Messiah - Extreme Cold Weather
Extreme Cold Weather Spielzeit: ca. 51 Minuten
Medium: LP
Label: Chainsaw Murder, 1987
Stil: Thrash/Death Metal


Review vom 04.12.2011

    
Andrea Groh
Zu den interessantesten und originellsten Bands der 80er Jahre gehörten meiner Meinung nach Messiah aus der Schweiz, die sich nach dem gleichnamigen Song ihrer Landsmänner Hellhammer benannt hatten, was dann schon mal einen Hinweis auf die musikalische Ausrichtung gibt. Meine erste Begegnung mit der ungewöhnlichen Truppe war ein Interview in einem Fanzine, bei dem sie viele Metal-Klischees als 'relativ' einstuften und auch sonst clevere Antworten gaben. Damals (1985) befanden sie sich noch im Demo-Stadium ("Powertrash" und "Infernal Thrashing").
1986 erschien die Debüt-LP "Hymn To Abramelin". (Abramelin = legendärer Magier aus dem 15. Jahrhundert, dessen Lehren und Bücher einigen Einfluss hatten).
Diese wurde damals als Thrash Metal eingestuft, weil es noch nicht so viele Schubladen wie heute gab. Tatsächlich waren Elemente aus Death-, Black-, Doom- und Thrash Metal darauf vorhanden, in einer faszinierenden und beeindruckenden Mischung. Das selbst gesetzte Ziel, Extrem-Metal zu machen, wurde definitiv erreicht, womit sie leider für die meisten Hörer damals zu heftig vorgingen und eher bei wenigen als Kult (hier passt das oft überstrapazierte Wörtchen wirklich mal) galten bzw. immer noch gelten. Ich gehör(t)e zu letzterer Gruppe und war hin- und weg von der Scheibe, zähle sie bis heute zu meinen Favoriten der 80er.
Höchst originell waren die 'wise words': Gesprochene Zitate berühmter Persönlichkeiten zwischen den einzelnen Songs, was wiederum den Eindruck bestätigte, den ich bereits im Interview gewonnen hatte.
Warum ich nicht diese, sondern den Nachfolger "Extreme Cold Weather" hier vorstelle? Ganz einfach: Dieser bewies, es geht noch abgefahrener und außergewöhnlicher, das Cover ist schön winterlich und ich kann eine Anekdote erzählen:
Eines Abends in einer Metaldisco lief ein ungewöhnlicher Song. Musikalisch und textlich, beschwerte sich doch da jemand, dass bei extrem kaltem Wetter zur Schule gehen falscher Heldenmut wäre und er am liebstem immer Sommer hätte, wenn er Gott wäre.
Danach wurde es tatsächlich noch obskurer: Eine gesprochene Sequenz, die an Jahrmarktwerber erinnert, nur dass nicht aufgefordert wurde zur Kirmes zu kommen, sondern auf Thrash-Konzerten nicht zu viel zu trinken und sich dann zu prügeln. Dies war die Einleitung zu "Enjoy Yourself" mit der inhaltlichen Aussage: »Enjoy yourself, non-violent moshing instead of fighting.«. Das war mal was anderes als Thrash-Bands wie Exodus, die noch die Fans aufstachelten, damit es mehr Randale gibt.
Zudem musikalisch klasse, also habe ich den DJ gefragt, von wem denn diese beiden Hammer-Tracks waren. Er zeigte mir das Cover, welches eines der coolsten Motive aller Zeiten zeigt: einen Eisbären. Kein Monster, Teufel, Drache oder andere Metal-Klischees - was damals total aus dem Rahmen fiel und von vielen kritisiert wurde, so dürfte doch kein Cover aussehen. Ich fand es gerade gut, weil es anders war.
Außerdem habe ich mich total gefreut, dass es eine zweite Messiah gibt und die musste natürlich gekauft werden.
Es stellte sich eine leichte Enttäuschung ein: Die beiden besten Songs hatte ich vorab schon gehört, der Rest der ersten Seite konnte da nicht mithalten, obwohl diese auch wieder typisch Messiah war. Musikalisch etwas lärmiger, ansonsten die Linie weiterführend, auch inhaltlich. Beispielsweise "Johannes Paul Der Letzte (Dedicated In Hate To Pope John Paul II)" und "Mother Theresa (Dedicated In Love To Mother Theresa)". Während andere das Christentum komplett niedermachten, wurde hier unterschieden. Wieder ein Respekt-/Sympathie-Bonus-Punkt.
Die zweite Seite schließlich bestand aus Live-Mitschnitten, wobei die Ansagen (einmal mehr) für Grinsen bei mir sorgten und ich mich freute, dass auch "Space Invaders", eins der Highlights des Debüts dabei war. "The Dentist" leider nicht, aber man kann ja nicht alles haben.
Damit war "Extreme Cold Weather" leider nur eine halbe neue Platte, vielleicht aber gerade deswegen interessant und ungewöhnlich. Ich muss mich zurückhalten, um diese beiden Begriffe bei Messiah nicht zu inflationär zu verwenden, sie sind jedoch angebracht. Das war ihre Stärke, auch wenn sie musikalisch sicher nicht die Besten waren.
Nun stellte sich die Frage: (wie) lässt sich das noch steigern? Leider kam es nicht dazu, weil Tschösi die Band verließ um sich bei seinem, für diese Sparte wegweisendem, Grindcoreprojekt Fear Of God (nicht zu verwechseln mit den Amerikanern um Dawn Crosby) richtig auszutoben. Messiah machten nach einer Pause mit neuem Sänger Andy Kaina weiter. Die "Psychomorphia"-EP bestand zur Hälfte aus Keyboard-Spielereien, ansonsten bewegten sich die Folgeplatten vorwiegend im Death Metal. Nicht schlecht, aber das extreme und chaotische fehlte (mir). 1995 wurde die Band aufgelöst. Danach gab es lediglich vereinzelte Live-Auftritte, Mitschnitte davon, Compilations oder Wiederveröffentlichungen.
"Hymn To Abramelin" und "Extreme Cold Weather" sind einzigartige Tondokumente der morbiden Phase der Schweizer Szene und damit empfehlenswert für Neugierige oder für Celtic Frost-Fans, die bisher Messiah nicht kannten.
Beide Klassiker wurden mittlerweile auf CD veröffentlicht, wobei ich von der Nuclear Blast-Ausgabe mit gekürzten Versionen (es fehlen die Live-Tracks und die Ansagen) beider Werke auf einer CD absolut abrate. Leider ist selbst die Massacre-Einzel-CD der "Extreme Cold Weather" nicht ganz vollständig, sie enthält zwar zusätzlich Demo-Material, das Intro von "Enjoy Yourself" wurde jedoch weggelassen. Das gibt es nur auf der LP. Oder zum Reinlauschen bei YouTube nach der Fassung mit Intro suchen… zum Glück haben Fans das eingestellt, denn eine offizielle Präsenz im worldwideweb gibt es anscheinend nicht.
Line-up auf "Extreme Cold Weather":
R.'Brögi' Broggi (guitars, synthesizers)
R.'Jazzi' Heer (drums)
Reto'Tschösi' Kühne (vocals, bass)
Tracklist
Seite 1 (Studio)
01:Extreme Cold Weather
02:Enjoy Yourself
03:Johannes Paul Der Letzte (Dedicated In Hate To Pope John Paul II)
04:Mother Theresa (Dedicated In Love To Mother Theresa)
05:Hyper Borea
06:Radezky March (We Hate To Be In The Army Now)
07:Nero

Seite 2 (live)
08:Hymn To Abramelin
09:Messiah (New Version)
10:Space Invaders
11:Thrashing Madness
12:Golden Dawn
13:The Last Inferno
14:Resurrection
15:Olé Perversus
Externe Links: