Marcus Hook Roll Band / Tales Of Old Grand-Daddy
Tales Of Old Grand-Daddy Spielzeit: 55:13
Medium: CD
Label: Warner Music, 2014
Stil: Blues, Blues Rock

Review vom 04.06.2014


Mike Kempf
JAAA, ich habe sie, die Neuerscheinung von Angus und Malcolm Young!! Doch bevor mein E-Mail-Postfach und das unseres Magazins vor lauter 'neidischen' Anfragen komplett zusammenbricht, kläre ich lieber gleich mal auf. In der Tat, die beiden weltbekannten Rockstars wirkten wirklich bei "Tales Of Old Grand-Daddy" mit, das von ihrem großen Bruder Georg Young und ihrem ehemaligen Produzenten in Sachen AC/DC, Harry Wanda, mit eingespielt wurde und damals auf den Namen Marcus Hook Roll Band hörte.
Und noch was: So neu ist "Tales Of Old Grand-Daddy" gar nicht, denn die Aufnahmen entstanden während der Monate Juli und August 1973, kurz vor der Gründung von AC/DC. Der Jim Beam Old Grand-Dad Bourbon Whiskey war während dieser Zeit deren ständiger Begleiter und wird schließlich der Ideengeber zum Titel des Albums. Georg Young erinnerte sich einmal: »Wir waren zu viert: Harry, ich und meine beiden jüngeren Brüder Malcolm und Angus. Wir sind alle komplett abgestürzt - außer Angus, der zu jung war - wir hingen einen Monat lang im Studio ab und gaben uns jeden Abend die Kante. Das war das Erste, was Malcolm und Angus taten, bevor sie AC/DC auf die Beine stellten. Wir hatten das alles nicht sonderlich ernst genommen, also kamen wir auf die Idee, ihnen eine Vorstellung davon zu geben, worum es bei Studioarbeit eigentlich ging«. Tontechniker war damals Richard Lush und auch er hat eine Anekdote parat: »Die Sessions waren ein Riesenspaß, angefeuert mit massenweise Old Grand-Dad Bourbon. Nur Angus Young trank Milch. Angus und sein Bruder Malcolm spielten genauso gut Gitarre wie Harry«. Ich, als AC/DC-Liebhaber der ersten Stunde, frage mich: Was würde heute eine Whiskeyflasche von damals wert sein, an der Malcolm fleißig nuckelte und sich ersten eigenen Lebertests unterzog?
Letztlich blieben fünfzehn Songs von der Band, die nur die Zeit von 1972 bis 1974 überlebte, der Nachwelt hinterlassen, soll heißen: Das komplett 1973 erschienene Album plus die unveröffentlichten Songs "One Of These Days" und "Ride Baby Ride" sowie die drei Single-B-Seiten "Natural Man" (1972), "Moonshine Blues" (1974) und "Louisiana Lady (1973)". Erst die Aufnahme-Notizen, die kürzlich im Abbey Road Studio ausgegraben wurden, offenbaren, dass Malcolm Young auf vielen der Tracks Rhythmusgitarre und Soli einspielte. Offenbar hatte der Kentucky-Bourbon die Erinnerungsfähigkeit aller Beteiligten etwas beeinträchtigt. So gibt es zum Beispiel eine absolut großartig gespielte Slide-Gitarre auf dem Album, bei der sich keiner daran erinnern kann, wer sie eingespielt hat. Selbst an das von dem damals knapp 17-jährigen Angus eingespielte Solo kann sich keiner von denen, die damals dabei waren, erinnern, bei welchem Lied er diesen Arbeitsnachweis beitrug. Es wird gemunkelt, das "Cry For Me" am wahrscheinlichsten ist, bei dem Angus an den Saiten agierte.
Auch wenn es hin und wieder ein an AC/DC erinnerndes Riff zu entdecken gibt, ist die Marcus Hook Roll Band allein schon vom Stil her, von der wohl bekanntesten australischen Rockband so weit entfernt, wie ich in der Lage bin, Jimi Hendrix nachzuspielen. Okay, der Vergleich ist etwas überzogen, aber allein die Tatsache, dass mit Howie Casey und Alex Young zwei Saxofonisten ihr Bestes in ihre Instrumente blasen, nebenbei auch noch reichlich Pianoklänge zu hören sind, unterscheidet beide Bands schon mal erheblich voneinander und ich bezweifle stark, dass, wenn die bekanntesten Youngs sich nicht alsbald entschlossen hätten, eine 'anständige' Rockkapelle zu gründen, heute irgendwer von Malcolm, Angus und Co. sprechen würde.
Trotzdem, wenn ich berücksichtige, zu welchem Zeitpunkt die Platte erstmalig veröffentlicht wurde, war sie gar nicht so übel. Harry Wanda und Georg Young beweisen sich recht ordentlich am Gesangsmikro. Der reichlich vorhandene Background ("Quick Reaction") verleiht dem Tonträger viel Boogie-Flair. Ansonsten gibt's reichlich Blues der 70er auf die Lauscher, dazu etwas Pop, Jazz und jede Menge Rock'n'Roll.
Rein verkaufsstrategisch kann es mit der Erwähnung der AC/DC-Youngs im Line-up gut aufgehen. Sollte auch nur jeder fünfte Fan von ihnen sich die Scheibe zulegen, von der 'Band, die nicht AC/DC' war, dann wird die Kasse üppig gefüllt werden. Ansonsten ist es ein respektables Album, das sich auf eine interessante Zeitreise begibt und mindestens ein Reinhören verdient hat.
Line-up:
Harry Wanda (lead vocals - # 1-4,7,10,13,14)
Georg Young (backing vocals, lead vocals, rhythm guitar, piano, bass - # 5,6,8,9,11,12,15)
Malcolm Young (guitar)
Angus Young (guitar)
John Proud (drums)
Alex Young (saxophone)
Howie Casey (saxophone)
Ian Campbell (bass)
Freddie Smith (drums)
Wally Walter (electric piano, bass, backing vocals)
Tracklist
01:Can't Stand The Heat (3:13)
02:Goodbye Jane (3:36)
03:Quick Reaction (3:05)
04:Silver Shoes & Strawberry Wine (5:50)
05:Watch Her Do It Now (3:42)
06:People And The Power (4:54)
07:Red Revolution (3:12)
08:Shot In The Head (3:28)
09:Ape Man (2:53)
10:Cry For Me (3:57)
11:One Of These Days (4:40)
12:Natrual Man (3:50)
13:Moonshine Blues (3:16)
14:Lousiana Lady (3:06)
15:Ride Baby Ride (3:08)
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