Tycho Brahe (14.12.1546 bis 24.10.1601) war ein bedeutender dänischer Astronom. Weil er 1572 eine Supernova entdeckte und nicht mit dem damaligen Wissen über Fixsterne und Planeten vereinbaren konnte, hielt er Beobachtung, Messung und Hinterfragung der bisherigen Weltbilder für wichtig. Zu diesem Zweck ließ er das Observatorium Uraniborg auf der Insel Ven bauen, das später durch Stjerneborg, das größtenteils unterirdisch war, ergänzt wurde.
Doch was hat diese stark verkürzte Biografie mit dem neuen Album von Late Night Venture zu tun? Nun, es wurde von ihm inspiriert und heißt "Tychonians", was für die Begegnung des Menschen mit dem Kosmos steht und an die Schönheit des Weltalls erinnern soll. Auch in der hell erleuchteten Welt der Gegenwart, die oft die Schwärze des Nachthimmels überdeckt, ist die unendliche Weite noch vorhanden.
Jahrhunderte nachdem das geozentrische Weltbild in Frage gestellt wurde - zur Lebenszeit von Tycho Brahe konnte dies noch zu einer Anklage wegen Ketzerei führen, er selbst setzte Erde und Sonne in die Mitte - sehen sich die Menschen immer noch als Zentrum des Seins, sind daher 'Tychonian' - so die Botschaft.
Nächste Frage: Wer ist Late Night Venture? Eine Band aus Kopenhagen (ja, genau, Dänen… damit mindestens im Geiste Nachfahren des oben genannten Mannes), deren Musik sich mit den Jahren von eher Stoner-/Space Rock und Neo-Psychedelia mehr Richtung Post Metal mit einer Dosis Doom Metal bewegt hat.
2006 erschien das Debüt "Late Night Venture", gefolgt von der EP "Illuminations" (2010), der Single "Birmingham" (2011), "Pioneers Of Spaceflight" (2012) und 2015 "Tychonians".
Die aktuelle Scheibe beginnt mit/in "Stjerneborg" (das übrigens auch auf dem Cover dargestellt ist). Also stellen wir uns nun vor, es ist eine klare Nacht auf der Insel Ven und wir wenden den Blick gen Himmel und lassen uns von der Musik forttragen…
Recht ruhige, sphärische Töne erklingen, dann setzen die Gitarren ein und es wird eher heavy. Das Grundthema bleibt, wird lediglich ergänzt - als ob sich der Blick langsam einem beeindruckenden kosmischen Körper nähern würde, der immer mehr das Sichtfeld ausfüllt. Ein schöner, stimmungsvoller Auftakt.
"Nebula" hingegen beginnt mit kantigen, metallischen Riffs, bevor es wieder atmosphärischer wird, lebt von einem Wechselspiel zwischen beiden Elementen. Bei "Moon Shone On White Rock" gibt es erstmals Gesang, die instrumentale Seite tritt daher etwas in den Hintergrund, dennoch sind auch hier die leichten, kosmischen Klänge und die schweren Stellen vorhanden. Dazwischen gibt es dezent psychedelisch angehauchte Harmonien.
Die nächsten Songs eröffnen keine neuen Horizonte, sondern führen die begonnene, in Töne umgesetzte, imaginäre Reise durch die Galaxis fort. Meistens instrumental, beispielsweise bei "Halo Orbit" setzt die Stimme erst ganz zum Schluss mal kurz ein.
"Tychonians" ist geeignet, einzutauchen in die Anmut des Weltraums, eins zu werden mit dem Universum und allem Sein. Musik ist hier das Mittel, ein wenig wie Tycho zu werden, die Begeisterung und das Staunen zu fühlen, die vermutlich sein Leben geprägt haben - auch in unseren modernen Zeiten sollten wir diese Ehrfurcht und das natürliche Empfinden für Schönheit nie ganz vergessen.
Es wäre bestimmt eine großartige Idee, die CD als Hintergrundbegleitung zur Sternenbeobachtung in einem Observatorium laufen zu lassen, ohne Erklärungen, einfach nur, um die Wirkung des Gesehenen zu verstärken. Alternativ könnte ich sie mir in einem IMAX 3D-Kino als Untermalung für Weltraumaufnahmen vorstellen.
So lange es beides nicht gibt, bleibt das Kopfkino auf der heimischen Couch, was durchaus auch seinen Reiz hat.
Line-up:
Jens Back (bass guitar)
Michael Falk Schilling (guitar, vocals)
Peter Falk (drums)
Søren Hartvig (guitar, vocals)
Jonas Qvesel (synths)
Tracklist |
01:Stjerneborg (4:43)
02:Nebula (5:31)
03:Moon Shone On White Rock (9:51)
04:Halo Orbit (8:07)
05:Revenge Motif (5:42)
06:Praha (7:16) |
|
Externe Links:
|