Kingbaby / Whole Lotta Easy
Whole Lotta Easy
Donnerwetter, ich bin überrascht, wie unterschiedlich unsere Ohren und Denkapparate Musik offenbar aufnehmen, empfinden und letztlich auch bewerten. Neuestes Corpus Delicti ist dabei ein Newcomerquartett aus Los Angeles namens Kingbaby, welches Ende letzten Jahres auf einem kleinen Indie-Label ('Bibs Records') sein Longplay-Debüt "Whole Lotta Easy" veröffentlichte.
Uns wurde freundlicherweise von Michael Knippschild ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt und die Meinungen über das Produkt sind erstaunlich vielfältig, in ihrer Gesamttendenz aber sehr positiv gestimmt.
Es wird ein Album in Aussicht gestellt, das "unkomplizierten Geradeaus-Rock'n Roll" (Rockinfo.de) und "'handgemachte' Rock-Musik mit Blueswurzeln" (Southern-Rock.de) bietet. Dabei fallen als Orientierungshilfe Namen wie beispielsweise Black Crowes, Cry Of Love, Steepwater Band, Screamin' Cheetah Wheelies, Bad Company, Free, Rolling Stones, Aerosmith, Guns N' Roses bis hin zu Tom Petty.
Oh je, dachte ich mir, das klingt nicht unbedingt nach großer Eigenständigkeit und verabreichte dem Silberling eine Dauerrotation.
Das Ergebnis?
Nun, mit der Eigenständigkeit ist es wirklich nicht weit her, aber welche Rock 'n' Roll orientierte Band kann das schon heutzutage für sich reklamieren?
Ansonsten verblüfft mich, dass ich von allen genannten Name-Dropping-Referenz-Assoziationen lediglich die guten alten Rolling Stones ausmachen kann, vornehmlich den Riffmeister himself, Mr. Keith Richards, und das sogar ziemlich deutlich, vor allem beim Opener "Always Free", ganz stark beim Titelsong, bei dem Akustikblues von "The Bones" und schließlich beim Rausschmeißer "Rock & Roll High", hier wie beim Titelsong richtiggehend mit typischem Keith-Trademark-Riffing.
Sänger und Band-Mastermind Lance Bulen erinnert mich persönlich mit seiner zwischen Klar- und Rauheit schwankenden Stimme am ehesten an Frank C. Starr von den leider nicht mehr existierenden Four Horsemen , kann aber mit ein bisschen Fantasie auch an einen erkälteten Paul Rodgers gemahnen.
Musikalisch dagegen kann ich weder Free oder Bad Company, noch die vier Reitersleute erkennen. Während letztere eher in den Gefilden von AC/DC und Südstaatenrock wilderten, kommen mir bei Kingbaby Kaliber wie Collective Soul (bei "Bestowed"), Everlast (beim tatsächlichen Highlight der Scheibe, dem wunderschön melancholischen, atmosphärischen und rootsigen "The Well" - absolut hitverdächtig!), Georgia Satellites (bei "Heaven's Hangin'") bis hin zu Bon Jovi der Anfangneunziger, die bei abgespeckterer Produktionsweise locker Sachen wie das popig angehauchte und sehr eingängige "Let It Out" oder das mehr rifforientierte "Sing Along" hätten bringen können, in den Sinn.
Neben dem bereits erwähnten "The Well" fällt eigentlich nur noch der vorwärtstreibende Stolper-Country-Rock'n'Roll von "Let's Stay Home" aus dem Rahmen aller hier dargebotenen Nettigkeiten.
Da sind wir dann auch schon bei der eigentlichen Quintessenz des ganzen Albums - es ist einfach nett!!!
Die Songs sind nett, die Saitenkünste von Leadgitarrist Matt Bachman sind nett, das rhythmische Fundament von Bassist Joe Sachs und Schlagwerker Alex Irwin ist nett, die Gesangsbeiträge und das Spiel der zweiten Gitarre von Lance Bulen sind nett, überhaupt, die ganze Band scheint einfach nur sehr nett zu sein.
Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Insgesamt fehlt mir der richtige Kick, so ein kleiner Tritt in den A..., es kommt alles zwar überaus professionell daher, aber auch etwas flügellahm. Richtig vom Hocker kann mich wirklich nur besagtes "The Well" reißen, ansonsten begeistert immerhin die fabelhafte Produktion, denn das Ding kommt vergleichsweise erdig und schlackefrei rüber und kann mit einem absolut überdurchschnittlichen Klangbild punkten, das wunderbar transparent, druckvoll, realitätsnah, trocken, warm und klangfarbenstark aus den Boxen perlt.
Fazit:
Lassen wir doch den Bandchef höchstpersönlich zu Wort kommen: "We write for ourselves, but it happens to be coming out radio-friendly".
Ja, in der Tat, radiofreundlich ist das Ganze fürwahr ausgefallen. Nur ist hierzulande im Zeitalter des Formatradios mit Flitzerblitzer und dem ultimativen Mix aus 80er, 90er und dem Besten von Heute kein Platz mehr für ehrliche (Riffrock) Musik. Und mag sie noch so eingängig und harmlos sein. Aber es bleibt ja die Möglichkeit des Griffes zum kompakten Silberling, sogar ohne Kopierschutz und in diesem Fall gar als Klangschmeichler für die heimische Soundmaschine. Nettes Liedgut von netter Band für nette HörerInnen!


Spielzeit: 44:45, Medium: CD, Bibs Records, 2005
1:Always Free 2:Swan Song 3:Heaven's Hangin' 4:Right Time 5:Sing Along 6:Whole Lotta Easy 7:The Well 8:Let's Stay Home 9:Bestowed 10:Let It Out 11:The Bones 12:Rock & Roll High
Olaf "Olli" Oetken, 03.03.2006