Keine 30 Lenze, einige 'Grammy'-Awards in der Vitrine, Album-Veröffentlichungen von denen ich keine habe, dafür aber Millionen andere Zeitgenossen.
Was macht John Mayer denn plötzlich so interessant für den Rezensenten? Nun, seine Gastbeträge des Jahres 2005 machten mich da schon neugierig. Auf B.B. Kings "80", Buddy Guys "Bring 'Em In", bei Herbie Hancock und John Scofield.
Das ist ja schon mal etwas für einen Musiker, der sonst in den einschlägigen Musiksendern rauf und runter gespielt wird.
Dann kam mir Anfang 2006 "Try!" zwischen die Finger. Alleine schon das Cover der CD lässt einen einmal heftig durchatmen.
Steve Jordan, viel beschäftigter Drummer im Musik-Circuit (u.a. mit Bruce Springsteen) und Pino Palladino, ein Bassist, der vor Arbeit fast umkommt. Das ist doch was und dann auch gleich mit einem Live-Album zusammen mit Mayer in Trio-Besetzung.
Bevor der erste Song losgeht hören wir jede Menge Frauen, die ihre Begeisterung lautstark zum Ausdruck bringen. Das zieht sich übrigens durch die gesamte CD. Es scheinen fast nur Menschen weiblichen Geschlechts im Publikum zu sein.
"Who Do You Think I Was" ist ein richtig bluesrockiger Song mit tollen Riffs, die sich in fast hypnotischer Manier durch den Track ziehen. Mayer singt mit heftigem Verve und im Rhythmus-Sektor ist man auf den Punkt eingespielt.
Steve Jordan brilliert an seinem Arbeitsgerät.
Drei Songs sind vom Trio verfasst worden: "Good Love Is On The Way" fällt etwas rocklastiger als der Opener aus und ist mit einem eingängigen Refrain gekrönt. Palladino bedient seinen Bass fast als Rhythmusgitarre und sorgt für kristallklare Untertöne.
Es groovt - verdammt, legen die einen relaxten Rhythmus hin. "Vultures" hat was, wenn... Tja, wenn da nicht dieser zuckersüße, durch die kleinste Berührung zwischen den Fingern unangenehme Fäden ziehende, Refrain wäre. In den höchsten Tönen dargeboten wirkt er störend und veranlasst mich, wenige Punkte für die Gesamtwertung abzuziehen.
Der letzte aus gemeinsamer Feder stammende Track ist der Titelsong "Try". Der versöhnt dann wieder. Hier bieten zwar die Herren Jordan und Palladino auch ein immer wieder kurz eingeworfenes "Try" in hohen Tönen an, aber hier passt es.
Palladino spielt auf diesem nach vorne treibenden Song Gitarre.
Slow-Blues, Blues pur, wenige Töne aus dem Bass sind zu vernehmen, ganz dezentes Schlagzeug, John Mayer lässt seine Gitarre sprechen. Ein Blueser, wie er im Buche steht. Beeindruckend.
So steht "Out Of My Mind" so etwas von fest auf dem Blues-Fundament, dass es eine wahre Freude ist.
Auf "Try!" hören wir mit Ausnahme von "Something's Missing" und "Daughters" exklusiv neues Material.
Beide Tracks werden vom Publikum bereits beim Intro frenetisch gefeiert…
Wer John Mayer nur als "Your Body Is A Wonder"-Knuddel-Rocker sieht, sollte sich mit "Try!" eines Besseren belehren lassen. Der Mann kann ganz anders überzeugen.
Zwei Coversongs, die verdeutlichen, wie weit die Schere auseinander geht: "Wait Until Tomorrow" von Jimi Hendrix und "I Got A Woman" von Ray Charles.
Sich auf das beschränken, was charakteristisch ist, diese Kunst beweist Mayer, besonders im Charles-Track.
Seit dem dieses Album in meinem Besitz ist, höre ich es rauf und runter. Die Verbindung mit Jordan und Palladino hat John Mayer zu einer neuen musikalischen Herausforderung geführt, die unüberhörbar Qualitäten zeigt.
Und mit einer Live-Scheibe muss man Farbe bekennen. John Mayer macht das mit Bravour.
Mit meiner Rezension möchte ich alle Leser herzlich dazu einladen, die andere Seite des Gitarristen und Sängers kennen zu lernen, gemäß dem Album-Titel: "Try!"
Spielzeit: 63:26, Medium: CD, Aware Records, 2005
1:Who Do You Think I Was (3:09) 2:Good Love Is On The Way (4:50) 3:Wait Until Tomorrow (4:15) 4:Gravity (5:49) 5:Vultures (5:19) 6:Out Of Mind (7:40) 7:Another Kind Of Green (4:40) 8:I Got A Woman (7:40) 9:Something's Missing (6:57) 10:Daughters (6:14) 11:Try (6:53)
Joachim P. Brookes, 01.06.2006
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