Du sitzt in einem luxuriösen, purpurnen Cadillac. Die Scheinwerfer grasen die unendliche Weite der amerikanischen Landschaft ab. Über dir glitzern Sterne am klaren Nachthimmel. Völlig entspannt trägt das Gefährt dich durch 'God's own country'. 'Route 66' und 'Highway 61' sind bereits alte Vertraute. Bunt leuchtende Schilder laden zu Besuchen in Drive-Ins und Motels ein. Doch die Nacht ist noch lang. Auch ohne cowboygeschwängerte Zigarettenromantik genießt du den Geschmack von Freiheit und Abenteuer. Irgendwas fehlt allerdings noch zum völligen Glück. Ach ja - die richtige Musik. Deine Hand gleitet zum Autoradio und betätigt den Sendersuchlauf. Schmalzigster Nashville-Sound fiedelt die Gemütlichkeit der Nacht hinfort. Nächster Versuch - neuer Sender, neues Glück? O no! Ein wortgewaltiger Prediger quetscht dich in einen Bible Belt voller Buße ohne Muße. Nix wie weg - neuer Sender! Melodiöser Rock fetzt wie ein REO Speedwagon durch die Boxen. Du fühlst dich plötzlich wie ein Foreigner in einem fremden Land. Nette Mugge, aber auch nichts für den Moment.
Endlich hast du die rettende Idee. Deine Finger tasten im Handschuhfach nach der frisch erworbenen CD. Da ist sie ja: "Purple Cadillacs" von David Munyon. Leise quietschend fährt die Scheibe in den Player und die ersten Töne dringen in das Auto. Sanfte Gitarrenklänge, umschmeichelt von einem unglaublich geschmeidigen Fretless Bass. Dazu gesellt sich nach wenigen Takten eine unverwechselbare Stimme. Nicht mehr ganz jung, unprätentiös und irgendwie anrührend. "Riding Around The World" - wie passend. Du lehnst dich zurück. Der wohltemperierte Sound, irgendwo zwischen Folk und Country angesiedelt, verwandelt die Impressionen der relaxten Nachtfahrt zu einem Panorama dessen, was du dir als 'American way of life' vorstellen könntest. Mag die Melodie des Openers auch ein wenig nach beliebigem Tralala klingen, so gewinnt der Soundtrack für deine Reise ab dem zweiten Titel doch unbestreitbar an Substanz. "Song For Danko" - eine Hommage an den längst verstorbenen Ausnahmemusiker von The Band. Da du selbst ein Fan dieser kultigen Truppe um Robbie Robertson bist, die schon vor Urzeiten im Keller mit einem gewissen Herrn Dylan gejammt hatten, ergreift dich dieser Tribut sofort. Und eins wird dabei umgehend klar: Oberflächliche Schnulzen sind nicht das Ding von David Munyon.
Hier schreibt jemand über echte Gefühle, steckt jede Menge Herzblut in Lyrik und Melodik und bringt das mit seinen Arrangements und der natürlichen Stimme auch noch kongenial rüber.
Kaum zu glauben, dass der 1952 auf Rhode Island geborene Musiker ein ewiger Geheimtipp geblieben ist. David kann es durchaus mit den Goliaths des Business aufnehmen. Einige lassen sich gar zu gerne Songs von Mr. Munyon maßschneidern. So finden sich beispielsweise auf einigen Scheiben des großen Eric Burdon Titel von David Munyon. Dieser ist bis heute in seiner Heimat eher ein Nobody. Sein erstes Album "Codename: Jumper" aus dem Jahre 1990 verkaufte sich in den USA gerade 700 mal. Für amerikanische Verhältnisse dürfte das zahlenmäßig in etwa der Output einer Schülerband sein, die die gesamte Verwandtschaft zum Kauf ihrer Tonträger nötigte. Erfolgreicher gestaltete sich Munyons Karriere allerdings in Europa. Vor allem in England und Deutschland hat er eine treue Fangemeinde. So tourt er hierzulande mit schöner Regelmäßigkeit, wobei er zumeist in kleinen Clubs auftritt und auch Wohnzimmerkonzerte gibt. Seine Nähe zum Publikum ist legendär. Oft spielt er drei bis vier Stunden lang, nur unterbrochen von obligatorischen Pinkelpausen. Die Zuhörer folgen ihm meist gebannt bis spät in die Nacht.
Er erzählt von den kleinen Begebenheiten im Leben, die doch bemerkenswert sind. Nette autobiographische Stories sind dabei seine Spezialität, wie etwa in "Henrike's Ford Fiesta". Er kann es aber auch philosophisch: In "Watercolors" beschreibt er die Welt der Emotionen, um schließlich in "Help Me Krishna" gar spirituell zu werden. Dies tut er so unaufdringlich, ohne jeden missionarischen Eifer, dass es einfach überzeugend wirkt. Hier gibt jemand sein Innenleben preis, teilt es mit seinem Publikum und hat dabei nicht vor, jemanden mit billigem Sacro-Pop in eine Richtung zu zerren. Gerade durch diese angenehme Zurückhaltung wirkt das Oeuvre des leisen Liedermachers aus Alabama so sympathisch und ermutigend. Wenn er in "The Prayers Of Elvis Presley" singt »keep on playing your guitar« bekommt der geneigte Hörer tatsächlich Lust, zur Klampfe zu greifen und die Nacht durchzuspielen.
Die Produktion ist astrein und klar im Sound. Kaum zu fassen, dass die Aufnahmen nicht in Nashville, sondern in Northeim entstanden! Die Studiomusiker unterstreichen David Munyons Songwriting höchst einfühlsam. Die Gitarrenbegleitung ist fest im Country Folk verankert und bildet ein unerschütterliches, leises Fundament für die emotionalen Kompositionen. Hin und wieder setzen Tom Kagermann an der Violine und Multiinstrumentalist Ian Melrose mit der Low Whistle oder der Tamboura Akzente, die die Intensität der Songs noch verstärken. Auch Mike Silvers Backgroundgesang und Urs Fuchs' singender Bass passen sich harmonisch in das musikalische Gefüge ein. "Purple Cadillacs" zeigt in erster Linie die folkige Seite von David Munyon, der sich ansonsten durchaus auch in Rhythm'n'Blues oder dem puren Blues wohlfühlt.
Ein sehr verinnerlichtes Album, das viele Gefühlswelten des Künstlers offenlegt, aber ebenso den Zuhörer anregt, sich mit dem eigenen Innenleben auseinanderzusetzen. Sicher auch ein genialer Soundtrack für eine nächtliche Autofahrt unter sternenklarem Himmel. Songs, die in hochgradig positivem Sinne amerikanisch klingen. Worte und Töne, die zum Innehalten auffordern. Und so stoppst du deinen Cadillac, weit entfernt von den großen Highways, weit weg von der glitzernden Werbewelt der Schnellimbisse und Rasthöfe am Straßenrand. Irgendwo, wo es nur noch dich, die Natur und diese Musik gibt. Und in diesem Moment fühlst du etwas, was im Alltag so oft verloren geht: das pure Leben!
Line-up:
David Munyon (vocals & guitar)
Ian Melrose (acoustic & electric guitars, tambura, low whistle, xaphoon)
Mike Silver (background vocals, guitars)
Urs Fuchs (electric bass)
Thomas Kagermann (violin)
Tracklist |
01:Riding Around The World
02:Song For Danko
03:Watercolors
04:Rosa's Cantina
05:Kansas
06:The Ballad Of The Anita Fernando
07:Hendrike's Ford Fiesta
08:Radha
09:Move Back To Amsterdam
10:Prayers Of Elvis Presley
11:Help Me Krishna
12:Bright To Brighter
13:Whenever You Can Fall
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