Etwas, das längst überfällig war, hat nun Ex-
Genesis-Mitglied
Mike Rutherford in die Hand genommen. Er hat die erste offizielle Autobiografie über die Band, über seine Solokarriere und sein Leben verfasst. Mit "Rhythmen des Lebens", im Original "The Living Years", beschreibt er aber nicht nur seine Zeit bei
Genesis und die mit seinen
'Mechanikern', sondern erzählt auch sehr viel über seine Eltern und Großeltern, mit denen er viel zu wenig Zeit verbracht hat, da sie kaum zu Hause anzutreffen waren. Opa wie Vater waren hohe Offiziere bei der Marine, sind somit viele Monate im Jahr zur See gefahren und die Familie hat mehr im Ausland als im heimischen England gelebt.
Rutherford drückt bereits in der Einleitung seine tiefe Verbundenheit zu seinem Vater aus und widmet ihm im Verlauf des Buches immer wieder Episoden und das gesamte erste Kapitel. Auch das Titelbild ziert sein Konterfei, neben dem von
Rutherford. Deshalb ist rein optisch nicht darauf zu schließen, dass dieses Buch auch die
Genesis-Jahre beinhaltet.
Michael John Cloete Crawford Rutherford, so sein vollständiger Name, lässt in diesem Buch nichts aus. Er philosophiert ebenso über sein sinnloses Dasein im Internat, in das er sich von seinen Eltern abgeschoben fühlte, bis hin zu den kleinsten Details während seiner Zeit innerhalb von
Genesis. Natürlich lässt er sich auch darüber aus, wie ihm der Zugang zur Musik gelang, welche 'Helden' er Mitte der sechziger Jahre vergötterte und wie er begann, ihnen nachzueifern. Allen voran
Cliff Richard - ja, man glaubt es kaum, - aber dieser Mann hat es ihm besonders angetan.
Rutherford beschreibt seine Schulzeit und darin die ersten Begegnungen mit
Tony Banks und
Peter Gabriel und wie ihm beide zuerst sehr suspekt vorkamen. Bei ersten Konzertbesuchen, unter anderem im Marquee, lernt er Musiker kennen, die heute zu den größten Berühmtheiten der Szene zählen, damals aber selbst noch in den Kinderschuhen steckten und in Bands spielten, mit deren ursprünglichen Namen sie niemanden hinter dem Ofen vorgelockt hätten. Es braucht somit zweiundsechzig Seiten und drei Kapitel, bevor der Name
Genesis zu ersten Mal auftaucht. War das Buch bisher etwas holperig und mit großen Zeitsprüngen durchsetzt, somit nicht zwingend interessant, so ändert sich meine Aufmerksamkeit von einer Seite zur anderen. Endlich werden die Kapitel behandelt, die der Fan von
Rutherford und
Genesis lesen will - die, in der er beschreibt, wie alles mit dem ersten Song begann. Da er in den vorangegangenen Kapiteln ebenfalls sehr offen schreibt und Dinge anspricht, die normalerweise nicht jeden zu interessieren haben, da sehr persönlich, darf man als Leser davon ausgehen, dass die ganze Geschichte der Wahrheit entspricht.
Mike kommt glaubwürdig rüber, redet nichts schön, schweift nicht unnötig ab und hält sich meistens chronologisch an den Ablauf seines Lebens. In den Kapiteln über
Genesis wird die Entstehung jeder einzelnen LP angesprochen und recht ausführlich erklärt. Als es dann allerdings zum Ausstieg von
Peter Gabriel - der immer nur
Pete genannt wird - kommt, wird diese Phase mit recht wenigen Absätzen abgehandelt, ebenso wie der Ausstieg von
Steve Hackett. Eigentlich sollte man mehr darüber erfahren, weshalb diese bedeutenden Männer eher unverhofft die Band verließen. Hier hätte
Rutherford genügend Gelegenheit gehabt, um viele Vermutungen aufzuklären.
Diese Autobiografie ist ohne Zweifel gut und empfehlenswert. Für meine Begriffe widmet Mike Rutherford allerdings darin zu viel Zeit seinem Vater. Es ist die Zeit, die ihm als Kind verloren ging und die er nun damit aufholen und verarbeiten möchte - es sei ihm selbstverständlich gewährt. Für Leser, die sein Leben nur mit der Zeit als Musiker assoziieren, könnten einige Passagen langweilig wirken, da sie viele Themen betrachten, die familienintern sind. Musikfans werden sich dafür über die sehr detaillierten Ausführungen über Genesis freuen und diese Kapitel regelrecht verschlingen. Zum Glück ist die Geschichte noch nicht zu Ende und vielleicht gibt es in einigen Jahren einen ebenso kompetenten Nachschlag oder eine andere Sichtweise eines anderen Bandmitglieds.