Stacey Kent / Dreamer In Concert
Dreamer In Concert Spielzeit: 65:04
Medium: CD
Label: Blue Note Records, 2011
Stil: Vocal Jazz

Review vom 12.11.2011


Wolfgang Giese
Stacey Kents letzte Platte für Blue Note war Raconte Moi. Dort war mir die Unterschiedlichkeit, die Vielseitigkeit der Musik positiv aufgefallen. Hinsichtlich der Stimme der Sängerin hatte ich hierzu angemerkt:
»Kent singt mit einer fast 'Jungmädchenstimme', aber nicht so extrem, wie man es von Annette Louisan kennt. Stark angelehnt an Astrud Gilberto, wirkt sie jedoch nicht so 'cool' wie die Dame aus Brasilien, und so typisch jazzig ist es auch nicht. Irgendwie liegt das 'dazwischen', nämlich zwischen Jazz, Chanson, Singer/Songwriter-Ambiente und einem Hauch gehobener Unterhaltungsmusik [...] und man muss solche zarten Stimmen lieben, die so ganz im Gegensatz zur Wucht von Ella Fitzgerald oder Sarah Vaughan stehen.«
Diese Einschätzung kann man nun auch live nachvollziehen: Die erste Live-Platte nach acht Studioalben liegt mit "Dreamer In Concert" vor - aufgenommen wurde am 30. und 31. Mai in Paris. Gleich vorab: Die Vielseitigkeit der letzten Studioplatte wird hier nicht geboten, sie ist einheitlicher ausgefallen und eine eher ruhige Gangart ist angeschlagen worden.
Böse Zungen nennen solche Musik oft respektlos 'Barmusik'. Gemeinhin ist damit eher schlichte und qualitativ 'dünne' Musik angedacht, bei der es eigentlich egal ist, ob man davon etwas hört oder nicht. Aber diese Minderwertigkeit liegt hier mit Sicherheit nicht vor. Es wird darauf hinauslaufen, dass die Beurteilung stark vom jeweiligen Geschmack oder der Stimmung des Betrachters geprägt sein wird.
Wie dem auch sei, hier geht es eben sehr ruhig zur Sache, mit zarter Stimme in überwiegend englischsprachigen Songs - es gibt aber auch Ausflüge in die französische und portugiesische Sprache. Die Band agiert souverän und professionell, Stacey Kents Ehemann, Jim Tomlinson, hat die Saxofonparts übernommen. Er passt sich in natürlicher Weise den Songs an und so kann man keine Eruptionen auf dem Horn erwarten. Gefühlvoll schleicht er durch die wohlige Atmosphäre; was ihm aber fehlt, ist dieses 'Schauer-über-den-Rücken-Gefühl', wie es der wohl noch ruhiger agierende Ben Webster erzeugen kann. Neben bekannteren Songs gibt es mit den Stücken drei, sechs, acht und neun einige neue Interpretationen.
"Dreamer In Concert" ist ein durchaus zur angesprochenen Atmosphäre passender Titel für dieses Live-Konzert - zum Entspannen und Träumen kann die Musik animieren, soviel ist sicher. Aber hin und wieder unterbricht auch ein schnellerer Titel, um aus den Träumen zu wecken, wie das elegant swingende "If I Were A Bell". Die hier enthaltenen Soli bleiben auf dem Boden, 'nicht mehr als nötig' scheint auch hier die Devise zu sein. Mit viel Eleganz, die mir auf Dauer dann doch etwas zu viel werden könnte, hat man Rücksicht auf das Publikum genommen?
So ist das alles perfekt gelungen und läuft doch Gefahr, zu glatt zu wirken. Anzug, Frack und Fliege scheinen, einmal ganz voreingenommen, eher zum Ereignis gepasst zu haben als ein legerer Freizeitlook. Klanglich ist die Aufnahme ein Genuss, alles wird sehr plastisch abgebildet, als säße man mittendrin!
Line-up:
Stacey Kent (vocals, guitar)
Jim Tomlinson (tenor saxophone, soprano saxophone, percussion)
Graham Harvey (piano, Fender Rhodes)
Jeremy Brown (double bass)
Matt Skelton (drums, percussion)
Tracklist
01:It Might As Well Be Spring [Oscar II Hammerstein/Richard Rodgers] (7:29)
02:Ces Petits Riens [Serge Gainsbourg] (4:01)
03:Postcard Lovers [Kazuo Ishiguro/Jim Tomlinson] (6:20)
04:If I Were A Bell [Frank Loesser] (4:07)
05:Corcovado [Gene Lees/Antonio Carlos Jobim] (5:31)
06:Waters Of March [Antonio Carlos Jobim] (3:57)
07:The Best Is Yet To Come [Carolyn Leigh/Cy Coleman] (3:36)
08:O Comboio [Antonio Ladeira/Jim Tomlinson] (4:29)
09:Dreamer [Gene Lees/Antonio Carlos Jobim] (5:16)
10:Breakfast On The Morning Tram [Kazuo Ishiguro/Jim Tomlinson] (5:29)
11:They Can't Take That Away From Me [Ira Gershwin/George Gershwin] (5:17)
12:Samba Saravah [Pierre Barouh/Vinicius de Moraes - Baden Powell] (5:07)
13:Jardin d'Hiver [B. Biolay - Keren Ann Zeidel] (4:32)
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