'Deutschland's Beatband Nr.1': Bis dahin war es ein langer Weg, der 1959 begann, als die Jungs als Skiffle-Band in Berlin unter dem Namen Skiffle Lords starteten.
Weitere wichtige Stationen waren 1961 der Gewinn des Wettbewerbs 'Das Goldene Waschbrett', und als der Beatles-Film "Yeah Yeah Yeah" 1964 in die deutschen Kinos kam, nahm die Band an einem weiteren Wettbewerb teil: 'Die deutschen Beatles'. Man gewann den regionalen Berliner Wettbewerb sowie die Endausscheidung im Hamburger Starclub, und schon war sie geboren: 'Deutschland's Beatband Nr.1'!
Schnell kam der Plattenvertrag mit der EMI, das war Ende 1964, und auf Geheiß der Verantwortlichen sollte eine deutschsprachige Single her: "Hey, Baby, laß den ander'n" bzw. "Tobacco Road". Das Teil floppte und die Formation leistete ohnehin Widerstand, denn eine Beatband sollte schließlich englisch singen! So wurde es dann auch später realisiert.
Die genannte Single wurde am 29.10.1964 eingespielt, die dann folgenden vom 1. bis 3. Dezember 1964 im Evangelischen Gemeindehaus in Berlin-Zehlendorf. Einer der Bonustitel, "Poor Boy", ein noch folgender Hit, auf vorliegendem Album in einer Liveversion, wurde im Juni 1965 im Titaniapalast Berlin aufgenommen.
Die Kleidung war ein wesentliches Merkmal der Lords: Melone, weiße Rüschenhemden, feine Westen, Hosen mit Bügelfalte und dazu Gamaschen. Nun, das sollte sich im Laufe der Zeit auch ändern.
Mit dem im August 1965 veröffentlichten "Shakin' All Over" von Johnny Kidd & The Pirates startet diese Platte. Aber natürlich finden wir auch die oben erwähnte, erste deutschsprachige Single.
Nicht nur bei "Ain't She Sweet' hört man ein weiteres Merkmal der Band, nämlich die nicht ganz astreine englische Aussprache von 'Lord Ulli'. Ein klarer deutscher Akzent war offensichtlich, besonders das 'th' schien Schwierigkeiten zu bereiten, störte aber wohl niemanden wirklich ( »tell ze names ...«).
Die Gitarren klangen scharf und akzentuiert und hatten 'Biss' und ein Hauch der Shadows lag in der Luft. In der Tat schien der 'Mersey' gar nicht so weit zu sein, und neben dem stampfenden Beat von "Shakin' All Over" und dem stark an die frühen Beatles angelehnten "Ain't She Sweet" gab es Rückgriffe auf die Skiffle-Vergangenheit mit "Midnight Special", das mit einem satten Beat sowie dezenten Anstrich von 'R & B' versehen wurde. Das hat ein wenig etwas von den frühen Pretty Things. "Seven Daffodils" hätten auch Cliff & The Shadows bringen können. Weiterhin gibt es einige schmachtende Balladen, wie z. B. "Kevin Barry" oder "Wedding Bells (That Old Gang Of Mine)".
Der offiziell letzte Song der Original-LP, "Hey, Baby, laß den ander'n", wirkt angesichts der übrigen Tracks schon fast skurril. Gut, dass man zukünftig davon Abstand nahm. Nach vier Monomixen bekannter Titel werden die Zuschauer herzlich begrüßt: »Einen schönen guten Nachmittag, Freunde der Beatmusik, guten Nachmittag klingt doch sehr nett. Schonen Sie ihre Stimmbänder, sie brauchen sie im Laufe des heutigen Nachmittags ganz bestimmt noch. Sie dürfen schreien, stampfen, kreischen, mit dem Kopf schütteln und mit den Füssen wackeln, aber zwei Dinge bitten wir sie nicht zu tun, nicht zu rauchen und nicht auf die kostbaren Möbel zu steigen. Freunde, dies' ist eine Beatveranstaltung, Ärger haben sie zu Hause und in der Firma und mit dem Freund und der Freundin überall. Hier sollen sie sich amüsieren, hier haben sie Freude am Spass. Ja? Und - sie haben zwar, wie man so schön sagt, Kohlen gebracht, einheizen werden nun wir!« (TUMULT!).
»Das ist doch eigenartig, immer wenn's dunkel ist, gibt es ein paar Leute, die also dann schreien und uns zeigen, welche Umgangssprache sie zu Hause sprechen. Aber sie dürfen noch, sie haben gleich Gelegenheit. Ich darf also jetzt einfach sagen, die Lords aus Berlin grüßen ... Alt-Berlin«.
Dann wird »unsere neueste Schallplatte, eine Eigenkomposition, Poor Boy« angesagt, und der Sound ist 'na ja'. Aber diese Live-Nummer spiegelt offensichtlich die damalige Atmosphäre, den Zeitgeist, perfekt wider. Etwa zwei Jahre später war es noch ähnlich, als ich auch die ersten Beatveranstaltungen besuchen durfte ... Ansonsten ist der Klang sehr gut, räumlich gut gestaffelt und die Aufnahmen wurden offensichtlich damals bereits gut aufgenommen, mit halligen Effekten.
Einsame Klasse wieder das Booklet mit Informationen und vielen Bildern auf 47 Seiten, darunter auch die Abbildung von Vor- und Rückseite der Original-LP.
Ein schönes Dokument deutscher Musikgeschichte, mit einer Band, die von einigen, die ich kenne, damals auch belächelt wurde, sich aber in Nachhinein betrachtet, als ernsthafte Beatband darstellt!
Line-up:
Ulli Günther (Leadgesang, Mundharmonika)
Leo Lietz (Leadgitarre, Gesang)
Gandy Petry (Rhythmusgitarre, Gesang)
Knud Kuntze (Bassgitarre)
'Bi' Max Donath (Schlagzeug)
Tracklist |
01:Shakin' All Over (Kidd) 2:15
02:Ain't She Sweet (Yellen-Ager) 2:16
03:Midnight Special (PD) 2:53
04:Seven Daffodils (Hayes-Megeley) 3:17
05:Lost John (PD) 2:09
06:Tobacco Road (Loudermilk-Mösser) 2:10
07:Lonesome Traveller (Hays) 3:07
08:Kevin Berry (PD) 3:08
09:Memphis Tennessee (Berry-Lilibert) 2:10
10:Wedding Bells (That Old Gang Of Mine) (Fain-Kamal-Raskin) 2:22
11:Wishin' and Hopin' (Bacharach-David) 2:28
12:Hey Baby, lass den ander'n (Lietz-Blecher) 2:07
13:Shakin' All Over (mono mix) (Kidd) 2:13
14:Seven Daffodils (mono mix) (Hayes-Megeley) 3:17
15:Hey Baby, lass den ander'n (mono mix) (Lietz-Blecher) 2:06
16:Tobacco Road (mono mix) (Loudermilk-Mösser) 2:10
17:Poor Boy (live) (Lietz) 4:44
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Externe Links:
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