Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1969. »Schallplatte Stereo, auch Mono abspielbar. Tonabnehmer behutsam aufsetzen und abheben.« Diese Worte zieren meine Vinyl-Scheibe der Aufnahme des "Concerto For Group And Orchestra" von Deep Purple & The Royal Philharmonic Orchestra. Als Fan von Deep Purple aus den 70ern war auch diese Scheibe Pflicht für meine Plattensammlung. Aber wie lange habe ich die Aufnahme nicht mehr gehört?
Angeregt von den überwältigenden Kritiken der bisherigen Konzerte von Jon Lord zusammen mit Demon's Eye, Europe's No. 1-Tribute-to- Deep Purple, war das Konzert in München für mich die nächste Gelegenheit, diesen Meilenstein in der Geschichte des Classic Rock einmal live zu erleben. Um es vorweg zu nehmen: Es war ein einzigartiges Musikerlebnis der ganz besonderen Art. Worte können kaum beschreiben, was Jon Lord mit Band und Orchester über zwei Stunden lang auf der Bühne präsentierte. Ich versuche es gleichwohl ...
Das Filmorchester Babelsberg und die Mitglieder von Demon's Eye betreten die Bühne. Als sich die Tür zum Backstage-Bereich erneut öffnet, erscheint mit flinkem Schritt Jon Lord, der mit einem Riesenapplaus in München begrüßt wird. Jon Lord moderiert höchstpersönlich in sehr sympathischer Art durch den Abend, mal mit Augenzwinkern, mal mit Lob oder Anspielung auf seine früheren Bandkollegen. Als First Set kündet Jon Lord feierlich das »Concerto - my Baby - for Group and Orchestra« an; ein musikalischer Kampf zwischen Band und Orchester. Das Concerto dauert knapp 60 Minuten und besteht aus drei Movements.
Mein Platz in Reihe fünf bietet freie Sicht auf Jon Lord und die Band - wunderbar!
Sehr leise - und für meine Rock-/Pop-Ohren doch etwas ungewohnt - beginnt das Orchester mit Movement 1 des Concertos. Aber schon bald erkenne ich die Melodie - ich muss die Scheibe in früheren Jahren doch wohl recht intensiv gehört haben. Der tiefe Klang des Orchesters, die Tonvielfalt, die gewaltige Dynamik - umwerfend! Das Tempo und die Dramatik der Musik wandelt und steigert sich - Streichinstrumente zupfen/streichen, Holz- und Blechbläser wechseln sich ab oder ergänzen einander, mal zurückhaltend leise dann wieder gewaltig ausladend.
Nach einigen Minuten übergibt das Orchester an die Band. Jon Lord steigt mit ein paar Takten auf der Hammond ein, um alsbald die Führung an Mark Zyk an der Gitarre abzugeben. Wer das Original mit Ritchie Blackmore im Ohr hat, wird dieser Stelle des Konzerts wohl gespannt entgegensehen. Keine Panik! Was Mark Zyk an der Strat zaubert ist atemberaubend. Ja, genau so muss es sich auch Ende der 60er angehört haben. Mark spielt in München einen Engl-Amp mit einer kleineren VOX-Guitarbox. Die Kombination gefällt mir persönlich extrem gut. Der Sound kommt schön zentriert und messerscharf von der Bühne. Die Hammondorgel von Jon Lord erklingt grandios voluminös im typischen Hammondsound. Der folgende altbekannte 'Kampf' zwischen Strat und Hammond lässt das Herz eines jeden langjährigen Deep Purple-Fans höherschlagen. Virtuos und extrem flink an den Tasten zieht Jon Lord alle Register seines Könnens. Mark Zyk macht vergessen, dass dort nicht das Original von damals steht. Die Blicke von Jon Lord verraten, dass er extrem zufrieden ist und sich vielleicht sogar sehr gerne an die 'good old days' erinnert fühlt. Im letzten Drittel des Movement 1 geht es noch mehrfach hin und her zwischen Band, Hammond und Orchester. Die Dynamik reicht dabei von einer Oboe in Begleitung schnippender Finger, der Strat oder Hammond alleine oder beide zusammen sowie einem Orchester von piano bis forte. Was für eine geniale Dramaturgie.
Im zweiten Movement geht es insgesamt ruhiger zu. Für die folgenden Gesangsparts betreten Kasia Laska sowie Steve Balsamo die Bühne.
Das Orchester spielt über einige Minuten getragene Themen. Zum Gesang begleitet - zunächst kaum wahrnehmbar - die Band Demon's Eye. Die Stimmen sind passend - wenn auch vom Stimmvolumen nicht ganz mein persönlicher Geschmack. Es folgen weitere Klassikpassagen des Orchesters, um in einem poppigen Blues-Arrangement mit Band und Gesang aufzugehen. Jon Lord steigt an der Hammond ebenfalls ins Thema ein. Es folgt ein Wechselspiel zwischen Orchester, Band und Jon Lord an den Keyboards. Insbesondere imponiert mir in diesem Movement der gewaltige Dynamikumfang sämtlicher Player. Auch lebt Part II von einem besonderen Kontrast der Instrumente. Das Orchester führt diesen Teil des Concertos zum Schluss mit klassischen Themen zu einem ruhigen Ende.
Movement III startet schwungvoll - so hatte es Jon Lord auch zu Beginn angekündigt. Die Streicher begleiten rhythmisch die führenden Blasinstrumente. Kräftige Pauken setzen Akzente. Andree Schneider am Schlagzeug gesellt sich hinzu. Jon Lord tritt das Pedal seiner Hammond ganz durch. Mit 'Vollgas' übernimmt er zunächst die Führung der Band. Es folgt eine leider nur kurze Passage, von der ich nicht genug bekommen kann. Mark Zyk spielt auf der Strat zurückhaltend eine Art 'Westernmelodie' - Jon Lord wiederholt diese Melodie um anschließend zu einem abwechselnden Solo-Duell sowie Zusammenspiel zwischen Gitarre, Band und Orchester überzuleiten. Er zieht dabei erneut alle Register seiner Hammond. Zyk begleitet rhythmisch, die Streicher des Orchesters übernehmen diesen Rhythmus. Es folgt ein weiteres grandioses Gitarrensolo - und dauernd habe ich dabei Meister Blackmore im Ohr - Mark Zyk an der Strat ist ganz einfach fantastisch! Weiter geht es mit Pauken und Trompeten - eine Passage, die in einem irren Drum-Solo von Andree Schneider mündet - auch hier höre ich den Sound aus alten Purple-Tagen mit Ian Paice am Drum-Set. Große Klasse! Movement III bläst nun zum großen Finale des Concertos. Gemeinsam beenden Orchester, Band und Hammond den Kampf und fordern mit einem kräftigen Schlusspunkt das Publikum zu den ersten Standing Ovations des Abends. WOW, was für ein grandioses Erlebnis!? Beim Verlassen der Bühne geht Jon Lord an seiner Hammondorgel vorbei, um zufrieden lächelnd das gute Stück liebevoll und dankbar zu berühren.
Nach der Pause folgen Solostücke aus den verschiedenen Schaffensphasen des Tasten-Meisters Jon Lord.
Ein leiser Gong zum Orchester wächst zu einem Grollen an. Die Drums von Andree Schneider geben den Takt zum Intro von "Pictures of Home" ("Machine Head", 1972) vor. Die Stimme von Steve Balsamo ist mir hier erneut etwas dünn, auch wenn er die hohen Passagen wirklich sehr gut trifft. Vielleicht sitze ich aber auch zu weit vorne. Der Gesang kommt irgendwie losgelöst von oben aus der PA über der Bühne. Das Solo von Jon Lord in dem Song - EINE WUCHT! Absolut starke Passagen haben auch Maik Keller am Bass (Solo), Mark Zyk, Andree Schneider und immer wieder Jon Lord (Solo und Begleitung).
Zum nächsten Song bittet Jon Lord erneut die Sängerin Kasia Laska auf die Bühne. Er nimmt am Steinway Platz. Es folgt "The Sun Will Shine Again", welches Jon Lord im Jahr 2005 Anni-Frid von Abba auf die Stimmbänder geschrieben hat. Das Orchester begleitet Jon Lord am Flügel. Ein wenig kommt Musical-Stimmung im "Titanic"-Stil von Celine Dion auf. Schön gesungen, Kasia!
Ohne Ankündigung folgt "Bourrée" von Jon Lords "Sarabande". Der spontane Applaus zeigt - das Publikum kennt die Nummer auch ohne Ansage. Etwas schräg orientalisch angehaucht steigert sich das Orchester in die Melodie. Jon Lord hat seinen Einsatz am Flügel, die Band gibt unverkennbar den flotten Rhythmus vor.
Kontrastreich geht es weiter mit der Ballade "Pictured Within". Jon Lord am Flügel, das Orchester mit wunderbarem Klangteppich und die hier perfekt passende Stimme von Steve Balsamo lassen Zeit zum Träumen. Wundervoll!
Jon Lord startet am Flügel ein Experiment: "The Teleman Experiment". Bläser und Streicher kommen hinzu, die Band bringt sich ein. Bei diesem Song steht eher das Zusammenspiel der Rock- und Klassik-Fraktionen im Vordergrund. Dem Applaus nach zu urteilen: Experiment gelungen!
"Wait A While" hat Jon Lord u.a. mit der englischen Sängerin und Songwriterin Sam Brown mehrfach aufgeführt. Heute Abend steht Kasia Laska am Mikrofon und macht hier einen ganz hervorragenden Job. Die sehr zurückhaltende Begleitung von Flügel und Streichern geben dem Stück eine hoch emotionale Note.
Genug geträumt. Fetzig-rockig geht es weiter mit "Gigue", Flügel, Hammond und Orchester spielen sich die Passagen zu. Jon Lord wechselt mit den Notenblättern vom Flügel zur Hammond - und agiert erneut virtuos an den Reglern und Tasten. Sein langer Solopart ist von besonderer Intensität, so als wolle er zum Finale um kurz nach 22 Uhr aber auch das allerletzte aus seiner Hammond rauskitzeln. Einfach unglaublich, dieser Mann soll schon 69 Jahre alt sein?
Zum brausenden Applaus bedankt sich Jon Lord bei den Sängern, dem Dirigenten, den Orchestermusikern sowie den Jungs von Demon's Eye.
»Zugabe, Zugabe, Zugabe... «, die Zuschauer müssen nicht lange bitten, Jon Lord kehrt zurück auf die Bühne und tritt ans Mikrofon. Er kündigt einen Song aus den Federn seiner Freunde David Coverdale und Ritchie Blackmore an: "Soldier Of Fortune". Den Titel habe ich live schon mehrfach von Rainbow und auch Blackmore's Night gehört. An diesem Abend erlebte ich eine ganz besondere Version mit leisem Orchester nebst wundervoll tragendem Hammondsound. Die Stimmen von Kasia Laska und Steve Balsamo wirken sehr stimmig bei ganz eigenem Charakter zu diesem Purple-Klassiker.
Jon Lord bedankt sich nach diesem Song abermals bei den Musikern auf der Bühne sowie beim Publikum. Er dankt für die jahrelange Treue der Fans und konstatiert offensichtlich gerührt und von Herzen kommend »It's great«. Man glaubt es ihm aufs Wort!
Schlusspunkt unter diesen grandiosen Abend setzt die Deep Purple-Hymne "Child In Time". Bei diesem Jahrtausend-Klassiker kommt jeder Akteur nochmals so richtig in Fahrt. Jon Lord an der Hammond, Balsamo und Laska an den Mikros, Mark Zyk unverwechselbar an der Fender Stratocaster im Original-Blackmore-Sound nebst Strat-Akrobatik, Maik Keller malträtiert erneut seinen Bass und Andree Schneider strapaziert mörderisch die Felle des Drum-Sets. Diesen Song mit der Klanggewalt eines Orchesters zu erleben ... mir fehlen die Worte. Das muss man ganz einfach selbst gehört haben. Finale grande!
Tosender Applaus brandet nach den letzten Tönen auf. Minutenlange Standing Ovations folgen. Dank an Jon Lord! Dank an Demon's Eye! Und danke allen anderen Musikern für diesen unvergesslichen Abend. Für mich steht schon beim Schlussapplaus fest: wir sehen uns bei nächster Gelegenheit wieder. Bis dahin lebe ich in Vorfreude auf die neue CD von Demon's Eye, die die Band zusammen mit Ex- Rainbow Doogie White im Studio eingespielt hat. Die CD wird im Frühjahr 2011 erscheinen.
Setlist:
Concerto Movement 1
Concerto Movement 2
Concerto Movement 3
Pictures Of Home
The Sun Will Shine Again
Bouree
Pictures Within
The Telemann Experiment
Wait A While
Gigue
Zugaben:
Soldier Of Fortune
Child In Time
Line-up:
Jon Lord (Hammondorgel, Klavier)
Kasia Laska (Gesang)
Steve Balsamo (Gesang )
Demon's Eye:
Mark Zyk (Gitarre)
Maik Keller (Bass)
Andree Schneider (Schlagzeug )
Deutsches Filmorchester Babelsberg:
Scott Lawton (Leitung)
Externe Links:
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