Es ist schon eine Weile her, dass die Progrocker Man On Fire aus den USA ihr Debütalbum herausgebracht haben. 1998 kam die schlicht mit "Man On Fire" betitelte Platte heraus. Erste Aufmerksamkeit in Insiderkreisen erhielten sie allerdings 2003 durch ihr zweites Album "Undefined Design", auf dem Gäste wie David Ragsdale ( Kansas, The Smashing Pumpkins) zu hören waren. Auf dem 2005er Konzeptalbum "Habitat" wirkten neben Ragsdale weitere bekannte Musiker wie Adrian Belew ( King Crimson) mit. Hier, auf "Chrysalis", erweitern Man On Fire ihren Sound und sind mit insgesamt sieben Bandmitgliedern vertreten. Auffallend ist, dass zusätzlich zu den sonst üblichen Instrumentalisten und Sängern auch ein Violinist und ein Trompeter dabei sind. Zudem wird Steve Carrol, der für die Texte verantwortlich ist, als vollständiges Mitglied mit aufgeführt. An welche Progressive Rock-Band erinnert das wohl?
Der Sound auf "Chrysalis" ist, obwohl er nicht allzu exotisch ist, relativ schwer in Worte zu fassen. Die Band zeigt ein professionelles, facettenreiches und differenziertes Klangbild auf, welches nach mehrmaligem Hören immer stärker zur Geltung kommt. Jeder Song hat ganz klar seine eigene Note. "Repeat It" zum Beispiel stützt sich auf ein rockiges Fundament, mit knackigem Bass und leicht verrauchtem Gesang. Im Refrain klingen Sänger und Song jedoch etwas nach Michael Jackson. "In A Sense..." ist in der Strophe ein gemächlicher, eher unauffälliger Song, jedoch erweitert um seltsame Synthieklänge. Der Refrain sticht durch mehrstimmigen Gesang und ein prägnantes Violinen-Riff hervor. Das Outro ist ein sphärischer Part mit unaufdringlichen, entspannten Keyboardklängen. " A (Post Apocalyptic) Bedtime Story" fängt mit Klavierakkorden und einem stark Neal Morse (ex- Spock's Beard)-ähnlichen Gesang ein. Zudem kommt die markante Trompete zum Einsatz. Das Stück klingt immer mehr nach den US-amerikanischen Retroproggern. Ausklingen tut der Song mit tief brummendem Bass und spacigen Gitarrenklängen.
Spätestens ab dem Anfang des Titeltracks "Chrysalis" sind die Einflüsse der Bärte, sowie der Flower Kings, Transatlantic und The Tangent nicht mehr zu überhören. Einfach typisch, die rhythmische Akustikgitarre, die verspielte E-Gitarre und der dichte Harmoniegesang. Hinzu kommt die auf dem Album stark vertretene Trompete. Der Übergang zum zweiten Part des Titelsongs ist glatt. Auch dieser Teil könnte direkt von den bekanntesten Retroprog-Bands stammen. Inzwischen wird man als Hörer das Gefühl nicht los, dass es sich hierbei um die beste Spock's Beard-Platte handelt, die die Bärte niemals aufgenommen haben. Der instrumentale dritte Part ist ein sehr unauffälliger Übergang zum vierten Teil, der durch professionelle, Prog-typische Vokalharmonien und -variationen und auffällt. Die Musik ist eine gelungene Mixtur aus Orgel, E-Gitarre, Schlagzeug, Basstupfern im Hintergrund.
Im Folgenden nimmt der starke Spock's Beard-Anteil wieder ab. Es wird nun mehr Wert auf Atmosphäre gelegt, gepaart mit einer herrlich schönen Prise Melancholie. "The Projectionist" geht mit spacig angehauchten Effekten los, ehe Basstöne und Schlagzeug den Song vorantreiben. Darüber wird eine sphärisch-melancholische E-Gitarrenmelodie gelegt. Das Stück wird für kurze Zeit wieder erdiger, der Gesang dreckiger. Doch dann wechselt die Stimmung erneut zur melancholisch-schwebenden Leichtigkeit, die vor allem durch die nach knapp zwei Minuten einsetzenden weiblichen Background-Vocals verstärkt wird. Wieder setzt die Gitarre zu fast schon gilmouresken Klängen an. Das kontrastreiche, aber perfekt zusammenpassende Wechselbad aus männlichem und weiblichem Gesang wird immer wichtiger, wunderschöne Synthiemelodien treten hinzu. Mit diesen, sowie den herrlichen Outro-Vocals klingt das Stück aus. Es ist erstaunlich, wie viel Gefühl und Atmosphäre in einem Vierminuten-Song stecken können.
Mit den nächsten zwei kurzen Titeln bringt die Platte den Hörer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. In "Tear Gas" fällt wieder der gelungene Trompeteneinsatz auf. "Higher Than Mountains" wird von Orgel-lastigen Strophen und Gitarrenrock im Refrain dominiert.
Zum Schluss wieder ein überaus gelungener Erstklasse-Track, der sowohl in einer Gesangsversion, als auch als Instrumental in Erscheinung tritt. Wieder geht es mit Klavier los, ehe Synthiechöre und -effekte einsetzen. Die Gitarre wimmert vor sich hin. Orchestrale Stakkatoklänge füllen den Raum mitsamt warmen Bassklängen und, für die Platte typischem, dezentem Schlagzeug aus. Eine rhythmische Akustikgitarre setzt mitsamt Gesang ein, der den guten alten Stereoeffekt geschickt ausnutzt und zwischen linkem und rechtem Ohr hin- und herwandert. Wieder einmal pendeln die Vocals zwischen erdig-rockig und in andere Sphären hervordringend. Es folgt ein Gitarrensolo, gestützt auf einem rhythmischen Fundament aus Akustikgitarre, Bass und Schlagzeug. Der Gesang hebt nun wieder ab, schnell überlagert von Gitarren- und Synthiegewabere. Sänger Jeff Hodges übernimmt nun wieder am Mikro, unterstützt von der Trompete, ehe das Gewabere aus Synthies, Gitarren und Bass wieder einsetzt. Hodges steigert sich in seinen druckvollen Gesang herein, wieder unterstützt vom Fundament der Rhythmussektion und Handels Trompete. Es folgt der Part mit dem größten Atmosphärenanteil. Über klirrend-wabernden Orgel- und Synthieklängen soliert die wunderschön-melancholische, leicht verspielte Trompete. Der Song klingt mit Klavierklängen und scheinbar vom Flughafen stammenden Funkgesprächen oder Fernseh- und Radiosequenzen aus. Alles ist dermaßen schön, dass man den Song gleich nochmal hören möchte. Und siehe da, als Bonus-Track taucht "Gravity" nochmals in einer Instrumentalversion auf. Wunderbar...
Man On Fire haben mich auf "Chrysalis" stark überrascht. Mindestens drei Stücke haben die Höchstwertung verdient. Ich denke ich übertreibe nicht, wenn ich von einer der gelungensten Retro Prog-Platten der letzten drei oder vier Jahre rede.
9 von 10 RockTimes-Uhren
Line-up:
Jeff Hodges (vocals, piano, organ, synths, samples, percussion)
Eric Sands (fretted bass, fretless bass, electric guitars)
Elise Testone (vocals)
Quentin Ravenell (drums)
Cameron Harder Handel (trumpet)
Jenny Hugh (violin)
Steve Carrol (words, imagery)
Guests:
Keith Bruce (additional electric guitar - #1,8)
Oliver Caminos (lead guitar - #2, additional guitar - #3)
Alexandra Hodges (backing vocals - #8)
Tim Hodson (acoustic guitar = #2,11)
Vitaly Popeloff (additional guitar - #1, lead guitar - #4,5)
Dan Wright (additional guitar - #7,9)
Tracklist |
01:Repeat It [4:23]
02:In A Sense... [5:23]
03:A (Post-Apocalyptic) Bedtime Story [5:06]
04:Chrysalis Part 1: In Between The Lines [2:53]
05:Chrysalis Part 2: The Fundits [2:59]
06:Chrysalis Part 3: The Muse Returns (instrumental) [1:40]
07:Chrysalis Part 4: Free To Fall [3:14]
08:The Projectionist [4:39]
09:Tear Gas [4:46]
10:Higher Than Mountains [4:19]
11:Gravity [10:12]
12:Gravity (instrumental) [10:01]
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Externe Links:
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