Lisa Lestander / Sånger Från Norr
Sånger Från Norr Spielzeit: 48:11
Medium: CD
Label: Playing With Music (Westpark), 2014
Stil: Folk, Fusion

Review vom 30.04.2014


Wolfgang Giese
»Folkmusik från Västerbotten, Norrbotten & Lappland«, so wird im Booklet ausgeführt. Nun wissen wir Schwedenkundige alle, woher die Musik dieser Platte stammt. Der CD-Titel "Sånger Från Norr" gibt - übersetzt - einen weiteren Hinweis, heißt das doch dann 'Lieder aus dem Norden'. Folglich können wir uns auf Musik aus dem Norden Schwedens einstellen. Aber nicht nur reiner Folk ist es, was wir erwarten dürfen, denn allein die ungewöhnliche Besetzung - unter anderem mit Flügelhorn und Saxofon - lässt darauf schließen, dass hier etwas ganz anderes geschehen wird.
Lisa Lestander ist in Schweden auch als Sängerin der Band Kraja bekannt. Sie recherchierte fleißig in Archiven und förderte unter anderem die hier vorgestellten Songs zu Tage. Ihre Begleiter sind musikalisch in Folk und Jazz zuhause, sodass man mit einer Art Fusion rechnen muss. Und so beginnt der erste Song sogleich mit dem Einsatz eines Saxofons, unterlegt mit Pianoklängen. Darüber erhebt sich mit klarer und ein- und ausdrucksvoller Stimme jene von Lisa Lestander. Das ist ein sehr angenehmer, ruhiger und beruhigender Start mit Musik, deren Einordnung in eine bestimmte Schublade wirklich nicht einfach ist. 'Folkig' ist der Charakter ebenso wie leicht jazzig, aber auch das Genre Singer/Songwriter kann man heranziehen. Dabei sind es alte und traditionell überlieferte Lieder, die insofern von Komponisten stammen mögen, die man vielleicht noch als Barden bezeichnet haben mag.
Auf diese Weise ist ein sehr gelungener Brückenschlag vollzogen worden, alten Weisen aus dem Norden Schwedens nun ein frisches und aktuell klingendes Gewand zu verpassen. Die vielleicht etwas leise klingende Stimme der Sängerin sollte man nicht oberflächlich betrachten, denn in ihren fragilen Vorträgen steckt dennoch Kraft, gerade durch den besonderen warmen Ausdruck, den sie in die Interpretation legt. Gesang und Instrumente wirken mitunter wie miteinander verflochten - das für den Jazz so typische Element der Improvisation bleibt somit weitestgehend außen vor. Auffällig ist, dass durch den relativ umfassenden Einsatz des Saxofons dem Folk einiges an Jazzelementen eingehaucht wird. Das ist insofern eine recht interessante Betrachtung von Fusion - mir gefällt das, sowohl als Anhänger von Folk als von Jazz. Auf "Kom låtom oss på jorden" gibt es dann für Jazzer ein wenig mehr an Improvisation und Knutsson spielt hier ein schönes Solo. Sogar leicht kratzig fällt er ganz sanft aus der Rolle des behutsamen Solierens.
Was erhalten geblieben ist, sind jene mystischen und geheimnisvollen Elemente, wie ich sie ansonsten aus dem Bereich der Folkmusik kenne. Sie bilden einen wichtigen Bestandteil des einen oder anderen Beitrags. Das verträumt dahinschwebende "Om dagen" bietet mit seinem sehr melancholischen Anstrich viel Raum für den Einsatz des Pianos, das allein mit Gesang zu hören ist, bis nach fast zwei Minuten das Saxofon einsetzt und die ohnehin bereits besondere Note dieses Songs noch ein wenig besonderer gestaltet - fast schon orientalisch klingt da so manche Melodieführung.
Ein wenig wie eine Mischung aus afrikanischer und schwedischer Folklore klingt "Visa Efter Fadern" und stellt ebenfalls einen recht ungewöhnlichen Beitrag dar. So ungewöhnlich wie das in der Einleitung drohnenhaft klingende "Nu Tacker Gud Allt Folk" mit dem Einsatz der Autoharp, eine fast schon pastorale Stimmung wird erzeugt und ein ganz wenig erinnert mich das an teilweise auch vom Folk inspirierte Titel von Edward Vesala, dem finnischen Jazzperkussionisten. Ganz solo ist der Gesang von Lisa Lestander bei "Hjartans Ljuva Rara Van" und bringt eine beschauliche Stimmung, die sich auf "Sakta Umealven Glider" mit der Pianobegleitung fortsetzt, bis mit "John Blund" die schwedische Folklore wieder stärker durchscheint. Fast wie ein Abendlied klingt diese Bearbeitung, ein gemütlicher Abschluss einer guten Platte.
Entstanden ist somit Musik, die ganz abseits üblichen Hörverhaltens Neuland anbietet und dadurch wirklich interessant für Freunde verschiedener Musikrichtungen ist.
Line-up:
Lisa Lestander (vocals, flugelhorn)
Jonas Knutsson (saxophones)
Mats Öberg (synthesizer, piano, autoharp, harmonica)
Tracklist
01:Gudejojk (6:21)
02:Kom låtom oss på jorden (5:49)
03:Lill-Pelle/Bramsungarna/Smajanten (4:51)
04:Om Dagen (7:09)
05:Visa Efter Fadern (3:30)
06:Nu Tacker Gud Allt Folk (5:39)
07:Hjartans Ljuva Rara Van (2:17)
08:Sakta Umealven Glider (4:50)
09:Overgivit (2:54)
10:John Blund (4:50)
(all traditional, except #8 by Ernesto de Curtis/Bengt Andersson)
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