Der Titel sagt es tatsächlich aus: Es handelt sich um das zweite Album dieses Schweizer Musikkollektivs um den Musiker und Komponisten Beat Keller. Diese Formation wurde im Jahre 2006 gegründet, die erste Plattenveröffentlichung erfolgte zwei Jahre später. Obwohl das Debüt in Jazzkreisen sehr gut aufgenommen wurde, stellt sich mir die Frage, ob das überhaupt noch Jazz ist. Zumindestens ist dieser ein Element der sehr vielschichtigen Musik, die sich ferner aus Avantgarde, Ambient und Rock speist. Auch Spuren der modernen Klassik sind enthalten. Letztlich ist es jedoch sehr freiheitlich ausgestaltete Musik - eine Freiheit, die Jazz unbedingt bereithält, sodass die Einteilung in dieses Genre durchaus nicht ungerechtfertigt erscheint.
Es entstehen Kontraste, scheinbar Widersprüchliches scheint sich mitunter zu vereinen, immense Spannung wird stark erzeugt. Hier entstehen großartige Gemälde, es fließen die Farben, zarte und grobe Pinselstriche stehen nebeneinander, Abstraktes vereint sich mit Gegenständlichem. Die Kunst des Beat Keller besteht darin, diese einzelnen Elemente zusammenzufügen und zusammenzuhalten, sie zu bündeln und die Musik so zu präsentieren, dass sie nicht nur unzugänglich wirkt.
Mitunter wecken einige Passagen Erinnerungen an ein anderes Kollektiv, nämlich jenes aus den Niederlanden, das von Willem Breuker geleitet wurde. Schon beim ersten Song offenbart sich durch die Eigenart ihrer Struktur eine schwer zugängliche Musik. Das ist eigentlich kein Jazz, das klingt dann schon eher nach E-Musik, und zwar aus dem dortigen modernen und experimentellen Umfeld. Aber auch das Ungewöhnliche und manchmal sehr Erheiternde aus der Welt des soeben genannten Niederländers bleibt nicht außen vor.
Angefangenes wird unterbrochen und öffnet sich einer anderen Stimmung. So entstehen bruchstückhafte Episoden, die aber dennoch - ineinander verflochten - ein Ganzes bilden. Auffällig ist das gleich bei "New Work" und auch bei nachfolgenden Titeln. So stellte sich bei mir spontan die Frage, wie die Band mit einem Titel des ohnehin als sperrigem Querkopf bekanntem Thelonious Monk umgehen wird. Genau, "Friday The 13th" stammt von diesem Pionier des Jazz. Nun, hier bedient man sich zunächst grundsätzlich des für Monk typischen Themas und belässt es in jazziger Umgebung, aber durch die Vielzahl der Instrumente wird die Tür zur Gestaltung im Laufe der fast neunminütigen Spielzeit weit aufgestoßen. Ein Pianosolo darf natürlich angesichts des Komponisten des Titels nicht fehlen, aber es wird keine Kopie des Stils des Meisters, sondern eine eigene Interpretation durch Peter Zihlmann. Aber auch mit den Soli anderer Instrumente beschreitet man nach dem Verlassen des Themas der Komposition eigene Wege der Gestaltung des Stückes.
"Dimp (take 3)", hier spielt die Band wieder mit Klängen und Tönen. Bilder werden erzeugt und Avantgarde ist nun das Thema dieses jedoch recht kurzen Stücks. Im Gegensatz dazu steht mit gut zwanzig Minuten "Circular Music No.2", das eine wahre Fundgrube darstellt. Der Verantwortliche hierfür ist der Schweizer Komponist Jürg Frey und man bemerkt hier dann auch sogleich, dass nun etwas außerhalb dessen geschieht, was nur als Jazz durchgeht. Moderne E-Musik von avantgardistischem Ausmaß bestimmt diesen Teil der Platte ausdrücklich. Da Keller auch als Gitarrist tätig ist, hätte ich es begrüßt, ihn in diesem Umfeld ebenfalls ein wenig wahrzunehmen. Die zwanzig Minuten ziehen sich schwer fließend dahin, wenig Spektakuläres geschieht, aber im Verborgenen, mit subtil gestalteten Einfällen wird die Zeit nicht langweilig. Und immer kurz dazwischen kratzen jazztypische Instrumente über dem manchmal drohnenhaften Untergrund.
Dann geht es anders weiter mit "Worker's Union", wie Musik aus dem Zirkus oder einem Zeichentrickfilm. Das ist eines der bekanntesten Werke des niederländischen Komponisten Louis Andriessen, hier mit einem Ausschnitt aus dem Gesamtwerk dargestellt. Minimalistisch - nur ein Klavier ertönt - finden wir mit dem letzten Stück Entspannung und Ruhe nach einer an Höhepunkten und Reibung nicht armen Platte mit wilder, höchst unterhaltsamer und spannender Musik.
Line-up:
Reto Anneler (alto and soprano saxophone, flute)
Rafael Schilt (tenor saxophone, bass clarinet)
Rafael Baier (baritone saxophone, bass clarinet)
Linus Hunkeler (trumpet, flugelhorn)
Mats Spillmann (trumpet, flugelhorn)
Bernhard Bamert (trombone)
Fabian Beck (bass trombone, tuba)
Peter Zihlmann (piano, Rhodes)
Peter Gossweiler (double bass)
Marius Peyer (drums, percussion)
Beat Keller (composer, conductor)
Tracklist |
01:Cui Bono? - Who Benefits? (2:51)
02:New Work (7:25)
03:Cues 1 (1:10)
04:Cues 2 (0:34)
05:Friday The 13th [Thelonious Monk] (8:49)
06:Dimp (take 3) (2:36)
07:Circular Music No.2 [Jürg Frey] (20:17)
08:Workers Union - Excerpt [Louis Andriessen] (2:54)
09:Dimp (take 4) (2:21)
10:S. (2:02)
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