Immer wieder studiere ich in den unterschiedlichen Medien die Konzertankündigungen der Bands und Künstler. Dabei fällt mein Auge stets auf die Touren der Earthband, dem progressiven Zweig von Manfred Mann, der sich in den 60ern hauptsächlich im Pop ausgetobt hat. In Deutschland ist die Band normalerweise Dauergast, dennoch wurde Berlin bislang sehr vernachlässigt - bis heute. Endlich sind sie hier und ich freue mich, die alten Songs im Rahmen ihrer 'Best Of-Tour' zu erleben. Sicher wird mir die Stimme von Chris Thompson etwas fehlen, aber Neuzugang Robert Hart kommt ihm sehr nahe, wie ich mich vorab im WWW bereits eingehend informieren konnte.
Das Vorprogramm erweist sich als große Überraschung mit einer sehr außergewöhnlichen Facette. Da stehen kurz nach zwanzig Uhr drei Herren mit Gitarre auf der Bühne und ich fühle mich schlagartig in die Hippie-Ära zurückversetzt, obwohl ich sie altersbedingt nie wahrgenommen habe. Das wäre aber nicht der Punkt, sondern mein Augenmerk fällt auf Sänger Keith Xander, der seine Fender Strat mit einer Handprothese bedient. Nun könnte man spekulieren und seine Meinung in alle Richtungen ausbreiten. Für mich zählt nur, dass der Mann einfach göttlich spielt und ohne Zweifel mit seinem Haken aus Stahl das Instrument besser beherrscht, als so manch einer mit zwei gesunden Händen.
Der Auftritt der Peace Pirates ist bereits ein Highlight an diesem Abend. Ihre Musik ist der angesprochenen Epoche angepasst. Ein paar Coversongs bereichern ihr Programm und alles, was man dabei nicht mit den drei Gitarren zaubern kann, wird über einen Sprachcomputer eingespielt, der von Keith eingegroovt wird. Tolle Technik, deren Funktion mir zwar nicht ganz klar ist, aber sensationelle Effekte offenbart. Das Trio präsentiert sich ausgezeichnet und ist eine wunderbare Bereicherung der Musikszene, die man unbedingt im Auge behalten sollte. Wer auf sanften Rock mit schönen Gitarrensoli steht, der ist bei den Peace Pirates aus Liverpool, einer Stadt, die schon so manches Talent hervorgespült hat, vollkommen richtig.
Ich vermisse in der Umbaupause den Mechandise. Haben beide Bands nichts an den Mann oder Frau zu bringen? Ich hätte gerne ein Shirt mit dem Earthband-Logo, oder eine CD der 'Friedens Piraten'. Nichts dergleichen - wie schade! Dafür liegen überall kleine Zettel mit dem Bandmotiv von Manfred Mann. Mir entgeht dabei fast völlig, dass auf der Rückseite ein Hinweis gedruckt ist, auf dem zu lesen steht, dass heute ein neuer Song aufgenommen wird und sich das Publikum als Chor daran beteiligen soll. Wer singt und möchte, kann sich per Mail an Manfred wenden und sein Name wird im Booklet verewigt. Keine Frage, ich bin dabei.
Die Earthband betritt die Bühne und legt sofort mit "Spirits In The Night" los. Spartanische Ausstattung rahmt die Band ein und auch hier entfällt jeglicher Hinweis, wer überhaupt dort oben steht. Aber wer braucht das schon, wenn die Show mit diesem Klassiker beginnt. Der neue Mann am Mikrofon macht sich sehr gut und wechselt sich bei den folgenden Songs mit Mick Rogers ab. Rogers legt anscheinend großen Wert darauf, bestimmte Songs selbst zu singen, wie das grandiose "Father Of Day, Father Of Night", mein All Time Favorite der Earthband. Für mich und anscheinend viele Andere im Admiralspalast, mit Abstand der beste Song am heutigen Abend, der bis ins kleinste Detail perfekt und in einer gesunden Länge von fast zwanzig Minuten gespielt wird. Szenenapplaus während der Gitarrenpassagen ist Rogers gewiss. Der Kopf der Band hält sich auch hier, wie bei fast allen Songs, dezent im Hintergrund und man könnte meinen, er versteckt sich bewusst hinter seiner Tastengalerie. Zum Leidwesen all derer, die rechts vorne im Saal sitzen und ihn nur sehen können, wenn er mal mit einer weiß/schwarz gestreiften Keytar nach vorne tritt, wie beim Song "Captain Bobby Stout".
In einer kurzen Verschnaufpause kündigt Sänger Robert Hart an, dass nun die Aufnahme für den neuen Song gemacht wird. Wer allerdings hofft, dass nun das neue Stück gespielt wird, der hofft vergeblich. Das Publikum wird lediglich dazu aufgefordert, eine Textzeile des Chorus zu singen. Nach etwas zehn Wiederholungen sitzt es anscheinend endlich. Da kann man nur gespannt abwarten, was daraus produziert wird und wann es erscheint.
Als nach der Hälfte "Get It On" von T.Rex angekündigt wird, schießt mir zum ersten mal der Gedanke durch den Kopf, warum es ausgerechnet dieses Stück sein muss. Hat die Band nicht genug Eigenes im Repertoire? Bei näherem Betrachten kann man diese Frage nur mit einem klaren 'Nein' beantworten. Wer einen Blick auf die Hit-Historie der Earthband wirft und nach den Quellen forscht, wird feststellen, dass fast alles Coversongs sind, die aus den Federn von Künstlern wie Bruce Springsteen, Bob Dylan oder eben Mark Bolan und Mickey Finn, sprich T.Rex stammen. Wobei doch Manfred himself kein schlechter Komponist ist, sofern man sich viele seiner Pop-Klassiker der 60er Jahre zu Gehör führt.
Wie auch immer, die Hits der Earthband kommen einfach sehr gut rüber, sind der Truppe auf den Leib geschneidert und werden gegen Ende der Show auch verdient umjubelt. Zwar bleibt das Publikum sehr lange wie angewurzelt auf den Plätzen sitzen, als aber "Don't Kill It Carol" angesagt wird, springen die ersten endlich auf. "Blinded By The Light" und der unverzichtbare Gassenhauer "Davy's On The Road Again" schließen das Hauptprogramm ab, bevor nach kurzer Pause tief in der Oldie-Kiste gewühlt wird.
Manfred Mann beendet damit die Ära der Earthband und erinnert nun an seine 'Goldenen Tage'. "Shake, Rattle And Roll", "Do Wah Diddy Diddy" und der 'Mächtige Eskimo Quinn' geben den Fans den Rest. Eigentlich drei kurze Songs, die aber mal eben auf rund zwanzig Minuten ausgedehnt werden und bei denen jeder Musiker noch einmal die Gelegenheit bekommt, sich zu präsentieren.
Ich bin ebenfalls vollkommen zufrieden und kann mich nur für einen rundum gelungenen Abend bedanken. Vermutlich wird es wieder längere Zeit dauern, bis die Manfred Mann's Earthband in Berlin Station macht. Bis dahin zehre ich von den schönen Songs und der zwar schlichten, aber dennoch schönen Atmosphäre.
Vielen Dank an das Concertbuero-Zahlmann, Go-On-Promotion und Janine Worotnik für die Akkreditierung.
Line-up Peace Pirates:
Keith Xander (vocals, guitar)
Stuart Xander (guitar)
Mike Gray (vocals, guitar)
Line-up Manfred Mann's Earthband:
Robert Hart (vocals)
Mick Rogers (vocals, guitar)
Steve Kinch (bass)
Jimmy Copley (drums)
Manfred Mann (keyboards, vocals)
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