Benjamin Leuschner & Mathias Goebel / Two/One
Two/One Spielzeit: 75:55
Medium: CD
Label: JazzSick Records, 2011
Stil: Jazz, Percussion

Review vom 04.11.2011


Wolfgang Giese
Als ausgesprochener Freund rhythmischer Musik - denn Rhythmus ist für mich sehr wichtig - und als ständig nach neuen Ausdrucksformen in der Musik Suchender erscheint mir diese Konstellation der beiden Musiker sehr interessant und erforschenswert. Um dies kurz aufzugreifen: Rhythmus, meine ich dergestalt, dass nicht das plumpe Taktgeben, das steif und starr einen Song lediglich unterstützt, sondern Musiker, die in der Lage sind, Songs voranzutreiben und mit möglichst viel Elastizität auszukleiden. Swingen muss es, ein Element, dass es schließlich nicht nur im Jazz gibt...
Insofern erscheint die Intention der Perkussionisten Benjamin Leuschner und Mathias Goebel auf "Two/One" als gewagtes Experiment, da sie auf sich allein gestellt sind und sowohl Stütz- als auch Gestaltungsfunktion erfüllen müssen. Lediglich auf zwei Titeln gibt es Unterstützung, einmal durch 'Live-Electronics' und im anderen durch Gongs und Tam Tams. »Eine Crossover-Mischung aus klassischer Schlagwerkmusik und Jazz-Elementen«, so steht's im Presseinfo.
Drei Live-Titel werden auf dieser Platte geboten. Gleich der erste vermittelt mit dem Einsatz der Elektronik eine ganz besondere Atmosphäre, die durch die Konstellation der Musiker einen gewissen Reiz ausübt, derart, dass das Hauptaugenmerk nicht allein auf die beiden Perkussionisten gerichtet ist und sie etwas im Hintergrund agieren lässt. Die dabei entstandene Atmosphäre hat schon etwas leicht Unheimliches. Fröhlicher und lockerer agieren sie dagegen im Klassiker "Mediterrean Sundance", der Freunden des Jazz-Rocks gut geläufig sein sollte, haben ihn doch die drei Gitarristen Al DiMeola, John McLaughlin und Paco de Lucia live gespielt und somit dürfte sich dieser Titel in die Hirne vieler Musikfreunde eingebrannt haben. Auch hier gewinnt er durch die Perkussion an dem Feuer, das seinerzeit besonders durch de Lucia eingebracht wurde. Sehr exotisch wird es, wenn die beiden 1978 geborenen Musiker auf Marimba und Vibrafon eine einzigartige Atmosphäre entfachen. Gerade der Einsatz dieser beiden Instrumente bringt natürliche Auflockerung in eine ansonsten reine Welt von Schlagzeug und Perkussion. So entstehen Melodie und Rhythmus gleichermaßen nebenher. Auf "Feed Your Hands" wird hingegen mehr getrommelt und die Schlagwerker zeigen ihr Können und ihre Virtuosität.
Um für Abwechslung zu sorgen, sind die verschiedenen Fremdkompositionen sicher dienlich. So erhält der Klassiker von Astor Piazzolla, dem Akkordeonvirtuosen, und der Titel vom Jazzer
Chick Corea auf "Two/One" ein völlig anderes Gesicht.
Der längste Titel, ebenfalls nur aufs Schlagzeug reduziert, wirkt mit fast vierzehn Minuten allerdings ein wenig langatmig. Hier wäre das visuelle Erlebnis eines Liveauftritts vielleicht recht hilfreich. Daher ist es schön, dass zumindest drei Live-Titel vorgestellt werden, die klarer darstellen, was man von den beiden Musikern live erwarten könnte.
"Stratford Road" erinnert mitunter an Gamelan-Klänge aus Bali. Was ich mir wünschen würde, wäre insgesamt etwas kraftvolleres Zupacken, so wie ich es von einer einzigen Person, nämlich der großartigen Perkussionistin Marylin Mazur, schon einige Male live erleben konnte. Das soll jedoch den Stellenwert dieser Platte nicht schmälern, sondern lediglich als Zusatzoption verstanden werden.
Insgesamt betrachtet ist dieses Abenteuer ein interessantes Klangerlebnis, doch kann das angesichts der Limitierung der Instrumente für einige zu anstrengend sein, weil man doch 'dabei bleiben' sollte, um wirklich die Feinheiten zu genießen. Eben jene Feinheiten, die sich erst beim intensiven Zuhören auftun...
Line-up:
Benjamin Leuschner (marimba, percussion)
Mathias Goebel (vibes, percussion)
Kai Angermann (live-electronic - #1)
Uwe Fischer-Rosier (gongs, tam tams - #8)
Tracklist
01:Winter's Embrace( live) [Goebel] (8:41)
02:Mediterranean Sundance [DiMeola/de Lucia] (8:08)
03:Feed Your Hands [Creemers] (8:03)
04:Nagoya Marimbas [Reich] (5:31)
05:Libertango [Piazzolla] (7:00)
06:Radance [Pape] (13:41)
07:Armando's Rumba [Corea] (6:00)
08:Stratford Road (live) [Goebel] (12:04)
09:Expecting Whales (live) [Goebel] (6:39)
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