Mental Circus / Same
Same Spielzeit: 29:09
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2013
Stil: Gothic Metal

Review vom 15.09.2013


Jochen v. Arnim
Vor ein paar Monaten machte die Einladung zu einer Try Out-Show von Mental Circus die Runde, bei der ein paar mir bekannte Namen (Yorgo Tsiafakis und Philip Weinhold von Keyrah) für ein neues Projekt auf die Bühne steigen wollten. Der kurze Gig dauerte dann gefühlt vielleicht zwanzig Minuten oder weniger, aber die Zeit reichte vollkommen aus, um mein Interesse an dieser Band mit einer gewissen Nachhaltigkeit zu bestücken. Im anschließenden Gespräch mit der Band stellte sich dann heraus, dass im Grunde die gesamte Band, die Musik, die Kompositionen und Arrangements die Abschlussarbeit für die Hochschule der jungen Frontfrau Sanne Marico sein würden. In einer später folgenden Release Show sollte dann eine fertige CD der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Neben den eben genannten Komponenten von Sannes Arbeit sollten für die Show dann noch die komplette Choreo sowie Kostümierung einer Artistentruppe hinzukommen.
Keine Frage, dass ich mir die Release Show nicht entgehen lassen wollte und trotz zeitlicher Enge meines persönlichen Terminkalenders schaffte ich es irgendwie, die einstündige Fahrt plus Konzert in jenen Samstagnachmittag zu quetschen. Ich wurde nicht enttäuscht und machte mich anschließend mit der neuen CD im Player auf den Weg zum nächsten Termin.
Wenngleich man das ja eigentlich nicht machen sollte, genehmigte ich mir direkt schon während der Fahrt ein paar intensive Seitenblicke auf das Booklet, das genauso perfekt durchgestylt erscheint, wie die zuvor erlebte Show - da hat jemand richtig Herzblut und Ideen investiert! Die Liner Notes weisen alle Texte der Sängerin zu, während sie bei den Arrangements Unterstützung von den beiden bereits genannten Keyrah-Musikern sowie dem Bassisten Nick Kucnerovicz bekommen hat. Drummer Philip Weinhold zeichnet zudem für die Abmischung und das Mastern verantwortlich, was in seinem eigenen Unbalanced Studio geschehen ist.
Gothic Metal heißt die Stilrichtung und nicht selten schalte ich bei dem derzeit weit verbreiteten Einheitskram gerne nach spätestens 45 Minuten in den Ausblend-Modus, sodass die gute halbe Stunde von "Mental Circus" schon mal hervorragend in mein Beuteschema passt. Neun Stücke stehen auf der Tracklist, wobei der Titel von Nr. 1 irgendwas auf Griechisch ist (hätte ich mal den Gitarristen gefragt…) und mit bombastischen Tönen versehen, als Intro lediglich die Ankündigung der Show darstellt.
»Ladies and gentlemen, creatures of the night…«
Abrupter Break, schneller Gitarrenlauf und schon werden wir in "Lethal Empathy" geschleudert. Hier bekommen wir erstmalig eine Ahnung von den durchaus komplexen Songs der Scheibe, die eine enge Auseinandersetzung mit der Materie erfordert haben müssen. Es dominieren zwar Gitarre und Schlagzeug im oberen Tempobereich, aber auch die weiteren Instrumente sorgen an den richtigen Stellen für intensive Akzente. Die Band fühlt sich nach eigenen Angaben von bekannten zeitgenössischen Kollegen wie Evanescence, Dream Theater oder Symphony X, Evergrey und Marilyn Manson beeinflusst, dennoch schaffen es auch Klassiker wie Beethoven auf die Referenzliste - und natürlich kann der aufmerksame Hörer Anlehnungen erkennen.
"Pierrot" gibt uns direkt darauf eine Kontrastnummer: Gesang, Piano und vielleicht noch einen Hauch von Cello, ruhig und nachdenklich, ein bisschen traurig - der Freund und Lover ist nicht mehr da - kein weiterer Schnickschnack.
Danach geht es dann bei "More To You" mit einem satten Riffing in hohem Tempo wieder kernig zur Sache, unterbrochen von einem verhaltenen, fast schon theatralisch verzweifelten Einschub.
Einen Song weiter stößt Rosario Ieracitano, Sänger der oben genannten Band Keyrah hinzu und akzentuiert "Triggers And Cues" mit Einflechtungen seiner unglaublichen Metalcore-Stimme. Dieses geschieht im Wechsel mit Soprangesang und Cello-Einlagen und macht eine interessante Komposition aus diesem Track.
Etwas verrückt wird es dann bei "Counting Heads", wo der Gesang, in moderatem Tempo, von mehreren Breaks abgelöst wird, bei denen man wild und manisch in die Tasten haut. Tiefgründige Texte sorgen neben dem akustischen Aspekt zudem für einen intellektuellen Anstrich.
Dank der Kontakte der Jungs von Keyrah zu den Skandinaviern von Evergrey singt deren Frontmann Tom Englund bei "Shards Of You" mit Sanne im Duett, ein satter Rocker ganz im Stile der Schweden.
"Remember Me" wartet mit einem Hauch von orientalischem Touch auf (oder vielleicht höre auch nur ich das raus), wechselt zwischen getragen gehauchtem Gesang und knackigen Riffs, dazwischen klimpert immer wieder ein Piano einzelne Noten, Melodieführung und Refrain sind extrem eingängig.
Mit dem Bonustrack "Into The Depths Of Night", einem powervollen, dröhnenden Rausschmeißer, über dem die helle und kraftvoll dynamische Stimme der Frontfrau lagert: »I wanna hear you scream!«
Gothic Metal? Ja, schon, aber da steckt viel mehr drin und das öffnet die Musik für ein weitaus breiteres Publikum. Durch die vielen interessanten und abwechslungsreichen Einsprengsel weicht diese Scheibe doch stark von diesem typischen unablässigen Sopran-Geträller ab - sehr erfrischend. Die stetig wachsende Zahl der Fans gibt dieser Band recht: Aus der Abschlussarbeit ist ein dauerhaftes Gefüge geworden, das mittlerweile einen Booking-Vertrag unterschrieben und einen Sponsor für die Bühnenkleidung gefunden hat.
Und schaut Euch mal eine Show an, das ist nicht nur Musik, das ist auch was fürs Auge: Artisten, Clowns und Freaks - unterhaltsam, bizarr, verrückt - ein Mental Circus eben. Proficiat!!
Line-up:
Sanne Marico (vocals)
Yorgo Tsiafakis (guitar)
Nick Kucnerovicz (bass)
Philip Weinhold (drums)
Emily Vannes (backings)
Nelle Boogaerts (cello)

guest appearance:
Rosario Ieracitano (vocals, #5)
Tom S. Englund (vocals, #7)
Tracklist
01:Ψνχκο Τσιρκο
02:Lethal Empathy
03:Pierrot
04:More To You
05:Triggers And Cues
06:Counting Heads
07:Shards Of You
08:Remember Me
09:Into The Depths Of Night (bonus)
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