Jason Moran / Ten
Ten Spielzeit: 64:28
Medium: CD
Label: Blue Note Records, 2010
Stil: Jazz


Review vom 07.07.2010


Wolfgang Giese
In einer endlosen Liste der Veröffentlichungen von Piano-Trios nun ein weiterer Vorstoß, möglicherweise etwas aus der Masse Herausragendes zu schaffen.
1999 erschien Morans erstes Album, seit etwa dem Zeitpunkt spielt er auch bereits mit den beiden Musikern zusammen, die auf "Ten" seine Rhythm Section bilden: The Bandwagon, als da sind Tarus Mateen am Bass und Nasheet Waits am Schlagzeug. Ergo - ein eingespieltes Team, und genau das wird auch deutlich! Denn traumwandlerisch agieren die drei Musiker, werfen sich mühelos die Bälle zu.
Des Pianisten Vorbilder sind Thelonious Monk, Andrew Hill und Don Pullen - drei großartige Pianisten, und man hört ihren Einfluß deutlich. Ich glaube, am meistens ist es Pullen, denn an dessen Spielweise erinnert mich Moran gelegentlich. Und zwar genau dann, wenn die Musik ansetzt, sich frei zu entfalten. Die Vier zeigen auf, dass der Jazz noch nicht verstorben ist, so viel Leben und Energie steckt in ihrem Output.
Bei einem Piano-Trio gibt es wohl grundsätzlich das Problem, dass es wenige Möglichkeiten der Variation gibt, so meint man allgemein. Denn in der Regel ist eine solche Besetzung mit nur einem Solisten besetzt, dem Pianisten eben. Bass und Rhythmus als reine Rhythmusgruppe, das kann auf die Dauer ermüdend sein, es sei denn, beide sind an der Entstehung der Musik maßgeblich beteiligt. Und das sind sie hier.
Gleich beim ersten Titel findet eine ungeheure Interaktion aller Beteiligten statt, das Piano mag zwar vordergründig agieren, doch wirken alle zusammen in einem traumwandlerischen Zusammenspiel und gestalten gemeinsam. Mir fällt da spontan der für mich 'klassische Spruch' von Joe Zawinul (Weather Report) ein, als er Stellung nahm zur Struktur der Musik: »We always solo, and we never solo«.
Viele werden unter den klassischen Piano-Trios des Jazz möglicherweise den Namen Oscar Peterson nennen, oft verbindet man seine verschiedenen Triobesetzungen damit. So haben sich auch einige an diesem Stil orientiert. Bei Moran ist das anders, mittlerweile ist eine neue 'Generation' des Piano-Trios herangewachsen, seien es Beispiele wie E.S.T., das Helge Lien Trio oder das Tingvall Trio.
So klingt die Musik viel moderner und verschließt sich auch nicht jazzfremden Einflüssen. Interessant, wie scheinbar fernöstliche Einflüsse kurz in das Arrangement eines Stückes von Thelonious Monk ("Crepuscule With Nellie") einfließen, um dann plötzlich in ein bluesartig-rockendes Thema überzuleiten. Ich glaube, Monk wäre angetan gewesen, angesichts der sehr ungewöhnlichen Ausrichtung seines Titels.
Zwischendurch wird es wieder sehr frei in der Ausgestaltung. Annäherungen an den Free Jazz z.B. in der "Study No.6". Hier fließt die Musik und entsteht spontan. Aber auch ist es die klassische Musik, die von Moran wie automatisch gelegentlich eingearbeitet wird, beispielsweise in "Pas De Deux - Lines Ballet", Piano solo. Bei "Feedback Pt.2" gibt es dann dezente elektronische Verfremdungen hintergründig zu hören, Botschaften aus fremden Welten???
Rockige Anklänge an die Fusionbewegung ("Gangsterism Over 10 Years") wechseln sich ab mit romantischen Balladen. Interessant auch, wie der Pianist mit "Big Stuff" von Leonard Bernstein umgeht, der, als er langsam an Fahrt aufnimmt, Stilelemente von Art Tatum einfließen lässt. Und, wie die Band sehr stark mit diesem Titel demonstriert, versteht sie es blendend, voller Elastizität und Spontanietät zu reagieren. Kaum ein Titel bleibt lange so, wie er begann - oft sind es plötzliche Schwenks, die die Musik so herrlich lebendig gestalten.
"To Bob Vatel Of Paris": ein kleiner Ausflug in die 20er Jahre, in die Zeit des 'Stride Pianos', und mit dem kurzen "Old Babies", lässt der Künstler die Platte unter Zuhilfenahme der Stimme des kleinen Sohnes, Malcolm, ausklingen.
Doch nach kurzer Pause kommt noch ein Bonus, als sich die Band scheinbar durch die Jazzgeschichte spielt, wie eine alte Weise aus dem Süden der Staaten, die sich dann plötzlichen Ausbrüchen gegenüber stehen sieht.

Und um an meine einleitende Bemerkung anzuknüpfen: Ja, die Musiker haben aus meiner Sicht aus der Masse herausragende Musik geschaffen, ein klarer Tipp, ohne Wenn und Aber!
Line-up:
Jason Moran (piano, vocal sounds - #13)
Tarus Mateen (bass)
Nasheet Waits (drums)
Malcolm Moran (vocal sounds - #13)
Tracklist
01:Blue Blocks (Jason Moran)
02:RFK In The Land Of Apartheid (J. Moran)
03:Feedback Pt. 2 (J. Moran)
04:Crepuscule With Nellie (Thelonious Monk)
05:Study No. 6 (Conlon Nancarrow)
06:Pas De Deux - Lines Ballet (J. Moran)
07:Study No. 6 (C. Nancarrow)
08:Gangsterism Over 10 Years (J. Moran)
09:Big Stuff (Leonard Bernstein)
10:Play To Live (Andrew Hill/Jason Moran)
11:The Subtle One (Tarus Mateen)
12:To Bob Vatel Of Paris (Jaki Byard)
13:Old Babies (J. Moran)
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