Zwei Kultbands haben in diesem Jahr ihre "neuesten Ergüsse" auf den Markt geworfen: neben The Who mit der Dreierpack-Live-Scheibe "Live At The Royal Albert Hall", um die ja mächtig Wirbel gemacht wurde, nun auch Led Zeppelin mit ihrem Silbertörtchen "How The West Was Won", ebenfalls ein Dreierpack.
Nun, wer wohl die beste Rockband aller Zeiten ist, darüber lässt sich immer streiten, zumal Musik reine Geschmacksache ist. Aber wer die eine Band mag, wird die andere sicher auch mögen, denn Kultstatus haben beide und auch in etwa den gleichen historischen Background: Dinosaurier eben.
Eines ist jedoch sicher: an Daltrey's und Plant's Aussehen und Stimme hat der Zahn der Zeit mit gleicher Intensität genagt. Nur gibt es im Falle beider genannten Alben einen ganz gravierenden Unterschied: beim neuen Who-Album hört man, dass des Sängers Stimme mit Woodstock nicht mehr so viel zu tun hat (was ihm im Übrigen auch niemand übel nimmt), denn die Aufnahme ist aus dem Jahre 2000.
Das Led Zeppelin-Album bietet Livemitschnitte aus dem Jahre 1972 (LA Forum und Long Beach Arena ) und yeah, da nagte der Zahn der Zeit noch nicht.
Es sind insgesamt 18 Songs, teilweise detailgetreue Wiedergaben der Studiotracks, gewürzt mit der unnachahmlichen Energie eines der besten Drummer der Welt: John Bonham, der einen hammermäßigen Drumsound abliefert und dessen damalige Schießbudenqualität wohl niemand bezweifeln wird. Seine Hiebe sind auf "How The West Was Won" einfach allgegenwärtig.
Nicht zu vergessen John Paul Jones, der maßgeblich zum soliden Fundament der Rhythmusfraktion beiträgt und dessen unaufdringliche Bassläufe das ganze Gefüge filigran zusammen halten; aber nicht nur das: keiner versteht es so wie er, die Songs mit ausgefeilten Keyboardsounds auszuschmücken.
Dazu das Wahnsinnsduo Page/Plant: Jimmy Page zählt natürlich ebenfalls zu den Besten der Besten an der Gitarre. Er, der die Saiten anreißt, zupft und mit einem Geigenbogen streicht, als sei die Gitarre Teil seiner Psyche.
Und zu guter Letzt natürlich Frontman und Aushängeschild Robert Plant, dessen Sangesqualität gerade bei diesen Aufnahmen wieder einmal mehrfach unterstrichen werden muss. Mal flehend, mal kreischend, jammernd, ekstatisch. Wie auch immer er seine Stimme einsetzt: man hört und nimmt ihm ab, dass er sein Herzblut und seine Seele dem Rhythm & Blues verschrieben hat, denn er singt die Songs nicht, er lebt sie. Seine Stimme ist sein Instrument.
Schon zu Lebzeiten Legende, waren Led Zeppelin immer eine Einheit, ein Ganzes. Keiner der Akteure kann besonders hervorgehoben werden.
Die Frage, was wohl aus dieser Band geworden wäre, wenn John Bonham am 27. September 1980 nach einer durchzechten Nacht nicht den Tod gefunden und sich die Band richtigerweise aufgelöst hätte, bleibt wohl für immer unbeantwortet. Offen gesagt, wenn auch wehmütig, rechne ich ihnen diese Entscheidung nach wie vor hoch an.
Led Zeppelin, das waren Page/Plant/Bonham und Jones.
Anfang der Siebziger war die Band auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, ich denke dabei an das gnadenlos gute Album "Four Symbols", von vielen auch "No Name" oder "IV" genannt, mit der ewigen Hymne "Stairway To Heaven".
Kein Radiosender inkl. der sog. Hausfrauensender kann es sich leisten, diesen Song auf Dauer zu ignorieren. Der Zeitpunkt für diese Live-Mitschnitte konnte somit natürlich nicht besser gewählt sein: Vier Musiker präsentieren sich in Höchstform. Von wegen "Bleierner Zeppelin" - die Band hob damals ab wie ein Düsenjet und genau das wurde jetzt auf "How The West Was Won" hervorragend festgehalten und dokumentiert.
Was soll man zu dem Album sagen? Die darauf enthaltenen Songs kennen nicht nur Zep-Fans. Es ist eine zweieinhalbstündige Zeitreise zurück in die frühen Siebziger, als die Zeps auf der Bühne allen anderen Bands haushoch überlegen waren.
150 Minuten lang zelebrieren die vier Engländer ein furioses, kraftvolles und teils filigranes Rock-Feuerwerk. Neben Standards wie "Stairway To Heaven", "Immigrant Song", "Rock And Roll" u.a. gibt es aber auch Goodies wie das 19-minütige Drumsolo "Moby Dick" von Bonzo Bonham, welches alle Facetten seiner Drum-Virtuosität zeigt.
Außerdem präsentiert man uns eine 25-minütige Fassung von "Dazed And Confused" (durchsetzt mit "Walter's Walk" und "The Crunge") bei welcher die Gitarre mit dem unvermeidlichen Geigenbogen bearbeitet wird.
23 Minuten "Whole Lotta Love": Was für eine Version! Da gibt es kuschelige Akustiktracks ("Going To California", "That's The Way", "Bron-Yr-Aur-Stomp") neben Härterem ("Boogie Chillen", "Goin Down Slow") und mit "Lets Have A Party" und "Hello Marylou" ist sogar popiges zu hören.
Als krönenden Abschluss serviert man "Bring It On Home".
Ein tolles Paket, welches einfach in jede anständige Led Zeppelin Sammlung gehört.
Sound und Produktion (produziert von Jimmy Page himself) sind vom Feinsten. Lediglich eines gibt es zu bemängeln: solch einer feinen Box hätte ein umfangreiches, informatives Booklet mit Live-Fotos versehen, sehr gut zu Gesicht gestanden.
Aber trotzdem kann ich nur eines empfehlen: Kaufen, kaufen, kaufen und dann natürlich hören und genießen.
Spielzeit: 150:11, Medium: CD, Atlantic Records, 2003
CD 1: 1:La Drone (0:14) 2:Immigrant Song (3:42) 3:Heartbreaker (7:25) ) 4: Black Dog (5:41) 5:Over The Hill And Far Away (5:08) 6:Since I've Been Loving You (8:02) 7:Stairway To Heaven (9:38) 8:Going To California (5:37) 9:That's The Way (5:54) 10:Bron-Yr-Aur Stomp (4:55)
CD 2: 1:Dazed And Confused (25:25) 2:What Is And What Should Never Be (4: 41) 3:Dancing Days (3:42) 4:Moby Dick (19:20)
CD 3: 1:Whole Lotta Love (23:08) 2:Rock And Roll (3:56) 3:The Ocean (4:21) 4:Bring It On Home (9:30)
Ilka Czernohorsky, 21.07.2003
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