Kiss / 25.05.2010, Arena, Leipzig
Support Taking Dawn
Kiss Kiss
Arena, Leipzig
25. Mai 2010
Konzertbericht
Stil: Hard Rock



Artikel vom 03.06.2010

  
Ingolf Schmock            Uwe Pabst (Fotos)
Planet Kiss an Erde - US-Rocker Kiss starteten ihre Deutschland-Tournee in Leipzig
KissDie seit mehr als drei Jahrzehnte faszinierendsten Fratzen und einer anscheinend außerirdischen Dimension entsprungenen Comic-Helden des gehärteten Rock'n'Roll's, protzten im Vorfeld ihrer bevorstehenden Europa-Gastspiele wie gewohnt mit der wohl heißesten Show auf diesem Erdball gar seit Anbeginn ihrer irdischen Karriere.
Die alterstechnisch mittlerweile die Sechzig schrammenden beiden Leit-Großmäuler Gene Simmons und Paul Stanley, nebst den jüngeren Gehaltsempfängern der New Yorker Maskeraden-Rockveteranen Kiss, hatten ihrer militärisch aber waffenlosen Anhängerschaft damit auch nicht zuviel versprochen, wovon sich ein proppenvolles Haus in der Sachsenmetropole Leipzig als Erstes überzeugen durfte.
Wenige Stunden zuvor noch standesgemäß mit dem eigenen Jet eingeflogen, wussten die vier Routiniers an diesem denkwürdigen Abend, das alle bisherigen Kapazitäten übersteigende Energieaufkommen von alleine 700.000 Watt für deren Lampenladen, und tonnenweise pyrotechnischer Devotionalien bzw. Trockeneis für ihr circensisches Schlachtengetümel in Hollywood-Manier auszunutzen.
KissDer Tieftonaxt-schwingende und alle High-Heels-Maße in den Schatten stellende Fledermaus-Dämon, dessen Qualitäten seines Mundhöhlen-Sinnesorganes so manche Dame in Verzückung setzen würde, durfte dabei auch diesmal wieder blutbesudelt schwebend gegen die Schwerkraft ankämpfen, und schlurfenden Schrittes über die überproportionierte Bühne staksen. Der mit deutschen Vorfahren beseelte und mehrmals geliftete Simmons, der seinen Träumen keine Grenzen mehr setzten, und selbst diesen kümmerlichen Planeten mit den weltbekannten vier Buchstaben-Logo versehen würde, und der stets gitarrenzertrümmernde Frauenversteher Stanley, konnten ihre altersbedingten Aktions- bzw.Gesangsschwächen auch diesmal nicht überschminken, vermochten es aber dennoch, mit ihrer brachialen Klassiker-Galerie viele musikalische Nachahmer als kleine Fürze bloß zu stellen.
Die beiden kriegsbemalten Nachzöglinge, Leadgitarrist Tommy Thayer und Schlagwerkermoppel Eric Singer, verhalfen dem ewig dummdreisten Motto 'The Hottest Band In The World' erst an Bedeutung, wobei 'Spacemans' artikulierteres Spiel mehr als eine abgeschmackte Frehley-Kopie und 'The Catman' Nachfolgers Bums in den Stöcken, das benötigte Kraftpaket entschnürten.
KissGott sei Dank den Discozeiten entkommen, kredenzen uns die schillernden Kultrocker auf ihrer neunzehnten tönenden Resteverwertung "Sonic Boom" wieder allerlei spartanische Hausmannskost und aufgeblasenen Hard Rock-Unfug, der durchaus an die glorifizierten Siebziger-Auswürfe anzuknüpfen vermag, und deren Œuvres sich wie rote Fäden durch das derzeitige Bühnenprogramm wälzen, gar selbst die bis dato effektvolle Standard-Einstiegsnummer zu Gunsten von "Modern Day Delilah" vom Sockel sprengte.
Die mittlerweile im eigenen Geldspeicher badenden Veteranen müssen ihrem Ego und der restlichen Musikwelt schon längst nichts mehr beweisen, genießen einfach ihre eigene mitreißende Gourmet-Feldküche, oder ihre eigens an intimen Befindlichkeiten angepasste Garderoben, und vermarkten den allabendlichen Bühnen-Mumpitz als entlohnte Lustbefriedigung.
KissDie vier Familienväter behandeln nach wie vor ihren Unterhaltungsauftrag mit Respekt und zählen mit ihrer generationübergreifenden Marketing-Idee zum rockenden Kulturerbe, vermögen es nach wie vor, mit ihrem geradezu choreographierten visuellen Armaggedon, sowohl auf das spärlich kopfbehaarte bzw. bierbauchige, als auch auf das mit genügend weiblichen Reizen ausgestattete Publikum, nebst Kind und Kegel, tausendfach in vorpubertäres Gebaren zu versetzen.
Die wenigen technischen Unzulänglichkeiten im Überfluss visueller und ohrenbetäubender Zaubertricks, welche souverän mit Siebziger Hardrock-Reminiszenzen überspielt wurden, zerrissen nicht den Fluß ihres phonstarken Mummenschanzes.
KissAuf hochgefahrenen, raumschiffgleichen Podesten verkündeten die Vier nach reichlich zwei Stunden zuguterletzt lautstark ihren populistischen Rausschmeißer an die zügellose Spaßgesellschaft »I Wanna Rock And Roll All Nite And Party Every Day«, bevor sie diese an die verlockenden Merchandise-Stände oder an die nächsten Getränkeausschänke entließen.
Als Animateure für einige Millionen Kids eine Gitarre in die Hand zu nehmen, um ihren Traum vom Rockstar-umschwärmten Dasein zu verwirklichen, und als vorbildliches Wirtschaftsunternehmen, liegen die Verdienste der New Yorker-Kultrocker auf der Hand.
KissAbgesehen von ihrer hinter dicker Schminke gefühlter ewigen Jugend und deren visionären Thesen über einen Kiss-devoten Spaß-Planeten, haben uns die gereiften Hokuspokus-Rocker wieder einmal energisch bewiesen, das sie zu Recht als 'zweiteinflussreichste Band'und vitalster Live-Act mit 'erigiertem Schwanz' in den Glitzer-Korsagen gelten. Faktisch war dieser Abend ein 99 prozentiges Rock'n'Roll-Ereignis, welches die Ohren und die Augen gleichermaßen zu kitzeln vermochte. Nur schade, dass die angekündigten australischen Retro-Rocker Wolfmother aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig das Handtuch werfen mussten, und von den viel zu überdrehten Radau-Brüdern Taking Dawn aus dem staubigen Sündenpfuhl Las Vegas, keinesfalls gleichwertig vertreten wurden.
RockTimes bedankt sich bei Irina Schmaus von Känguruh Production für die freundliche Unterstützung.

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Setlist
Kiss Modern Day Delilah
Cold Gin
Let Me Go Rock 'N' Roll
Firehouse
Say Yeah
Deuce
Crazy Crazy Nights
Calling Dr. Love
Shock Me
I'm An Animal
100,000 Years
I Love It Loud
Love Gun
Black Diamond
Detroit Rock City
Lick It Up
Shout It Out Loud
I Was Made For Lovin' You
God Gave Rock And Roll To You II
Rock And Roll All Nite
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