Kingfish / The Robert Johnson Project
The Robert Johnson Project Spielzeit: 53:40
Medium: CD
Label: Fuego, 2010
Stil: Blues, Rock, Rhythm'n'Blues

Review vom 16.08.2010


Wolfgang Giese
Nobody plays Robert Johnson like Robert Johnson - das ist für mich Fakt. Punkt!
Etliche Legenden rankten/ranken sich um den Bluesmusiker aus Mississippi. Viele seiner farbigen Blueskollegen hat er beeinflusst, und so fand man Spuren seines Stils später u.a. bei Robert Nighthawk oderElmore James , bei J.B.Hutto oder Hound Dog Taylor. Darüber hinaus haben seine Songs unzählige Rockmusiker zu Interpretationen inspiriert, beispielhaft hier als bekannteste Cream, Led Zeppelin oder die Rolling Stones. Aber auch immer wieder gab es Anlass für Musiker, ein komplettes Tribut einzuspielen, hier seien genannt Paul Williams - "In Memory Of Robert Johnson" (1973), John Hammond (Jr.) - "At the Crossroads: The Blues of Robert Johnson" (2003), Peter Green Splinter Group - "The Robert Johnson Songbook" (2003), Eric Clapton - "Me & Mr. Johnson" (2004).
Hier versucht es nun ein Band aus Bremen mit einer Reminiszenz. Nebenbei bemerkt, ist das die fünfte Veröffentlichung dieser Formation. Gelungen oder nicht gelungen?
Nun denn, um meine eingangs geäußerte Bemerkung aufzugreifen, niemand wird die Musik, diesen eigentümlichen Stil, diese Atmosphäre, dieses Umfeld, in dem der Ursprung der Titel liegt, nachvollziehen und authentisch umsetzen können. Das darf nicht der Anspruch sein.
Anspruch sollte sein, den Geist jener Zeit, die Aussage lebendig zu erhalten und im Sinne einer historischen Zuwendung an das zu erinnern, wie es damals von Johnson in seiner Zeit gedacht war. Wenn es dann gelingt, diesen Geist in die heutige Zeit zu transportieren und heutigen Musikhörern damit den Zugang zu den alten Titeln zu öffnen oder zu ebnen, dann ist damit bereits ein großer Teil erfüllt. Wen ich die Besetzung lese und die Geschichte zu Johnson, dann gehe ich schon mit einer gewissen Praejustiz in die Rezension.
Doch schon bald werde ich eines besseren belehrt. Denn das, was grundsätzlich zu erwarten wäre, nämlich, die Titel des Bluesers so zu interpretieren, dass sie einfach nur modern klingen, und insofern noch eindeutig zu 'erkennen' sind, das wird hier so gar nicht geboten.
Nur einmal (mit "Come On In My Kitchen") erfüllt die Band diesen Anspruch(?). Und dazu gratuliere ich ganz herzlich! Denn mit Ausnahme dieses Titels, der fast authentisch geboten wird, orientiert sich Kingfish eigentlich noch nicht einmal am ursprünglichen Gerüst der Titel, sondern gibt ihnen eine ganz andere Richtung, die mal gen Rory Gallagher zeigt ("Terraplane Blues"), mich an die Spätphase von Cuby + Blizzards erinnert mit diesem federnden Groove ("Phonograph Blues"); hier auch mit einem Eingangsriff, der offensichtlich bewusst an Led Zeppelin erinnern soll (na, welcher Titel ist es?) oder bei "If I Had Possession Over Judgement Day" ganz außergewöhnlich mit perkussivem Flair in ein schon fast jazziges Umfeld gerät. Für mich einer der wohl stärksten Stücke dieser ungewöhnlichen Scheibe. Das ist so wunderbar locker, dass bei mir sofort der Wunsch aufkam, die Band live sehen zu können. Bei diesem Song kommt auch erstmalig das Saxofon ins Spiel, über klackernder Perkussion meldet sich Tadeusz Jakubowsky zu Wort und der Drummer bringt den Titel nun endgültig auf die Fahrt in Richtung Jazz. Stark, wie das Eingangsthema, das noch den konkreten Hinweis auf Johnson gab, völlig aufgelöst wurde, fürwahr - das halte ich für meisterlich in der Ausführung. Es erstaunt mich, von der Band bisher noch gar nichts gehört zu haben.
Ein ähnlicher Jazzausflug findet sich auf "Me And The Devil Blues", das mit seiner Atmosphäre auch ein wenig an Musik vonTom Waits erinnert. Hier dann auch wieder Saxofon, das in die leicht düstere und unheimliche Stimmung einbricht, ja, der Teufel scheint hier mit im Spiel zu sein. Hingegen ganz 'trocken' rockt es im "32-20 Blues" mit sehr hypnotischer Ausrichtung, very cooooooool!
Energisch geht der "Traveling Riverside Blues" ab, "Stop Breaking Down" überrascht mit einer popmäßigen Ballade, die einen Schuss Soul abbekommen hat. Ja, die Abwechslung wird groß geschrieben. Ein poppiges Gewand, weitestgehend in der Art von Creedence Clearwater Revival weist die Interpretation von "From Four Until Late" auf, bis "Love In Vain" mit Pianoklängen eingeleitet wird und schon zu Beginn schon so klingt, wie man diesen Titel eigentlich nicht erwartet hätte. Auf locker-elegante Art bringt uns diese Nummer dann 'nach Hause'.
Fazit: Endlich nicht noch einer der Versuche, möglichst nahe an einem Original zu kleben, sondern der wirklich kühne Entschluss, die Stücke des Meisters mit einer eigenen Note zu präsentieren. Und das ist in der Tat sehr gut gelungen. Ich bin aufs Angenehmste überrascht! Dazu ein Gitarrist, der sich nicht, wie viele Bluesrocker, den Anspruch gesetzt hat, noch 'schneller, lauter, wilder' zu spielen, sondern mit filigraner Handarbeit die Seele des jeweiligen Titels auslotet, und nicht in die Breite, aber in die Tiefe vordringt. Selten habe ich in diesem Umfeld jemanden so subtil und zurückhaltend mit gleichzeitiger vordergründiger Präsenz spielen hören. Aber auch die anderen Bandmitglieder zeugen von großer Spielfreude und bringen ein professionelles Ambiente in die Musik, seien es die Bassisten mit flüssig-elastischem Spiel oder besonders der sehr abwechslungsreich agierende Schlagzeuger. Der jeweilige Keyboarder weiß durch Einfühlungsvermögen für die Songs zu glänzen. Andreas Lippke ist sicher nicht ein Sänger mit einer typischen Bluesstimme, und besonders 'schön' ist sie auch nicht, weist jedoch gewisse Eigenheiten auf und beinhaltet das gewisse 'Blue Eyed Soul - Feeling', das insofern passend ist, als dass die meisten Songs eh nicht im Stil Johnsonsvorgetragen werden, und er jedem einzelnen Track eine eigene Note zu verpassen vermag, was für das gute Einfühlungsvermögen und ein Quentchen Leidenschaft spricht.

Die Stimme ist genau so wenig perfekt wie die Musik und genau das ist es, was ihr diese Überzeugungskraft handwerklich 'ehrlicher' Leistung vermittelt. Hier höre ich in erster Linie Spaß an der Musik, die sich auf sehr unkomplizierte und nicht überproduzierte Weise auf den Hörer übertragen kann.
Und das sage ich, der im allgemeinen eher 'auf Kriegsfuß' mit der Interpretation des Blues durch viele aktuelle weiße Musiker steht. Die Tatsache, dass ich bemerke, dass hier nicht einfach Strukturen des ursprünglichen Blues kopiert werden, und wirklich ein eigenständiger Stil auf der Basis von Blues geschaffen wurde, ist für mich sehr überraschend. Kompliment!
Line-up:
Andreas Linke (guitars, lead vocals)
Eddie Filipp (drums)
David John (bass, backing vocals)
Jürgen Sosnowski (guitars, backing vocals)

Gäste:
Holger Trull (bass - #1, 3, 6, 8, 10, 12, 13)
Jan-Heie Erchinger (keyboards - #1, 5, 13, piano - #2, 14)
Johnson Waehneldt (keyboards - #2, organ - #11)
Tadeusz Jakubowsky (saxophone - #5, 9)
Britta Rex (backing vocals - #1, 11)
Tracklist
01:They're Red Hot (3:41)
02:Phonograph Blues (3:35)
03:I'm A Steady Rollin' Man (3:45)
04:Preaching Blues (Up Jumped The Devil) (3:05)
05:If I Had Possession Over Judgement Day (6:30)
06:Come On In My Kitchen (3:23)
07:32-20 Blues (4:29)
08:Terraplane Blues (3:31)
09:Me And The Devil Blues (4:21)
10:Travelling Riverside Blues (3:06)
11:Stop Breaking Down (3:47)
12:Stones In My Passway (2:57)
13:From Four Until Late (3:35)
14:Love In Vain (3:46)
Externe Links: