Dieser Torpedo ist nicht mit einem Annäherungszünder ausgerüstet, sondern mit einem Aufschlagszünder. Wenn er dann ins Ziel trifft, ist die Wirkung gewaltig. Nur ein Torpedo? Nein, diese Scheibe ist das Äquivalent eines ganzen Fächers. Matt Mays + El Torpedo greifen mit einer verdammt guten Produktion in den Handelskrieg ein.
Sie trauen sich die 'Schrengelakkorde' schön ausklingen zu lassen. Wenn sie dies zur Perfektion bringen, werden viele Hörer sofort an Neil Young + Crazy Horse, insbesondere zu "Ragged Glory" - Zeiten denken. Aber ohne die obligatorisch depressiven Verstimmungen zu entwickeln, die bei Young-Scheiben so oft an der Tagesordnung sind. Wenn Matt Mays + El Torpedo die Rhythmusgitarren einmal im sanften Stakkato ackern lassen und dazu multivocal ihre Geschichten erzählen, drängt sich der Vergleich zu Tom Petty and The Heartbreakers
förmlich auf. Aber ohne, dass man befürchten muss, einer der gefährlichen Jeff Lynne-Sound-Paralysen zu erliegen.
Das Songwriting ist zwingend und professionell, aber vor allem packend, aufwühlend und ach - herrlich. Es transportiert die Emotionen. Es wühlt sich direkt in die Seele. Matt Mays + El Torpedo haben auch ein wenig Drive-by Truckers intus, aber ohne deren Tendenz, den Hörer mit 'Beinahe-Kaputt-Soli' zu erschrecken. Matt Mays + El Torpedo spielen auf dem Niveau eines sehnlichst herbei geflehten Drive-by Truckers Line-Ups, welches nur aus Jason Isbells besteht.
Exemplarisch wollen wir drei Songs herausstellen.
Ein wirklicher Hit ist "Cocain Cowgirl". Das Stück hat es, das Stück kann es, das Stück ist es. Der Grundriff ist so stringierend wie die Tentakel eines Kraken. Die Gesangslinie und der Refrain bringen den Americana-Sound auf den Punkt. Wie schrieb eine Teilnehmerin im Chat doch gleich: "Das Lied heute zum ersten Mal gehört und direkt darin verliebt."
"Cocain Cowgirl" ist ein heißer Anwärter auf den 'Song des Jahres'. Es wird viel passieren müssen, um gerade diesem Stück den Titel noch streitig zu machen.
"The Plain" wartet mit ähnlichen Qualitäten auf. Diesmal werden die Vocals durch Kate Makis tolle Stimme verfeinert. Der Refrain geht durch und durch. Im Hintergrund des Arrangements sorgt die Orgel für wohlige Stimmung.
"The Plain" ist ebenfalls ein potentieller Anwärter auf den 'Song des Jahres'. Es wird viel passieren müssen, um auch diesem Stück den Titel letztendlich zu verwehren.
Etwas rustikaler geht es bei "Move Your Mind" zu. Die Rhythmik dampft schwer und träge durch die Landschaft. Verspielt greift die Orgel in das Geschehen ein. Der Song ist staubiger und trockener als die beiden vorher erwähnten, aber er ist ebenfalls ein ernst zu nehmender Kandidat für das 'Lied des Jahres'. Es wird viel passieren müssen, um "Move Your Mind" die Auszeichnung streitig machen zu können.
Dem Album ist ein Fotobogen beigefügt, auf dessen Rückseite die beeindruckende Gitarrensammlung der Band abgelichtet ist. Wie es sich für Kanadier gehört, geschieht dies unter dem Gemälde eines wilden Tieres - in diesem speziellen Fall eines Seeadlers. Rau, wild, unbändig, aber hoffentlich noch uninfluenziert!
Matt Mays + El Torpedo kratzen an der Höchstnote, erreichen sie allerdings nicht ganz. Aber 9 RockTimes-Uhren werden schließlich auch nicht so oft vergeben.
So, jetzt freue ich mich auf die Zeiten, in denen ich endlich mit 60 Km/h und herunter gekurbelter Fensterscheibe über die Landstraßen der niederrheinischen Tiefebene cruisen und zu dieser CD eins mit dem Universum sein kann. Ja, heruntergekurbelter Fensterscheibe, denn RockTimes-Leute können sich bekanntlich keine Cabrios leisten.
Spielzeit: 63:53 Min, Medium: CD, Inkubator, 2006
1:Stand Down at Sundown 2:Travellin' 3:Cocaine Cowgirl 4:Plan 5:Ain't So Heavy 6:St. George's Lane 7:Move Your Mind 8;What Are We Gonna Do Come the Month of September? 9:Good People 10:Lost Souls 11:It Don't Matter 12:On the Hood 13:Time of Your Life 14:Wicked Come Winter
Olli "Wahn" Wirtz, 23.02.2006
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