Medea / Room XVII
Room XVII
Bislang wurde man nur in der griechischen Mythologie fündig, wenn man nach 'Medea' suchte - sie half Jason bei der Gewinnung des Goldenen Vlieses und heiratete ihn. Als er sie verstieß, tötete sie ihre beiden Kinder und seine geliebte Glauke. …Ein tieferer Einblick in die Materie geht allerdings über meine Pflichten als Reviewer hinaus.
Stattdessen soll es um das Projekt des Casual Silence-Keyboarders Henry Meeuws gehen, der nun sein zweites Produkt veröffentlicht: "Room XVII". Eine Rockoper, ein Konzeptalbum also, für das Meeuws die Unterstützung von Rob Laarhoven (ebenfalls Casual Silence), Joss Mennen (Mennen, Edwin Balogh (Ayreon, Supersonic), Robbie van Stiphout (Day Six), Sandra Peters (V-Male) und Fon Janssen (Mennen, Project Fear) gewinnen konnte; zudem hat auch, der Vollständigkeit halber, der Männerchor Lambardi seinen Beitrag geleistet.
Das Projekt eines Keyboarders also - aus der Erfahrung wissen wir, dass es ein übler Griff ins Klo werden kann, wenn besonders Keyboarder sich zum Mastermind aufschwingen wollen und Bands unter ihrer Leitung ins Leben rufen. Diese Befürchtung bestätigt sich zumindest bis zum ersten Blick aufs Cover, in das die wohl obligatorische Keyboard-Tastatur eingebaut wurde. Furchtbare Erinnerungen an gnadenlos selbstüberschätzende Klimperfeste à la Richard Andersson werden wach.
Alle Ängste sollen jedoch umsonst gewesen sein, denn das Album entpuppt sich als bärenstark.
Zwar spielt das Keyboard eine große Rolle, jedoch ist es sehr gut in die große musikalische Landschaft, die dieses Album aufbaut, eingebunden und hat eine ergänzende und unterstützende Funktion - den Songs zum Guten gereichend und angenehm, ohne sich zu auffallend in den Vordergrund zu spielen. Eher sind es beinahe zu viele Gitarrensoli; aber das ist wohl Geschmackssache, denn sie sind absolut stimmig und trotz allem nie wirklich fehl am Platz.
Dieses Album ist eine stets überraschende Verknüpfung von verschiedenen Stilen, Klangfarben und Stimmungen, komplett ohne Scheu vor Experimenten. Härter rockende, aber nie standardisierte Parts sowie fast fröhliche, verspielte, aber nie frickelige Passagen geben sich die Klinke in die Hand und schaffen es trotzdem, "Room XVII" zu einem kohärenten, logischen Ganzen gerinnen zu lassen. Die Tatsache, dass mehrere Sänger ihren Auftritt feiern, lässt einen kurz an Ayreon denken; jedoch erinnert das Konzept von Medea, wenn überhaupt an irgendwen, am ehesten an die ersten beiden Alben von Erik Ravns Wuthering Heights - auch wegen Medeas einzigem Kritikpunkt: Technik und Gesangsmelodien besonders des Hauptsängers wirken teilweise etwas ungeschlacht. Ganz selten zwar nur sagt einem ab und zu das eigene Gefühl, dass der Gesang das Einzige ist, was in manche Songpassagen nicht reinpasst. Mit zunehmender Spieldauer verliert sich dieses Gefühl jedoch und man muss den Sängern eher großen Respekt zollen ob ihrer Fähigkeit, in jeder diese zahlreichen Kompositionen eine harmonisierende Gesangslinie zu entwerfen.
Das Werk bewahrt sich trotz düsterer und schwerer Passagen meist einen leichten und luftigen Charakter - eine fast unglaubliche Leistung angesichts des recht komplizierten Songwritings, das natürlich auch seine Zeit braucht. …Noch so ein Album, und das 'Projekt Mastermind' ist geglückt, Herr Meeuws!


Spielzeit: 61:45 Min, Medium: CD, Snakebite Record, 2006
1:Room XVII (8:28) 2:Farewell? (4:28) 3:Endless Knot (5:02) 4:Maiden Journey (5:42) 5:My Dual Mind (8:37) 6:Dance Of The Deals (3:33) 7:Graveyard Island (8:45) 8:State Of Suspense (6:20) 9:Chaos Solution (10:46)
Christoph Segebard, 30.12..2005