Lambert / Drachenreise
Drachenreise Spielzeit: 64:20
Medium: CD
Label: Spheric Music, 2014
Stil: Elektronikmusik

Review vom 13.02.2015


Steve Braun
Erst vor wenigen Wochen wurde der Tod Edgar Froeses bekannt und dem Musikfreund schlagartig bewusst, welche tiefe Spurrillen die 'Berliner Schule' in der aktuellen Szene der Elektronischen Musik hinterlassen hat.
Der Essener Synthesizer-Spezialist Lambert, bürgerlich: Lambert Ringlage, legt mit "Drachenreise" ein neues Album vor, das wie eine Hommage an diesen großartigen Pionier dieser Stilrichtung klingt, dessen Lebenswerk vielleicht im Ausland höher eingeschätzt wird als im eigenen Heimatland...
Das Schöne an der Elektronischen Musik ist bekanntlich, dass sie sich aus sämtlichen stilistischen Schubladen ausklinkt und somit zeitlos wird. Einengende Grenzen werden erst aufgebrochen, dann niedergerissen und somit können diese sphärischen Klänge überaus befreiend für Musiker und Hörer gleichermaßen wirken. Bei letzterem existiert dann eigentlich nur noch eine einzige Schranke: Mag ich Elektronische Musik oder eben nicht?
Seit 1982 hat sich Lambert den Synthesizern und Sequenzern verschrieben, zu einer Zeit also, als das kongeniale Gespann Edgar Froese/Johannes Schmoelling mit Tangerine Dream Meilensteine wie "Tangram" verewigten. Sein erstes von drei Soloalben, "Inside Out", erschien 1991, bevor dann die Zusammenarbeit mit anderen Musikern im Vordergrund stand. Genau zwanzig Jahre nach seinem letzten Solowerk, "Dimension Of Dreams", kehrt Lambert nun zu seinen 'Wurzeln', seinen 'Alleingängen' zurück.
"Drachenreise" stellt einen abenteuerlichen Trip in gleichermaßen wohlvertraute wie neue Klangwelten dar. Eingängige Melodiefolgen über komplexen Sequenzermustern, gepaart mit einem hohen Maß an experimenteller Spielfreude schaffen einen atmosphärisch dichten Sound, der weder herkömmliche Song- noch Bandstrukturen vermissen lässt. Wer sich darauf einlässt, kann Lamberts Einladung annehmen und - weit über eine Stunde lang - den Soundtrack zu einem individuellen 'Kinofilm' in seinem Kopf abspulen lassen, der fliegende Drachen von ihren fantastischen Reisen berichten lässt.
Welten voller Schönheit und Harmonie entfalten sich dabei vor dem geistigen Auge. Lambert schichtet die Synthesizersounds zu nur scheinbar mächtigen Wänden, die sich sehr häufig als filigran und fragil erweisen. Bei allen sphärisch weiten Exkursionen steht dennoch stets die Melodie eindeutig im Vordergrund. Die Sequenzen und das Drumming sind - genretypisch - betont roboterhaft-synthetisch und doch vermeint man hier gelegentlich analoge Rhythmisierungen, in Form von Bongos oder Tablas, zu vernehmen. Sollten diese Passagen tatsächlich digitalen Ursprungs sein, stellen sie eine perfekte, fatamorganenhafte Sinnestäuschung dar.
Anspieltipps verbieten sich bei Elektronischer Musik eigentlich, denn die üblichen Songstrukturen sind auch bei "Drachenreise" weitgehend ausgeblendet. Allerdings muss Lamberts überaus fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Wiener New Age-Komponisten Gandalf in "Corona" gesondert hervorgehoben werden. Dessen Gitarrenparts bilden den perfekten 'Strahlenkranz' zu den atmosphärisch-sonnigen Synthesizerpassagen dieses Stückes.
"Drachenreise" ist in der Tat eines der schönsten Instrumentalalben, das ich in den letzten Jahren gehört habe. Graziler, formvollendeter Wohlklang in epischer Breite, ein Schlüssel für die eigenen inneren Welten...
Zur Verbreitung dieser 'guten Nachrichten' wäre es allerdings sinnvoll, wenn Lambert ein wenig mehr Präsenz in den Neuen Medien zeigen würde. Er hätte gesteigerte Aufmerksamkeit verdient.
Line-up:
Lambert Ringlage (keyboards, sequenzer, sampling, programming)
Gandalf (guitar - #1)
Tracklist
01:Corona [featuring Gandalf] (7:35)
02:Stairs (5:58)
03:Estranho (4:44)
04:Hill (7:34)
05:Call (4:48)
06:Past (4:56)
07:Motion (4:44)
08:Sunrise (4:55)
09:Lonely (3:04)
10:Source (3:17)
11:Doucement (5:05)
12:Drachenreise (7:30)
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