Ein Metal-Instrumentalalbum allerfeinster Sorte: Ja, ich nehme mal das Ende vorweg, denn warum so lange warten?
Und dabei habe ich wieder gedacht: Wieder keiner, den du kennst - mal sehen. Kiko Loureiro - ein Finne? Nein, ein Brasilianer, den man ganz getrost in die Gruppe der 'Flinkfinger' packen kann. In die, der gekonnten Flinkfinger. Da höre ich jeden Ton, der gespielt wird, kein Geklimper und Geplärre, um nicht spielen zu müssen, was nicht gekonnt wird.
Kiko wird daher nicht zu Unrecht »...as one of the most talented guitarplayers worldwide...« bezeichnet. Den Ruf hat er sich aufgrund seiner Fähigkeit verdient.
Zusammen mit Mike Terrana an den Stöcken hat er alle Instrumente selbst gespielt. Mike T. hat z.B. auch schon für Yngwie Malmsteen getrommelt, ebenso für Rage. Produziert hat das gute Stück Dennis Ward.
Ein Metal-Album? Nun ja, "Enferno" stimmt regelrecht darauf ein. Ein Gitarrengewitter mit Blitz und Knall. Damit nichts anbrennt, wird gezaubert, was die Saiten hergeben. Flink und fein geht's durch alle Gefilde der gepflegten Gitarrenspielkunst und der Titel findet sich mit wiederkehrendem Themenmotiv wieder.
Und so ziemlich ohne Übergang bin ich plötzlich im zweiten Titel. "Endangered Species", der nahtlos an die Kraft des ersten Titels anschließt, den ich für noch eingängiger halte und der nicht so viele experimentelle Stellen enthält. Zum Ende hin wechseln Tempo und Rhythmus, alles wird etwas langsamer, ohne an Spaß zu verlieren. Lateinamerikanische Anklänge sind unüberhörbar, auch hämmert sich das Schlagzeug gekonnt über die langsameren Passagen - eine wahre Freude.
"Escaping" treibt den Rhythmus, die Leadgitarre übernimmt mehrfach in melodiöser, doch dominanter Form. Auf einmal wird's ruhig und langsam, ein Zwischenspiel für 1,5 Minuten, besinnlich, um danach in so knackiger Form weiterzufegen bis er nach 5,5 Minuten, langsam leise werdend, ausklingt.
"No Gravity", die Ballade und dazu noch ein feines Stück, geht dann irgendwann in leichten Reggae über, hat Anklänge an südamerikanischen Sounds, kehrt zurück zum Ausspielen sämtlicher Tonleitern.
Mit der Akustikgitarre wird ein fast klassisches Thema wiedergegeben, das danach in allen Facetten elektrisch ausgewalzt, geändert, umspielt wird und sich am Ende in eine Art 'Schlacht' ausweitet, zum Choral aufgebaut, nach sieben Minuten sein gelungenes Ende findet.
Merkt euch: "Pau-De-Arara"!
So ruhig war's bisher noch nicht, die Gitarre schwelgt hinter den anderen Instrumenten vor sich hin, ganz still. Doch nun donnert es los, mit Feingefühl für's Detail, da webt er Klangteppiche zusammen, die zusammen gehören, einen an den anderen, alles passt - mit eingestrichener Gitarre endet der Titel.
Lateinamerikanische Wurzeln in Titel Sieben. Rasseln, akustische Gitarre, Bongos, rhythmisch verspielt, aber kein Grund zur Furcht, ein Zwischenspiel von zwei Minuten.
Metallisch melodiös geht es in "Moment Of Truth" weiter, eine ausufernde Gitarre, alles hört sich wie ein ewiges Gitarrensolo an, ein nicht unangenehmes Solo, gut für die Ohren, gut fürs Gemüt.
Wieder Akustik und Rasseln. Diese Wechsel sind schön, denn auch hier merke ich wieder, wie gut der Mann sein Instrument beherrscht. Diesem Rhythmus kann ich mich nur schwer entziehen.
Auch "In A Gentle Way" beginnt wieder ruhiger, um nach einer Minute loszurocken und dieses eingespielte Thema vom Anfang in der rockigen Version zu verarbeiten, in vielen Varianten, in den höchsten Tönen...
Fingerflink geht's in den elften Titel, "Dilemma". K.L. läßt es jetzt wieder donnern. Da jagen die Finger wieder über die Saiten und lassen mich an ziemlicher Perfektion teilhaben: also keineswegs ein "Dilemma".
Elektrisch, akustisch unterstützt, also das genaue Gegenteil von eben ist Titel zwölf. Kein lauter Kracher.
Track 13 schließt die CD der schnellen und gekonnten Fingerarbeit akustisch ab.
Für alle, die auf Yngwie Malmsteen, Uli John Roth, Victor Smolski, den mittleren Gary Moore oder auch Carlos Santana stehen, ist diese CD eine würdige Vervollständigung ihrer Sammlung.
Spielzeit: 54:01., Medium: CD, Locomotive Records, 2006, Gitarrenzauber
1:Enfermo 2:Endangered Species 3:Escaping 4:No Gravity 5:Pau-De-Arara 6:La Force De L'ame 7:Tapping Into My Dark Tranquility 8:Moment Of Truth 9:Beautiful Language 10:In A Gentle Way 11:Dilemma 12:Feliz Desilusao 13:Choro De Crianca
Tom Machoy, 08.08.2006
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