Leslie Mandoki in RockTimes? Fehlanzeige! Okay, seine Mitgliedschaft bei der deutschen Schlager (?)-Formation Dschinghis Khan, sowie seine Produzententätigkeit u.a. für die No Angels (Cover-Version des Donovan-Klassikers "Atlantis") sind einer Würdigung auf RockTimes kaum wert. Aber was seine eigenen Musik-Projekte der letzten 15 Jahre betrifft, verstehe ich dies wirklich nicht. Was Leslie Mandoki zunächst unter dem Projektnamen Leslie Mandoki & Friends und später unter Man Doki Soulmates auf die Beine gestellt hat, ist Musik vom Allerfeinsten. Bei diesem, zusammen mit seinem Kumpel Laszlo Bencker realisierten Projekt, hat er zahlreiche Musiker um sich geschart, die als Synonym für Sternstunden der Rockmusik stehen können, siehe nur das unten angefügte Line-up der aktuellen CD; die meisten der dort aufgeführten Mitstreiter begleiten das Projekt von Anfang an.
Die bislang auf RockTimes fehlenden Informationen erlauben es mir daher, vorliegend etwas weiter auszuholen.
Beginnend mit den Alben "Out Of Key...With The Time" in 1992, sowie "People" in 1993, blieb Mandoki zunächst ein Geheimtipp, bis er im Jahr 1997 mit der Veröffentlichung seines Albums "People In Room No. 8" in der Fernsehsendung "Wetten dass...?" auftrat und dort von Thomas Gottschalk mit den Worten angekündigt wurde: »Nicht weniger als 139 Goldene Schallplatten marschieren jetzt ein, 29 mal Platin, 26 Grammys«. Damit wurde endlich auch einem breiten Publikum klar, dass in Zeiten von ansonsten überwiegend 'Plastikmusik', gestandene Rock- und Popgrößen immer noch gute Musik machen können. Mit der Nachveröffentlichung von "Room No. 8 - The Jazz Cuts", die längere und jazzigere Versionen der Tracks von "People In Room No. 8" enthielten, wurde dies noch deutlicher. Nach längerer schöpferischer Pause erschien dann endlich im Jahr 2002 das Nachfolgeralbum "Soulmates", und aus dem Titel der CD wurde nun auch der Bandname, denn als Soulmates (Seelenverwandte) fühlen sich die Musiker, auch wenn sie von den unterschiedlichsten Stilrichtungen her kommen. Variationen von "Soulmates" erschienen im Folgejahr wiederum unter dem Untertitel "The Jazz Cuts" und noch außergewöhnlicher mit der CD "Soulmates Classic", auf der die Musik von einem Streichquartett eingespielt worden war; fürwahr ein außergewöhnliches Hörerlebnis, das so gar nichts zu tun hat mit sonstigen Klassik Rock-Einspielungen, die man landläufig so kennt.
Seinen wahrscheinlich größten kommerziellen Erfolg hatte Mandoki mit den Soulmates jedoch sicherlich mit dem Auftritt in der zweiteiligen, wiederum von Thomas Gottschalk moderierten Fernsehshow "50 Jahre Rock" im Jahr 2004, in der die Soulmates quasi als Hausband auftraten, und der daraus veröffentlichten CD "Legends of Rock"; jedenfalls ließ Mandoki, im Hinblick auf die notwendigen Proben, einige langfristig geplante Konzerte (für eines besaß ich bereits Karten!) einfach ausfallen.
Nun also, sieben Jahre nach dem letzten eigenen Album, endlich die Fortsetzung dieses Projekts. "Aquarelle" zeigt wieder den künstlerischen Anspruch, den Mandoki mit seinen Soulmates erhebt. Das Motto der CD, verkündet auf der Homepage, wird wie folgt beschrieben: »Die Welt hat sich verändert und wir haben nicht mitgemacht! Garantiert nicht trendy, nicht cool, keine Single! Leidenschaft & Authentizität ohne Kompromisse!« - That's it!
Die Musik ist eingängig, manchmal vielleicht ein wenig zu eingängig. Vor diesem Hintergrund ist die im Vorspann genannte Stilrichtung Fusion möglicherweise etwas ambitioniert; Pop wäre auch nicht völlig daneben. Ich habe mich dennoch bewusst für Fusion entschieden, weil in dem Projekt Musiker mit der unterschiedlichsten musikalischen Herkunft zusammenarbeiten, also fusionieren.
Jedenfalls wird es niemals langweilig, auch wenn, und gerade hier, es sich um teilweise sehr lange Kompositionen handelt: Immer wieder werden Improvisationen der brillanten Musiker eingesprenkelt, wechseln Tonlagen und Melodiefolgen, kontrastieren die Stimmen der zahlreichen Sänger wie die unterschiedlichen Instrumente. Die Arrangements sind ausgefeilt, geben aber den Solisten genügend Spielraum, um ihr individuelles Können unter Beweis zu stellen. Dennoch steht niemand, auch nicht Leslie Mandoki selbst, im Vordergrund, oder will sich dort sehen. Alle Musiker stellen ihre Individualität hinter das gemeinsame Projekt zurück. Und die Texte kann man nur als anspruchsvoll bezeichnen.
Wenn man, insbesondere die kürzeren Tracks als Pop-Songs bezeichnen will, kann diese Definition ganz sicherlich nicht für die Longplayer gelten: "Haunted", "Faster Than We Need", "Move On" und insbesondere der Titeltrack "Aquarelle" sind eindeutige Jazz-Interpretationen.
Beispielhaft sei hier der, vom Bonus-Titel abgesehen, längste Track "Haunted" näher dargestellt. Anfänglich verhältnismäßig eingängiger Gesang, wobei sich hier bereits vier Sänger abwechseln und teilweise mehrstimmig singen. In der zweiten Hälfte wird das Ganze wesentlich jazziger; hier überwiegen die instrumentalen Improvisationen. Ebenfalls vier Musiker werfen sich die Bälle, Verzeihung: die Soli, nur so hin und her: einfach genial!
Ähnlich der Titeltrack: Nachdem zunächst fünf Sänger zu seichten Klängen über die Vergänglichkeit der Jugend sinniert haben (»Like an aquarelle in the rain, young years are burning in vain«), zeigen die alten Herren anschließend in dem wiederum durch instrumentale Soli geprägten zweiten Teil, dass sie es auch heutzutage noch drauf haben.
Besonders erwähnen möchte ich darüber hinaus den Titel "Looking Up To Michael". Wer jetzt spontan denkt, dass die Soulmates hier dem kürzlich verstorbenen 'King of Pop' huldigen, irrt. Dennoch ist der Song eine musikalische Reminiszenz an einen anderen toten Künstler, nämlich an den bereits Anfang 2007 verstorbenen Jazz-Saxophonisten Michael Brecker. Dieser hat, wie auch sein Bruder Randy, bereits auf den früheren Mandoki-Alben mitgespielt und wird auch vorliegend noch als Mitmusiker, ausdrücklich gerade auch bei "Looking Up To Michael", genannt. Dieser Song ist bereits deshalb kein 'Neuling'; vielmehr handelt es sich, wenn auch rein instrumental, um eine weitere, allerdings wesentlich kürzere Version von "Look Up To The Sky" von dem 2002er-Album "Soulmates".
Und das Ganze ist aufgenommen ganz traditionell in analoger Technik, worauf auch, wie vereinzelt bereits auf früheren CDs von Mandoki, die Beschläge für die Aufnahmebänder hinweisen; auch die CD ist entsprechend bedruckt. Keine Korrekturen, kein Overdubbing, alles so, wie es original eingespielt wurde, also: authentisch! Die Musik klingt oftmals, und nicht nur wenn David Clayton-Thomas seine markante Stimme einbringt, nach Blood, Sweat & Tears.
Zum Schluss enthält "Aquarelle" noch einen Bonus-Track: Eine über dreizehnminütige Soundcollage mehrerer älterer Stücke, die hier fragmentweise einfach aneinandergereiht wurden. Das kann man lediglich als Appetizer ansehen. Wer diesbezüglich an 'Mehr' interessiert ist, dem sei die DVD "Absolutely Live" empfohlen, auf der mehrere Konzerte aus dem Jahr 2004 (u.a. Tränenpalast Berlin) festgehalten sind. Hier wird die Spielfreude der Musiker mehr als deutlich.
Wenn man an dem vorliegenden Album überhaupt etwas kritisieren will, kann man höchstens die enge Kooperation von Leslie Mandoki mit VW ansprechen. Offenbar lässt er sich, nachdem er bereits als 'Musical Direktor' für Audi und Daimler-Benz gearbeitet hat, derzeit von diesem Industriekonzern sponsern, was VW auch stolz verkündet. Ebenso auf der Homepage von Mandoki findet sich ein entsprechender Link. Hatten die Soulmates bereits in der Vergangenheit, u.a. mit einem Konzertevent "25 Mio. Golf", für VW geworben, geschieht dies mit der vorliegenden CD nicht nur durch die Abbildung des Firmenlogos auf der Rückseite des Covers, sondern auch im ansonsten liebevoll gestalteten Booklet: Mal ein unmotiviert herumliegender, deutlich das VW-Symbol zeigender Autoschlüssel hier, mal die Abbildung eines alten 'Bully' dort, sowie eine ausführliche Würdigung unter den "Credits & Thankyous". Schade, denn dies stellt Mandokis Unabhängigkeit auch hinsichtlich der Produktion seiner Musik in Frage. Aber: Haben nicht auch bereits die Rolling Stones bzw. Pink Floyd sehr intensiv für VW Werbung gemacht, was in der Produktion entsprechend benannter VW-Sondermodelle gipfelte, ohne dass dies dem Ansehen der Bands geschadet hätte?
Fragwürdiger finde ich persönlich noch eher die offenbar wohl gesteuerte Promotion durch bild.de, wo im Vorfeld der Veröffentlichung von "Aquarelle" jeden Tag zwei Songs vorgestellt wurden. Es ist schon traurig, dass Mandoki dies nötig hat, um einem breiteren Publikum bekannt zu werden.
Dennoch: So what! Die Musik der Soulmates ist einfach klasse.
Daher möchte ich ausdrücklich einen Tipp abgeben. Vielleicht nicht unbedingt für die vorliegende CD, jedenfalls aber für das Gesamtprojekt Man Doki Soulmates. Dabei ist es vollkommen egal, ob den oben zitierten Goldenen Schallplatten etc. zwischenzeitlich weitere hinzugekommen sind oder nicht. Auch die benannten älteren CDs klingen heute noch 'à jour'. Soulmates sind ein Projekt, das uns 'Best-Agern' die Zeitlosigkeit wirklich ausgezeichneter Musiker auch jenseits des aktuellen Hitgeschehens immer wieder aufs Neue ins Gedächtnis ruft - wenn es dessen überhaupt bedarf!
Line-up:
Leslie Mandoki (vocals, drums, percussion & udu)
Laszlo Bencker (keyboards, grand-piano, Hammond organ)
With:
Chris Thompson (vocals)
Bobby Kimball (vocals)
Eric Burdon (vocals)
David Clayton-Thomas (vocals)
Peter Maffay (vocals)
Ian Anderson (vocals, flute)
Jack Bruce (vocals, bass)
Nick van Eede (vocals)
Steve Lukather (guitars)
Al Di Meola (guitars)
Mike Stern (guitars)
Till Brönner (trumpet)
Randy Brecker (trumpet & flugelhorn)
Michael Brecker (tenor saxophone)
Bill Evans (tenor & soprano saxophone)
John Helliwell (tenor saxophone)
Victor Bailey (bass)
Anthony Jackson (bass)
The Sturz String Quartet
Tracklist |
01:After The Flood (3:57)
02:More Life To Live (3:56)
03:Haunted (10:07)
04:Cruel Wild World (4:25)
05:Faster Than We Need (9:35)
06:Move On (7:11)
07:Legend (3:26)
08:Café Eclectica (6:49)
09:Aquarelle (9:43)
10:Looking Up To Micheal (3:07)
11:Songs From The Road - Live (13:39) (Bonus Track)
|
|
Externe Links:
|