Innerhalb gewinnversklavter Musikstrategen wohl kaum als selbstverständlich dürfte man das arglose Wagnis betrachten, eine für ihre frottiert-femininen Wohlklänge und wagnerianischen Altersmelodien geadelte Marke - obendrein eines längst als abgegolten und minder vermarktbaren Untergenres - brachial zu reanimieren.
Vielleicht gelüstete es den Anfang der Neunziger wie Phoenix aus der verglommenen Glut verkannter und dem britischen Neo Prog-Revival entborenen Protagonisten einfach nur, ihren künstlerischen Nachlass dem Jenseits doktoranter Rock-Areale zu entreißen oder in Reife dessen Marktwert zu testen.
Wahrlich, verbrachten die vom Achtzigerjahre-Protz angestachelten Prog-Hobbytheker Landmarq die letzten 13 Studio-abstinenten Lenze nicht in einer jener schockgefrostesten Kältekammern britischer Überlebenslabore, sondern überwanden einige zutiefst menschliche Talsohlen wie familiäre Zerreißproben und nicht zuletzt den kräftverschlingenden, aber dennoch siegreichen Kampf ihrer Prägenden Sanges-Diva gegen eine fürchterliche Geisel gesunden Lebens.
Mit Sicherheit bot Tracy Hitchings langwierige Genesung auch den nötigen Anschub und die Chance, ihr leidvoll erworbenes Füllbecken spiritueller Weisheiten als geballte Musikdramen festzuhalten und in kraftstrotzenden Pathos-Rock zu gießen.
Die einstige Quasar-Sirene vermochte erstaunlicherweise ihre viktorianisch verklärte Rockröhre mit dem Hang zum herben, jedoch geschmeidig-kandierten und einem edelgereiften Destillat gleichsamen Oktaven-Belag, zu bewahren.
Für mich bestätigt sich spätestens hierbei ein Zugewinn, nach der mittlerweile verblichenen Trennung vom Ur-Vokalisten und rüpeligen Rock-Tristan Damian Wilson, sowie der Hinwendung zu massenkompatibleren und symphonisch gefälligeren Arrangements.
Nostalgisch verklärte Tasten-Webteppiche und Floydschen Blaupausen entlehnte Fender-Läufe bewegten seit den seligen Anfangstagen jener melodiebeflügelten Adepten eine fundamentale Musikanten-Entourage, welche das vorgebackene Siebziger-Naschwerk mit vermeintlich eigenem schaumigen Zierrat verkleisterten und bestenfalls konservierten.
Obgleich sich die Truppe um Produzent und ex- Shadowland-Tastenbeherrscher Mike Varty diesen musikalischen Tugenden mit Fleisch und Blut verschrieben haben, zeigen selbige sich neuerdings geneigt, auf "Entertaining Angels" jazzigen und bluesbetupften Geflogenheiten kompositorisch bescheidene Referenz zu erweisen. So wurden die, zum Grossteil epischen und reich nuancierten Songs und erkennbaren Fährten musikalisch vorgetrampelter Pfade nicht gänzlich verwischt, dagegen lediglich mit einem deutlich kraftvolleren und im Honigtopf gewälztem, jedoch geschmackvollen Klangbild, aufgewertet.
Die Arrangements erbrechen genüsslich das Siegel lethargischer Strophe-Refrain-Muster und bedienen, mit auf Breitwandformat gestimmten und elegisch frisierten Gitarren-Glissandi, dazu sich in schwülstige Höhen windende Tastenkaskaden, alle Füllsel theatralischer Wohlklänge.
Wenn auch nach wie vor angereichert mit dem einen oder anderen Haken, so regieren diesmal ein Überhang an glatt polierten, zuweilen mit Überdosen Pathos und etwas dick aufgetragenen Hardrock-Manierismen belegte Retro-Rezepturen.
Auch wenn an einigen Stellen der musikalische Ergeiz überdimensioniert wirkt, so bekommen die hartglotzigen Frische-Zutaten den breit angelegten und vom bräsigen, als gleich vom Senioren-Pomp kunstverliebter Archetypen besessenen Studiogeburten, sündhaft gut.
Über alle energiegebündelten und genialisch ambitionierten Rock-Arien schmettern Tracys prophetische Phrasierungen bisweilen Monumentales, bleiben dabei dennoch stets in Souveränität und graziler Weiblichkeit gebettet.
Die Briten generieren im Genreverdächtigen Finale sodann sämtliche Tugenden hochstilisierter und von instrumentaler Selbstinszenierung erstarrter Bombast-Rock-Mätzchen und suhlen sich mit "Calm Before The Storm", eine Viertelstunde mit geradezu neurotischer Insistenz im glibberigen Urschleim progressiver Wechselbälger und dramaturgischer Zeremonienmeister.
Bei allem Virtuosentum sind sich die Akteure teils nicht zu schade, ihren weichen Kern zugunsten Faustkeil zückender Aggressionen und elementarer Härtegrade aufzubrechen. So ist kaum erstaunlich, wie mühelos selbstsicher die Instrumentalisten von Anfang an den atemberaubenden Parcours aus Gilmour-recycelten Stromgitarren, komplex aufgeschichteten Tastenmotiven und wuchtigen Rhythmuskombinationen bestreiten, rekapitulieren diese damit lediglich ungeniert ihre fruchtbaren Gesellenjahre bei substantiell auf Pathetik und gebildeter Rockkulturen ausgerichteter Sittenwächter.
Auf die Gefahr hin, dass einigen Stadion-tauglichen Hard Rock-Liebhabern zuviel schaumiggeschlagener Schmelz und den konservativ gefesselten Kunstrock-Schutzpatronen ein Übermaß an satten Bombast-Rock-Attitüden den Konsum versäuern, meistert das voluminös abgemischte Opus-Magnum dennoch mehrheitlich den Spagat, zwei musikalische Paralelluniversen aus emotionalen Anspruch und niveauvoller Härte in Einklang zu bringen. Schließlich gingen unsere Helden auf Nummer sicher und testeten einige der neu veredelten Prog-Walküren schon 2005 vor den La-Ola-Willigen und gegenüber westlichen Musikgütern aufgeschlossenen Polen und veröffentlichten die konzertante Feuertaufe posthum sowohl auf Video als auch auf Tonträger.
Befürchtungen, deren einst vom antiquierten Achtzigerjahre-Pomp gezeichnete Sound und sein bis dato absehbar prophezeites Haltbarkeitsdatum würden dem unbarmherzigen Siechtum der Geschichte geopfert, blieben Dank des längeren Atems sowie der überzeugenden Relevanz ihres musikalischen Schaffens unbegründet. Unsere Helden aus der Themsemetropole empfanden die Produktion der langerwartenden und fünften Studio-Odyssee vermutlich wohl weniger als faustschen Pakt um Schaffenswerk und Seele, wenngleich doch mehr als eine Berufung und Dringlichkeit, ihre an kompositorischen Pfunden zugewonnene Note mit erneutem Nachdruck und einer nahezu nach Bühnenrampen-schreiender Fulminanz, zu behaupten.
Mit Glanz und Gloria postieren sich jetzt die, von klanglicher Schärfe und Tracys dramatisierenden Flehen durchzogenen Neuarrangements, zum monströsem und mit Sicherheit siegreichen Marsch.
Genre-Nerds allerdings sollten schnell zugreifen, die bei Just For Kicks erhältliche Sonder-Edition des randvollen Machwerkes wartet, neben der edlen Verpackung, mit einem fast halbstündigen Bonus-Silberling inklusive dem auf Jazzgeflechten errichteten "Thunderstruck" auf.
Für Spezies der Gattung Neo-Progger gilt doch festzuhalten: Das nicht mehr ganz taufrische Landmarq-Comeback ist allemal eine unumwundene Empfehlung wert.
Line-up:
Tracy Hitchings (lead and backing vocals)
Uwe D'rose (electric and acoustic guitars)
Steve Gee (4/5/6 string- and fretless basses, backing vocals)
Mike Varty (piano, keys, violin, viola, backing vocals)
Dave Wagstaffe (drums, percussion, backing vocals)
Guests:
Hugh McDowell (cello - #7)
Laurent Hunziker (saxophone - #1-4,6)
Suzanne Parry (backing vocals - #1,8)
Sam Collins (backing vocals - #4)
Tracklist |
CD 1:
01:Entertaining Angels
02:Glowing - i.Friends
03:Glowing - ii.Lovers
04:Mountains Of Anglia
05:Personal Universe
06:Prayer (Coming Home)
07:Turbulence (Paradigm Shift)
08:Calm Befor The Storm
I.Strange But Beautiful
II.Spiderman
III.From The Abyss |
Bonus-CD:
01:Walking On Eggshells CD 2
02:Timeline CD 2
03:Stormbrewing CD 2
04:Thunderstruck CD 2
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Externe Links:
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