Lemmy Kilmister ist wohl zweifelsfrei eine dieser lebenden Legenden, deren
körperliche und geistige Konstitution nahezu resistent gegen jegliche Art von Giften ist, die einem in einer 40-jaehrigen Karriere im Rock-Business so über den Weg laufen, und die leider schon so vielen anderen Musikern das Leben gekostet haben. Natürlich weilen noch mehrere Legenden unter uns,
aber im Gegensatz zu dem geistig immer noch vollkommen fitten Lemmy, haben z.B. Ozzy Osborne, Syd Barrett, Peter Green oder Frankie Miller, um nur einige Wenige zu nennen, einen gehörigen Preis für ihren früheren Lebensstil bezahlen müssen.
Höchste Zeit also, dieser Ikone mal eine Rückschau auf ihr Lebenswerk zu
widmen. Und das ist mit dieser Doppel-CD ganz prächtig gelungen.
Konzentriert hat sich das Label 'Sanctuary Records' vor allem auf die Aufnahmen vor und neben seiner eigentlichen 'Heimat', der von ihm gegründeten Band Motörhead. Und auch das war eine hervorragende Idee, da
es vor Motörhead-Compilations ja eh schon nur so wimmelt.
Im zarten Alter von 20 Jahren verschlug es den in Wales geborenen (an Heilig
Abend 1945 und von seinem Vater, einem Priester, kurz danach im Stich
gelassenen) Mr.Kilmister nach Manchester, wo er als Rhythmus-Gitarrist
Mitglied der Rockin' Vicars (wie passend) wurde. Von dieser Band, die dem
klassischen Rhythm 'n' Blues der 60'er Jahre frönte, geht es hier mit
"Dandy" (von den Kinks), dem sehr Beatles-angehauchten "It's Alright" und einer weiteren Aufnahme noch etwas 'rumpelig' zu.
Als die Vicars sich auflösten, zog es Lemmy nach London, wo er im Jahr
1968 mit einer Formation namens Sam Gopal für ein Album die Gitarre und
den Gesang übernahm. Da sich diese Combo fast so schnell wieder auflöste,
wie sie sich zusammengefunden hatte und erwähntes Album ("Escalator"), meines Wissens wenn überhaupt, dann nur als Bootleg zu erstehen war/ist, ist es umso erfreulicher, hier immerhin zwei Songs daraus vorzufinden. Psychedelischer Rock im Stil seiner Zeit.
Es folgten einige bandlose Jahre, in denen er sich seine Brötchen u.a. als
Roadie für Jimi Hendrix verdiente, bevor dann mit seinem Einstieg bei der
Space-Rock Legende Hawkwind der erste essentielle Karriereschritt erfolgte. In den knapp vier Jahren von 1971 bis 1975 schrieb Lemmy gerade mal drei Songs für die Band, von denen hier mit "The Watcher" (vom großartigen Album "Doremifaso") und "Motörhead" immerhin zwei vertreten sind.
Und bereits kurz nach seinem Einstieg lieh' er den Mannen um Dave Brock seine Stimme für den größten Hit der Band, "Silver Machine", welches hier ebenfalls vertreten ist.
Nach seinem Rauswurf bei Hawkwind war es dann an der Zeit, mit seiner
eigenen Band Motörhead Rockgeschichte zu schreiben. Wie bereits erwähnt, befinden sich von dieser aber nur sehr wenige, nämlich ganze sieben, auf dieser 31-track starken Anthology. Und von diesen sieben sind zwei
("Whiplash" und "The Trooper") bisher nicht, oder nur auf diversen Tribute-Alben veröffentlicht worden.
Das restliche Material besteht aus Nebenprojekten mit The Damned
("Ballroom Blitz" und "Over The Top"), Wendy O. Williams ("Stand By Your Man", bei dem der Country-Feger schlicht und ergreifend in alle Einzelteile zerlegt wird, und "Masterplan"), man darf sich an der Single von Lemmy & The Upsetters (mit Mick Green an der Gitarre) mit "Blues Suede Shoes" und
"Paradise" erfreuen, die Kooperation von Motörhead und Girlschool "Please
Don't Touch" ist enthalten, ebenso drei Songs des im Stile von 50'er Jahre-Rock 'n' Roll eingespielten Albums "Lemmy, Slim Jim & Danny B.", dazu die Zusammenarbeit mit Dave Grohl auf dessen Probot-Album ("Shake Your Blood") und schließlich noch drei Tracks unter dem Namen Lemmy, wobei es sich jeweils um ein Cover von "Enter Sandman" ( Metallica), "Tie Your Mother Down" ( Queen) mit Ted Nugent an der Gitarre und "Thirsty And Miserable" (müsste der Black Flag-Song sein) handelt.
Leider nicht vertreten sind die Titel, die er mit seinen deutschen Freunden
Nina Hagen, Doro Pesch und der Berliner Band Skew Siskin aufgenommen hat, aber das hätte den Rahmen wohl gesprengt. Insgesamt eine runde und klasse Angelegenheit, die nicht nur unverzichtbar für alle Lemmy/Motörhead
Komplettisten und Freunde ist, sondern durchaus auch den ein oder anderen
(schlecht informierten) Kritiker in Verwunderung stürzen wird, der immer
noch der Meinung ist, dass, wenn man einen Song von Lemmy/Motörhead kennt,
alle anderen auch zu kennen.
Ende letzten Jahres feierte Lemmy seinen 60.Geburtstag. Bleibt zu hoffen,
dass uns der Mann noch lange erhalten bleibt.
Für 2006 angekündigt sind auf jeden Fall bereits ein neues Motörhead-, sowie das erste Solo-Album von
Lemmy überhaupt. Für Compilations vergebe ich zwar keine Punktzahl, aber dieses Teil ist überaus empfehlenswert!!
Spielzeit: CD-1 52:38, CD-2 49:49, Medium: Do-CD, Sanctuary (Rough Trade), 2006
CD 1 (The Rockin' Vicars): 1:Dandy 2:I Don't Need Your Kind 3:
It's Alright (Sam Gopal): 4:The Dark Lord 5:Escalator (Hawkwind): 6:
The Watcher 7:Silver Machine 8:Motörhead (Motörhead): 9:Damage Case (Lemmy & The Damned): 10:Ballroom Blitz 11:Over The Top (The Young And Moody Band: 12:Don't Do That (Motörhead): 13. Iron Horse - Born to lose (Headgirl): 14:Please Don't Touch (Lemmy With Wendy O. Williams): 15:Stand By Your Man 16:Masterplan
CD 2 (Motörhead): 1:Killed By Death (Lemmy & The Upsetters): 2:
Blues Suede Shoes 3:Paradise (Motörhead): 4:1916 5:Hellraiser (Lemmy): 6:Tie Your Mother Down (Lemmy With The Ramones): 7:R.A.M.O.N.E.S. (Lemmy): 8:Enter Sandman (Lemmy, Slim Jim & Danny B.): 9:Matchbox 10:Big River 11:Learning The Game (Lemmy): 12:Thirsty And Miserable (Probot feat. Dave Grohl): 13:Shake Your Blood (Motörhead): 14: Whiplash 15:The Trooper
Markus Kerren, 08.02.2006
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