Helge Lien Trio / Hello Troll
Hello Troll Spielzeit: 53:44
Medium: CD
Label: Ozella Music, 2008
Stil: Jazz

Review vom 29.08.2008


Wolfgang Giese
Klavier-Trios im Jazz, da gibt es einige in der Geschichte der Musik, angefangen von Art Tatum, über Oscar Peterson bis hin zu Keith Jarrett mit seinen aktuellen Aufnahmen oder dem Trio des unlängst verstorbenen Esbjörn Svensson (E.S.T.), das wieder einmal 'frischen Wind' in die Szene blies.
Piano - Bass - Schlagzeug - eine einfache 'Formel', die immer wieder neu variiert wurde/wird.
Ehemals als reine Begleiter 'verdammt', nahmen Bass und Piano im Laufe der Zeit eine immer wichtigere Funktion in der Gestaltung der Musik ein. Und das ist auch gut so, wurde die Musik dadurch doch wesentlich dichter und ausdrucksstärker. Z.B. Sam Jones, Philly Joe Jones (Bud Powell), Oscar Pettiford, Sid Catlett (Art Tatum), allesamt hervorragende Musiker, doch hatten sie nicht den prägenden Einfluss auf die Musik, wie es dann später Ron Carter, Tony Williams (Herbie Hancock), Gary Peacock, Jack DeJohnette (Keith Jarrett) haben sollten.
Und nun das Helge Lien Trio.
Auch hier wieder, die Begleiter üben ebenfalls eine wichtige Funktion aus, nämlich zur individuellen Ausgestaltung des Gesamteindrucks. Helge Lien veröffentlichte im Jahr 2000 ein Piano-Solo-Album und seitdem fünf CDs im Piano-Trio-Format, und mit anderen Musikern auch einmal in eher ungewöhnlicher Form (Sax, Tuba, Piano), zwei Piano/Sax-Duo-Platten und ein Projekt mit dem Gitarristen Jon Eberson.
Vorliegend nun eine neue Einspielung, aufgenommmen am 24. und 25.02.2008 im berühmten Rainbow Studio in Oslo. Ebenso legendär der Sound-Engineer, Jan Erik Kongshaug, der in jenem Studio bereits viele Platten für das Münchener Label ECM gestaltete (Garbarek, Rypdal etc.)
Auch hier hat er soundtechnisch wieder ein sehr 'glückliches Händchen' bewiesen.
Auf dem Album prangt der gelbe Sticker mit der Aufschrift einer Aussage der Zeitung Dagbladet, Norway: »The best Norwegian Piano Trio in a long time«.
Nun gut, ich kenne nicht alle norwegischen Piano-Trios, jenes von Bobo Stenson ist mir allerdings in guter Erinnerung, und hier ist natürlich die Messlatte recht hoch.
Doch Lien und seine Mannen können sich meiner Meinung nach durchaus mit Stenson messen, wenngleich die Musik anders geprägt ist.
Waren/sind es bei Stenson stark ausgeprägte 'nordische Stimmungsbilder' mit vorwiegend lyrisch-impressionistischem Ausdruck, erscheint mir die Musik des Lien Trios umfassender.
"Gamut Warning" startet bereits mit einem stark bassgeprägtem Groove, unterlegt von elastisch-federndem Schlagzeug und verloren bis zupackend wirkenden Pianosprenkeln. Für mich ein 'Gänsehaut-Auftakt'. Lien spielt perkussiv, fordernd, ist verspielt, suchend, benutzt das hervorragende Rhythmusgerüst zum spontanen Aufbau von Ideen. Ganz hervorragend, permanent neue Einfälle, und immer spielt das Trio 'zusammen', es scheint ein ständiger Dialog der Musiker zu bestehen.
"Radio" fließt dahin - dunkel und verloren scheint Lien Geschichten aus einer anderen Welt zu erzählen, die Tradition europäischer schwerer Klassik scheint hier durchzudringen, dann wieder erscheinen mir dunkle norwegische Wälder und die im Plattentitel angesprochenen Trolle tauchen auf und treiben ihr Wesen und Unwesen.
Sehr perkussiv dann "Troozee", dazu der hart und 'kurz und hackig' gestrichene Bass, das gibt der Musik einen absolut vorantreibenden Charakter, sehr energisch und mitreißend!
Romantische klassische Musik quillt aus allen Poren des Stückes "Diverted Dance", gelegentlich meine ich Nina Simone spielen zu hören, die ja auch eine klassische Ausbildung hatte. Fast schon mein Lieblingsstück, wenn da nicht all die anderen noch wären, wie das wirklich rührende und wunderschöne "It Is What It Is, But It Is". Das hätte Jarrett auch so oder ähnlich im Repertoire haben können. Doch Lien ist noch eine Spur 'schön wehmütiger'.
Bei "Halla Troll" sind dann die wilden Trolle vollends am Werk. So wirbeln sie den Rhythmus durcheinander, schauen wohl keck durch's Gebüsch, bedienen sich des Schlagzeugs, ziehen neckisch an den Saiten von Bass und Klavier.
Mit "In The Wind Somewhere" verabschiedet sich das Trio romantisch und verträumt aus einer sehr abwechslungsreichen Platte.
Ich denke, ich stimme dem Dagbladet zu!
Zwar nicht der swingende Jazz der 40er/50er Jahre, dennoch swingt diese Musik!
Eine hervorragende Neuentdeckung für mich!
Line-up:
Helge Lien (piano)
Frode Berg (bass)
Knut Aalefjær (drums)
Tracklist
01:Gamut Warming
02:Axis Of Free Will
03:Radio
04:Troozee
05:Diverted Dance
06:It Is What It Is, But It Is
07:Halla Troll
08:Snurt
09:In The Wind Somewhere
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