Mit den sogenannten Compilations, wohl oftmals als Zusammenstellung einst verkaufsträchtiger Songideen
verstanden, ist das so eine zwiespältige Sache. Die Einen verstehen es als bequeme sowie Hit-Endlösung versprechende Musikbefriedigung, andere dagegen als meist lieblose Wiederverwurstung überkreativer Künstlerphasen oder jüngstes Zeugnis deren wachsender Löchrigkeit.
Dementsprechend müssen sich mittlerweile auch einst Vermarktungs-Distanzierte und mit Doktoranden-Wohlklängen vertraute Rock-Veteranen den verkaufsstrategischen Gesetzmäßigkeiten wohl oder übel unterordnen. Dem Konsumenten ein Fest, wenn eine aus zweieinhalb Dekaden schöpfende Bandhistorie und Material-pralle Werkschau, wie beim vorliegenden Doppeldecker der Briten
Landmarq, zu reichlich Prog-Wiederentdeckungen alsgleich musikalischen Sentimentalitäten verführt.
Nicht immer zeugte deren Tasten-verschwurbelter und selbstgefälliger Rockbombast von weitreichender Durchsetzungskraft, was sowohl aus heutigem Blickwinkel als auch angesichts magerer Selbstfindungszeiten niemanden verwundert.
Schließlich hatten es die Londoner Anfang der Neunziger im musikalischen Fahrwasser Synthie-befeuerter Proghelden wie
Marillion oder
Pendragon durchaus nicht leicht, ihre soundästhetischen Eigenentwürfe durchzusetzen.
Clive Nolans beharrliche Studio-Akribie jedoch, und nicht zuletzt die versteiften Oktaven-Turnübungen eines introvertierten
Damian Wilson erregten während der zwei Langrillen via SI Music andauernden Phase zahlreiche Fan-Gemüter - selbst wenn einige ihrer teils mit Klassik-Folkelementen, mal mit schwerelosem Gitarren-Sing-Sang aufgeplusterten Prog-Arrangements, nebst einer thematisch nicht zu verleugnenden Besessenheit vom Reich der Mitte beim ausufernden "Ta Jiang" oder "After I Died Somewhere"'s Balladenschwulst über menschgemachte Welt-Traumata noch etwas ungelenk und gekünstelt wirkten. Wenn auch produktionstechnisch wesentlich gefestigter, so lastete auf
Landmarqs Fortbestand samt kreativer Fehlentwürfe ihres Drittwerkes "The Vision Pit" einerseits die Bürde der unerfüllten Erwartungen, andererseits sich gleichsam treu zu bleiben.
Ihr nochmals drei Jahre gereifter und 'very british' selbstreferentieller Reißbrett-Prog sowie der glückliche Umstand, mit
Tracy Hitchings sopran-beschenkter Stimmband-Akrobatik plus ihrer in Weltschmerz verpackten Theatralik förderlichen Zuwachs bekommen zu haben, bescherte eine erste wirkliche Massenresonanz. Eine auf die hoffnungsfrohe Hörerschaft losgelassene Eigenproduktion voll
Floyd-gemahnter und symphonisch dichter Ergüsse als musikalisches Äquivalent zu ausgeschmückter Kitsch-Lyrik offenbarte das bisher ausgebremste Potential.
Für einige Kritiker markierten die in ewig gestrigem Klangpomp manifestierten Tasten und Saiten-konsistenten Virtuositäten dieses unterschätzten Meilensteines, hier ausgiebig repräsentiert durch die sinnsuchende Lebensparabel "Lighthouse", den Beginn musikalisch mengentauglicher sowie unter Progrock-subsumierter Obhut vollführter Ausflüge.
Trotz solide ausgelotetem Fahrwasser verlor das britische Neo-Prog-Flaggschiff allmählich an Geschwindigkeit, geriet nach einigen Live-Überbrückungen, Besetzungs-Wirrungen und
Tracys gesundheitlichen Einschnitten sogar ins Stocken.
Wie ein neuer Quell aus abgestandenen Tümpeln ergossen sich dennoch überraschend, nahezu dreizehn Jahre später hörenswerte Geistesblitze aus Bandaorta
Mike Vartys von Siebziger-Schwurbel-Pomp sowie gefälligem Rock-Zinnober benetzten Arrangier-Griffeln.
Hierbei waren
Hitchings melodramatische und vom Sanges-Pastiche einstiger Pop-Diven bestärkte Schwermuts-Kathedralen der unentbehrliche Satz Aspirin für
Entertaining Angels akustisch sowie Jazz-verkleidete Prog-Symphonien. Notorische Miesmacher diagnostizieren derart verstaubt anmutende kompositorische Tugenden autistischer Tastenstrecken nebst hingebungsvoller Gitarren-Masturbationen gern als symptomatisch anachronistisch, Kenner After Eight-verfeinerter Prog-Mehlspeisen hingegen als I-Tüpfelchen auf reich gedeckter Genre-Tafel.