Meat Loaf / Dead Ringer For Love
Dead Ringer For Love Medium: Videoclip
Label: Sony Music, 1981
Stil: Rock


Review vom 29.12.2011


Jürgen Hauß
Wir schreiben das Jahr 1981: Der Musiksender MTV geht - zunächst in den USA - auf Sendung, und Musik ist nicht mehr nur etwas für die Ohren, sondern auch für die Augen. Die Kultur der Video-Clips entsteht: Keine Aufnahmen von Live-Auftritten der Musiker, sondern kleine Filme, die die Story eines Liedes erzählen. Auch in Deutschland wird diesem Phänomen - lange vor YouTube und ähnlichen Video-Portalen im Internet - gehuldigt. Wenn auch erst ab dem Jahr 1983, so bot immerhin bis zum Jahr 1990 die ARD mit der Sendung "Formel Eins" eine Plattform, in der seinerzeit entstehenden Fernsehlandschaft, in denen aktuelle Musikvideos ausgestrahlt und damit einem breiten Publikum zugänglich wurden.
Wir schreiben das Jahr 1981: Meat Loaf hat soeben - und endlich - als Nachfolger seines legendären Klassikers "Bat Out Of Hell" aus dem Jahr 1977 das Album "Dead Ringer" veröffentlicht. Nach einer Stimmbanderkrankung als Folge zu großer Anstrengungen während des Tour-Programms nach "Bat Out Of Hell" beinhaltete das Album allerdings in erster Linie eine Art Resteverwertung, nachdem sein kongenialer Partner und Komponist Jim Steinman zuvor fertige Songs unter dem Albumtitel "Bad For Good" selbst eingespielt hatte. Um es vorweg zu nehmen: Das Album - jedenfalls verglichen mit seinem Vorgänger - 'floppte'; die Verkaufszahlen erreichten nur einen Bruchteil des Erstlings und damit bei weitem nicht die Erwartungen, die daran geknüpft waren (nachfolgende Alben waren noch weniger erfolgreich!). Dennoch: Das Album enthält einen Song - im Prinzip, da etwas länger betitelt: den Titelsong - der einer besonderen Beachtung wert ist.
Wir schreiben das Jahr 1981: (Traum-)Frauen sehen so aus wie Farrah Fawcett-Majors: Vokuhila-Frisur (für die Jüngeren unter den Lesern: Vorne kurz, hinten lang), oder aber - noch besser - 'Löwenmähne'. Männer sehen aus wie Männer halt aussehen. Die Story des Songs "Dead Ringer For Love": 'Mann' betritt mit seinen Kumpels grölend seine Stammkneipe und sieht dort 'Sie' und ist sofort 'hin und weg'. 'Sie' ist dort mit ihrer Clique und findet offensichtlich ihrerseits Gefallen an 'Mann' - wobei singend erklärt wird, dass sich beide dort schon öfter gesehen haben. Aber nun ist der Punkt erreicht, an dem beide erkennen, dass das Leben nicht nur aus »Rock'n'Roll und Bier « besteht (so der vielfach wiederholte Refrain), wenn man jemanden trifft, der genau so aussieht, dass man ihn lieben könnte (dies ist auch die Bedeutung des Song-Titels; seinerzeit - des Englischen nicht ausreichend mächtig - habe ich lange über die Übersetzung/Bedeutung des Song-Titels gerätselt).
Doch das Verständnis von 'Liebe' ist vorliegend offenbar stark divergierend. Während 'Er' möglicherweise von echter Liebe redet, hat 'Sie' offenbar mehr Interesse an lediglich Sex aus Rache an ihrem Vater, der nie mitbekommen habe, wo sie sich überhaupt aufhalte. 'Sie' möchte ihrem Vater auf diesem Wege mitteilen, dass sie 'in der Schlacht gefallen' sei (»I'll be missing in action«). Jedenfalls hält 'Sie' 'Ihn' im Grunde genommen für einen Schwachkopf (»You got the kind of mind that does less than think «, während 'Er' 'Ihre' optischen Qualitäten beschreibt. Dennoch kommt es, wie es offenbar kommen muss: die beiden verlassen die Kneipe Arm in Arm (»Zu Dir oder zu mir?«), während seine Kumpels und ihre Clique ebenfalls zueinander finden.
Die seinerzeit erschienene LP enthielt - wie später auch die CD im Booklet - die Songtexte, ohne bei diesem Titel direkt darauf hinzuweisen, wer denn 'Sie' gesungen hatte. Lediglich in den allgemeinen Credits war vermerkt, dass die weibliche Hauptstimme bei "Dead Ringer For Love" von niemand anderem als Cher gesungen wurde; bei genauerem Hinhören war das allerdings auch akustisch eindeutig zu vernehmen. Inwieweit die damals 35-jährige Sängerin bereits die später nicht mehr zu leugnenden Schönheitsoperationen über sich hatte ergehen lassen, entzieht sich meiner Kenntnis. Im Video sieht sie einfach klasse aus: hohe Wangenknochen und dazu dieser Blick und ihre Bewegungen - ich kann durchaus nachvollziehen, dass Meat Loaf auf 'Sie' abfährt.
Okay, das Video bedient - wie der Song schließlich allein von seinem Inhalt - sämtliche Klischees, die das Verhältnis von Mann und Frau beschreiben; aber das wirklich gut und überzeugend! Hier der etwas bullige 'Mann', der 'Sie' plump anbaggert. Dort die atemberaubende Schönheit 'Frau', die scheinbar auf 'Ihn' abfährt. Zum Schluss ist 'Mann' wie immer erfolgreich! Zu diesem Schluss kann jedenfalls derjenige kommen, der das Video nur oberflächlich betrachtet und nicht genau den Inhalt des Liedes kennt. Aber schließlich war das ja zu jener Zeit schlechthin das Thema von Meat Loaf , wie u. a. die zahlreichen, machohaft gestalteten Album-Cover eindeutig belegen.
Tatsächlich aber wird 'uns Männern' wieder einmal vor Augen geführt, dass in diesen Dingen nicht wir das Zepter in der Hand halten, sondern 'Sie'! Dennoch - oder vielleicht auch gerade deshalb - schaue ich mir das Video immer wieder gerne an: Tolle Musik, überzeugende Schauspieler, und - wenn man bedenkt, dass die Kultur der Video-Clips seinerzeit noch in den Kinderschuhen steckte - gelungene Umsetzung des Themas.

Wer sich für das Video interessiert: es ist heute in einer 'Special Edition' des Albums "Bat Out Of Hell", DES Meat Loaf -Albums schlechthin, problemlos erhältlich; zudem ist es natürlich auch auf den einschlägigen Video-Plattformen zu finden.
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