe ich noch von Leuten, die es wohl wissen müssen, einen sehr interessanten Aspekt gefunden.
Sowohl bei den Kollegen von Bright Eyes Germany, als auch beim Metal Observer gibt es zum Thema Zeilen zu finden, die in ihren Aussagen verblüffend übereinstimmen. Nur bei ersteren wird die Erklärung aber auch gleich mitgeliefert (Waschzettel der Plattenfirma):
"(...) Das Infoblatt zieht Parallelen zu Scheiben von Sinner ("Dangerous Charme") bzw. Kingdom Come ("Lost In The City"), ..." ( Bernd Joachim, BRIGHT EYES GERMANY)

"(...) Die CD klingt wie eine geschliffene Version des vierten SINNER-Albums "Dangerous Charm", bzw. liegt auf einer Linie mit dem KINGDOM/DOMAIN-Erstling "Lost In The City". Simpler Heavy Rock mit starkem Ohrwurmcharakter eben." (Falk Kollmannsperger, The Metal Observer)
Und der Kollege Bernd Joachim hat noch eine nähere Erläuterung parat, die ich gerne als Schlussstatement stehen lassen möchte:
"... aber irgendwie kommt mir "Heavy Birthday" eine ganze Spur angloamerikanischer vor und so umreiße ich die Chose als poppigen Ozzy Osbourne mit einem guten Schuss Autograph, ergänzt durch Rock'n'Roll-ige Q5 mit einer latenten Neigung gen Slade."


Spielzeit: 46:09, Medium: CD, MTM, 2005
1:Wanna Be Loved 2:One Of A Kind 3:Still Hate To Loose 4:Sister Sister 5:Ball Of Fire 6:Call Of The Wild 7:No-Man's Land 8:Out On The Line 9:Cold Shoulder 10:Nobody's Fool 11:Wanna Be Loved [new version 2005] 12:Wanna Be Loved [acoustic version]
Olaf 'Olli' Oetken, 05.10.2005
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