King Automatic / In The Blue Corner
In The Blue Corner Spielzeit: 38:30
Medium: CD
Label: Voodoo Rhythm Records, 2009
Stil: Rock'n'Roll, Punk, R&B, Bebop, Rocksteady

Review vom 18.12.2009


Eva Knöferl
King Automatic - das ist eine One-Man-Band, die sich Orchester nennt und sich die Revolution des Rock'n'Roll auf die Fahnen geschrieben hat. »Transglobal« soll er sein, der Rock'n'Roll, außerdem »horizonterweiternd und bitte nicht traditionell«. Ob dieses Projekt ein zukunftsträchtiges ist, kann der geneigte Hörer nun auf King Automatics neuem Album "In The Blue Corner" überprüfen.
Mit seinem dritten Album für Voodoo Records wagte sich der Franzose über die Grenzen des typischen One-Man-Band-Sounds hinaus und spielte nicht nur in Eigenregie diverse Instrumente selbst ein (unter anderem Drums, Gitarre und Keyboards), sondern experimentierte auch mit Looping-Technik und ähnlichen digitalen Spielereien, die ein solch ehrgeiziges Orchester-Unterfangen überhaupt erst möglich machen. Heraus kam am Ende eine sehr laute, sehr tanzbare und durchgängig punkige Melange aus R'n'B, Bebop, Rockabilly, Rocksteady und so ziemlich allen übrigen Spielarten, die der gute alte Rock'n'Roll so zu bieten hat. Selbst vor ein paar kleinen Anleihen im Grenzbereich von Reggae oder Jazz schreckt der King nicht zurück.
Mit "King Takes Queen" geht es gleich in die Vollen - der Intro-Song lässt keinen Zweifel daran, in welche Richtung das Album geht: es kracht, es rauscht, es wird in die Tasten gehämmert und schnell ein rudimentäres Gitarrensolo aus dem Ärmel geschüttelt. Die Hommage ans Pokern und James Bonds schöne Gespielin Vesper Lynd geht stilistisch nahtlos in den Titeltrack "In The Blue Corner" über, der von einer tätowierten Boxerin erzählt, die gerne Männer vermöbelt: King Automatic im Wunderland des Trash.
Nach einer musikalisch inszenierten Hetzjagd im Treppenhaus, die hin und wieder schwer nach den späteren Doors klingt ("Staircase Serenade") und dem einzigen muttersprachlichen Titel im Repertoire ("Le Redresseur De Torts") widmet sich der Franzose mit Genuss dem triefenden Sarkasmus: "Moodswings" schwelgt in einem Abgesang auf die Übellaunigkeit - allerdings wird das Ganze mit so demonstrativ nöliger Stimme vorgetragen, dass selbst beim Hörer die ein oder andre Stimmungsschwankung zu erwarten sein wird ... Auch der nachfolgende politisch nicht ganz korrekte Song über verliebte Skinheads bewegt sich musikalisch hart an der Grenze des guten Geschmacks - die Punk-Einflüsse sind nicht zu überhören, es braut sich ein Sturm aus multiinstrumentellem Getöse zusammen, aus dem ein kleines Chuck Berry-Riff herausragt, das aber letztendlich sang- und klanglos im Gewirr des gepflegten Krachs untergeht.
Abgerundet wird das Klanginferno durch einen weiteren Song im Rockabilly-Stil und schon ist man am Ende der - in Würdigung der alten LPs - als 'Side one' betitelten Zusammenstellung. 'Side two' folgt auf dem Fuße und kann weiterhin mit partytauglichem Dampflok-Rock'n'Roll, Punkabilly und wildem Dark Country-Trash aufwarten. Der King besingt gemarterte Seelen und deren nächtlichen Verlust von Mädchen nebst Brieftasche, dunkle Magie und die Abenteuer von "Doctor Jekyll And Sister Hyde".
"In The Blue Corner" will für den Rock'n'Roll sein, was die Black Keys für den Blues sind - Punk, Reduktion auf das Wesentliche, Spaß am Krach und keine Angst vorm stilvollen Zitieren und Zerschreddern einer Musiktradition. Wo die Black Keys allerdings süffisant zerstückeln und aus den genrespezifischen Puzzleteilen einen neuen Phönix schaffen, droht King Automatics musikalischer Alleingang auf die Dauer in Monotonie überzugehen. Zu undifferenziert und breiig kommt der Sound oft rüber und seine One-Man-Version des Rock'n'Roll lässt hin und wieder doch ein paar Bandkollegen vermissen, die ihre Instrumente über die gängigen Standards hinaus beherrschen. Zweifellos ist der ehemalige Thundercrack-Drummer ein musikalisches Multitalent, aber trotz der zahllosen Einflüsse, krankt "In The Blue Corner" letztendlich doch ein wenig an stilistischer Einseitigkeit.
Die Revolution des Rock'n'Roll? Wohl kaum - aber als Tanzscheibe für die nächste Rockabilly-Trash-Party kann das dritte King Automatic-Album durchaus herhalten.
Line-up:
King Automatic (drums, guitars, keyboards, harp, vocals)
Petra, Miss Bang!Bang!, Rich Deluxe (backing vocals)
Tracklist
Side one

01:King Takes Queen
02:In The Blue Corner
03:Staircase Serenade
04:Le Redresseur De Torts
05:Moodswings
06:Fake Skinheads In Love
07:Things Are What They Are But Never What They Seem

Side two

01:Let's Have A Party
02:Vague Information
03:There Is No Truth In The Night
04:There Goes George
05:Doctor Jekyll & Sister Hyde
06:Mighty Sword Of Truth
07:Black Magic
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