Dass das Wandern im Allgemeinen eine freudvolle Unternehmung ist, wusste schon der Herr Müller. Natürlich spielt dabei die Art und Beschaffenheit des Weges eine entscheidende Rolle; manch Wanderweg streichelt die Seele und küsst Sorgen hinfort. Welchen Weg die dänischen Mucker von Kissaway Trail bei ihrer Namensgebung vor Augen hatten, ist bislang nicht überliefert. Doch ich wage mal die kühne Behauptung, dass der Titel stellvertretend für alle heilsamen Pfade steht - auch und besonders im übertragenen Sinne. Und so begebe ich mich auf die musikalischen Spuren von Kissaway Trail.
Den Anfang ihres Weges beschritt die Indie Rock-Combo aus Dänemark noch zu fünft. Doch wie das bei jeder eheähnlichen Reisegruppe hin und wieder der Fall ist, kam es auch bei dem Quintett um Thomas L. Fagerlund nach zwei gefeierten Alben und ausgedehnten Tourneen zu internen Streitigkeiten und künstlerischen Unstimmigkeiten. Entweder zerbricht eine Band daran und man geht fortan getrennte Wege oder aber es entwickelt sich daraus etwas ganz Neues, weil man sich neue Ziele steckt, eine Neudefinierung des eigenen Sounds vollzieht, Neuland betritt. Letzteres trifft auch auf Kissaway Trail zu, verkündete doch schon der Titel des Debütalbums prognostisch "We Decided Not To Die" (2005), wobei den inneren Spannungen letztendlich dann doch zwei der fünf Mitglieder zum Opfer fielen - natürlich nur auf das Bandgefüge bezogen: Die ehemaligen Kollegen Daniel Skjoldmose und Rune Pedersen erfreuen sich letzten Informationen zufolge bester Gesundheit. Summa summarum kehrt nun das verbliebene Dreiergespann - Thomas L. Fagerlund, Søren B. Corneliussen und Hasse Mydtskov - mit dem dritten Album "Breach" gestärkt zurück.
Dieses Synthie Noise Pop-Werk lässt sich am ehesten noch mit den kanadischen Artrockern von Arcade Fire vergleichen. Zudem zählt das dänische Trio zu seinen musikalischen Einflüssen die Beach Boys, Grandaddy, Daniel Johnston oder Sonic Youth, von all denen ich auf "Breach" genauso wenig Referenzen heraushöre wie von Nirvana, den progressiven Flaming Lips oder gar dem Black Rebel Motorcycle Club, wie mir der Promo-Waschzettel weismachen will.
Was der Hörer stattdessen mit "Breach" um die Lauscher geschleudert bekommt, ist ein berauschender Cocktail aus dem glühend atonalen Sound der Smashing Pumpkins und den himmlischen Synthie-Sphären von New Order oder The Cure. Ab und an glaube ich sogar, Brian Molko von Placebo singen zu hören. Die Kapelle aus Odense strickt in jedem ihrer zwölf neuen Stücke einen Klangteppich aus wundervoll verträumt-eingängigen Melodien, auf dem gebettet die zarten und zerbrechlichen Stimmen von Fagerlund und Corneliussen von Wende und Verwandlung erzählen.
Den butterweichen Gitarrenmotiven des Openers "Tell The Truth (The Breach)" kann man genauso blitzartig verfallen, wie das damals in den 80ern bei den malerischen Melodien von The Cure der Fall war. Was folgt ist das majestätische "Nørrebro", die erste Singleauskopplung. Beschwingt und doch wehmütig schließen sich "Cuts Of Youth (Razor Love)" und "The Springsteen Implosion" an. Perfide schraubt sich der dissonante Synthiesound von "Beauty Still Rebels" durch die Gehirnwindungen und auch "So Sorry, I'm Not" zeigt sich von einer etwas unwegsameren Seite. "Sara (R.I.Punk)" ist ein Instrumental-Intermezzo mit fettem Schlagzeug, welches das treibende "The Sinking" einläutet. "Shaking The Mote" versinkt mit seiner 80er-Synthie-Seifentrompete tief im klebrigen Kitsch. Eine weitere Brücke zwischen den Stücken symbolisiert "Robot (Think of Me As One You Never Figured)", das als Appetithäppchen für das trächtige Finale "A Rainy Night In Soho" dient.
Entstanden ist ein Album mit simplen, hochinfektiösen Ohrwurm-Arrangements, deren schwelgerisch warmer Klang dank der effektvollen Synthesizer- und Gitarren-basierten Tiefe den Zuhörer mit auf eine kopfdurchflutende Bilderreise nimmt, der er sich kaum erwehren kann. Störend sind allenfalls die teils quäkenden Stimmen, vor allem bei den Tracks "Cuts Of Youth (Razor Love)" und "The Springsteen Implosion". Für popverliebte Ohren ist das schon äußerst grenzwertig, zu wehleidig und grell krakeelen hier Fagerlunds und Corneliussens Kehlen mit einer quiekigen Frequenz knapp unter dem Gläserzerspringen - da hilft auch die zauberhafte Symbiose von Synthie und Gitarre herzlich wenig. Ungeachtet dessen sind die hypnotisch-majestätischen Klangwelten auf "Breach" allemal eine Reise wert, in denen Hall und sonstige Effekte wie bunte Blumenwiesen den Wegesrand umsäumen und die trotzdem nicht überladen wirken - leichte Musik zum Abheben und Ausfliegen.
Line-up:
Thomas L. Fagerlund (vocals, guitars, piano, synth, xylophone, tread organ, banjo)
Søren B. Corneliussen (vocals, guitars)
Hasse Mydtskov (drums, percussion, backing vocals)
Tracklist |
01:Tell The Truth (The Breach)
02:Nørrebro
03:Cuts Of Youth (Razor Love)
04:The Springsteen Implosion
05:Sarah Jevo
06:Beauty Still Rebels
07:So Sorry, I'm Not
08:Sara (R.I.Punk)
09:The Sinking
10:Shaking The Mote
11:Robot (Think Of Me As One You Never Figured)
12:A Rainy Night In Soho
|
|
Externe Links:
|