Delbert McClinton / Cost Of Living
Cost Of Living
Der Mann ist Amerikaner, Texaner und das hört man. Macht amerikanische Musik, auch das ist unverkennbar. Guten alten, schmalzlockigen Tanzboden-Rock´n Roll, Country und Salon-Blues, herrlich nostalgisch, aber keineswegs von gestern. Delbert McClinton hat bei uns keinen großen Bekanntheitsgrad, obwohl er schon eine Menge Alben veröffentlicht und sogar 1991 einen 'Grammy' mit Bonnie Raitt (für "Good Man, good Woman") erhalten hat. Das wird sich auch mit seinem jüngsten Album "Cost of Living" nicht ändern. Was schade ist, denn er ist ein Guter, aber seine Musik ist im Gegensatz zum Heimatland hier leider wenig gefragt. Ich bin durch einen Sampler (dafür gibt´s die ja) auf seine leicht heisere, sympathische Stimme gestoßen. Das Bild des Cowboys, der schon Tonnen Highwaystaub mit viel Jacky runtergespült hat, war sofort da. Und so sieht er auch aus, im Booklet sind diverse Ausweispapiere der letzten Jahrzehnte abgebildet. Der 65-jährige hat eine Menge über die wesentlichen Dinge des Lebens ("Women & Booze") zu erzählen und das macht er mit einem breiten Grinsen. Musikalische Weggenossen sind diverse Country-Größen, aber auch der alte Crooner Willy DeVille. Von den alten Meistern, die er in den 60ern mit seiner Band bei Clubauftritten in Fort Worth begleitete, hat er dazu reichlich Blues und Soul aufgesogen.
McClinton spielt Gitarre, Piano und ist ein As auf der Mundharmonika. Es wird kolportiert, dass er anlässlich einer England-Tour 1962 John Lennon Unterricht auf der Blues-Harp gegeben habe (Ergebnis angeblich: "Love me Do").
Auch seine neueste Studio-CD ist nix für Puristen jedweder Ausrichtung. Es gibt die unterschiedlichsten Genreanleihen, die McClinton jedoch souverän mit einem Schuss Pop unter seinen Hut bringt. Bis auf das Jimmy Reed-Cover "I´ll change my style" steht er bei allen Songs als Co-Autor auf der Hülle und hat auch co-produziert. Da er offenbar eine Riege bester Begleitmusiker für die Produktion hatte, kommt er hauptsächlich als Sänger aus den Boxen. Im ersten Teil sind vorwiegend Rock´n Roll- und R&B-Titel zu hören, nicht von der harten Sorte, eher die frühen 60er Jahre. Los geht´s mit "One of the Fortunate Few", das vom Songrhythmus und Knarzgesang her genauso von Dr. John stammen könnte. "Right To Be Wrong", ein R&B-Titel, geht mit Klimperpiano und kurzen Gitarrenlicks schon schön ab, die Petticoats fliegen. Mit dem Shuffle "The Part I Like Best" kommt Groove in den Laden; typischer Swamp-Pop mit Stottersax zum Tanzen dann mit "I'll Change My Style" (hoffentlich nicht!). Bei "Hammerhead Stew", einer Soul-Nummer mit Brass- und Chor-Girls-Verstärkung, kocht der Ballroom endgültig. "Your Memory, Me And The Blues" markiert den Wendepunkt der CD. Der harte Texasmann singt einen zärtlichen Slowblues, ein Liebeslied an seine Verflossene, begleitet von einem sanftem Sax. Ganz ohne Kitsch. Warum gelingt so was nicht in Deutsch? Warum statt dessen dieses dünnschissige Gejammere von Xavier Neidoo und seinen aufgeblasenen Mannheimer Haubentauchern?
Von da ab geht´s deutlich heimwärts, southbound. "Dead Wrong" - Texas here we come! Es rockt boogiemäßig und wie, aber leider nur 2:02 Min. lang. Mein Lieblingstitel folgt, "Down Into Mexico", eine Räuberballade, die nicht nur textmäßig was von "Whiskey In The Jar" hat, inklusive schönem Gitarrensolo auf der Akustischen. Natürlich mit Chili und nicht mit Thymian gewürzt. "Kiss Her Once For Me" ist ein Tex-Mex-Schleicher, der so unverschämt nach "Save The Last Dance For Me" (in der Drifters-Version) klingt, dass man den "Neu-Autoren" richtig Mut unterstellen muss. Für den Rest bitte den Stetson auf und rein in die spitzen Boots! Ein kurzes Twang-Solo eröffnen den Midtempo-Countryrocker "I Had A Real Good Time", der Stiefelabsatz klopft von selbst den Takt zur Fiddle. Traditioneller und mit etwas weniger Umdrehungen kommt dann "Midnight Communion" daher, bei dem das Honky Tonk-Piano den Ton angibt. Ein südstaatenmäßiger Rock ´n Roll ist "Two Step Too", es geht rund im Juke Joint, wo eine "damned good Band" (wo haben wir das bloß schon mal gehört …) aus New Orleans aufspielt. Das Album klingt melancholisch aus. "Alright By Me" ist ein jazziger Barblues, smooth & mellow, mit dem Delbert McClinton seine Exkursion durch die amerikanischen Oldtime-Rock-Gefilde abschließt.
"Cost Of Living" macht gute Laune und Delbert McClinton ist offensichtlich ein zufriedener Mensch. Aus dem Booklet zwinkert er dem Betrachter zu und bedankt sich neben einer ganzseitigen Liste von diversen hilfreichen Menschen denn auch besonders bei seinen 'glücklichen Sternen'. Mögen sie ihm noch lange heimleuchten. An dem Album gibt es nichts auszusetzen, im schönen Pappschuber mit Inlett steckt eine sauber aufgenommene und ebenso produzierte Scheibe, Daumen rauf!


Spielzeit: 40:52 Min., Medium CD, Blue Rose, 2005
1:One Of The Fortunate Few 2:Right To Be Wrong 3:The Part I Like Best 4:I´ll change My Style 5:Hammerhead Stew 6:Your Memory, Me And The Blues 7:Dead Wrong 8:Down Into Mexico 9:Kiss Her Once For Me 10:I Had A Real Good Time 11:Midnight Communion 12:Two Step Too 13:Alright By Me
Norbert Neugebauer, 08.12.2005