Mike Rutherford / Rhythmen des Lebens
Rhythmen des Lebens Medium: Buch
Ausführung: Hardcover, 235 Seiten
Verlag: Hannibal Verlag, 2014
ISBN: 978-3-85445-457-1

Review vom 08.08.2014


Holger Ott
Etwas, das längst überfällig war, hat nun Ex-Genesis-Mitglied Mike Rutherford in die Hand genommen. Er hat die erste offizielle Autobiografie über die Band, über seine Solokarriere und sein Leben verfasst. Mit "Rhythmen des Lebens", im Original "The Living Years", beschreibt er aber nicht nur seine Zeit bei Genesis und die mit seinen 'Mechanikern', sondern erzählt auch sehr viel über seine Eltern und Großeltern, mit denen er viel zu wenig Zeit verbracht hat, da sie kaum zu Hause anzutreffen waren. Opa wie Vater waren hohe Offiziere bei der Marine, sind somit viele Monate im Jahr zur See gefahren und die Familie hat mehr im Ausland als im heimischen England gelebt. Rutherford drückt bereits in der Einleitung seine tiefe Verbundenheit zu seinem Vater aus und widmet ihm im Verlauf des Buches immer wieder Episoden und das gesamte erste Kapitel. Auch das Titelbild ziert sein Konterfei, neben dem von Rutherford. Deshalb ist rein optisch nicht darauf zu schließen, dass dieses Buch auch die Genesis-Jahre beinhaltet.
Michael John Cloete Crawford Rutherford, so sein vollständiger Name, lässt in diesem Buch nichts aus. Er philosophiert ebenso über sein sinnloses Dasein im Internat, in das er sich von seinen Eltern abgeschoben fühlte, bis hin zu den kleinsten Details während seiner Zeit innerhalb von Genesis. Natürlich lässt er sich auch darüber aus, wie ihm der Zugang zur Musik gelang, welche 'Helden' er Mitte der sechziger Jahre vergötterte und wie er begann, ihnen nachzueifern. Allen voran
Cliff Richard - ja, man glaubt es kaum, - aber dieser Mann hat es ihm besonders angetan.
Rutherford beschreibt seine Schulzeit und darin die ersten Begegnungen mit Tony Banks und Peter Gabriel und wie ihm beide zuerst sehr suspekt vorkamen. Bei ersten Konzertbesuchen, unter anderem im Marquee, lernt er Musiker kennen, die heute zu den größten Berühmtheiten der Szene zählen, damals aber selbst noch in den Kinderschuhen steckten und in Bands spielten, mit deren ursprünglichen Namen sie niemanden hinter dem Ofen vorgelockt hätten. Es braucht somit zweiundsechzig Seiten und drei Kapitel, bevor der Name Genesis zu ersten Mal auftaucht. War das Buch bisher etwas holperig und mit großen Zeitsprüngen durchsetzt, somit nicht zwingend interessant, so ändert sich meine Aufmerksamkeit von einer Seite zur anderen. Endlich werden die Kapitel behandelt, die der Fan von Rutherford und Genesis lesen will - die, in der er beschreibt, wie alles mit dem ersten Song begann. Da er in den vorangegangenen Kapiteln ebenfalls sehr offen schreibt und Dinge anspricht, die normalerweise nicht jeden zu interessieren haben, da sehr persönlich, darf man als Leser davon ausgehen, dass die ganze Geschichte der Wahrheit entspricht. Mike kommt glaubwürdig rüber, redet nichts schön, schweift nicht unnötig ab und hält sich meistens chronologisch an den Ablauf seines Lebens. In den Kapiteln über Genesis wird die Entstehung jeder einzelnen LP angesprochen und recht ausführlich erklärt. Als es dann allerdings zum Ausstieg von Peter Gabriel - der immer nur Pete genannt wird - kommt, wird diese Phase mit recht wenigen Absätzen abgehandelt, ebenso wie der Ausstieg von Steve Hackett. Eigentlich sollte man mehr darüber erfahren, weshalb diese bedeutenden Männer eher unverhofft die Band verließen. Hier hätte Rutherford genügend Gelegenheit gehabt, um viele Vermutungen aufzuklären.
Auch dem Ende - oder sagen wir mal der 'Ruhephase' - von Genesis wird im vorletzten Kapitel nur wenig Beachtung geschenkt. Ruhephase deshalb, weil man aus den Worten Rutherfords herauslesen kann, dass eine Reunion nicht völlig ausgeschlossen ist. Alles hängt letztendlich vom Gesundheitszustand von Phil Collins ab, der ja in letzter Zeit bereits anklingen ließ, dass er nicht abgeneigt wäre, wieder mit der Band auf die Bühne zu gehen.
Rutherfords Solokarriere mit seiner Band Mike & The Mechanics kommt im Buch "Rhythmus des Lebens" erstaunlich wenig zum Tragen. Sollte man meinen, dass er sich ellenlang darüber auslassen würde, da diese Zeit nun ebenfalls schon über Jahrzehnte anhält, so täuscht sich der Leser. Kaum ein ganzes Kapitel ist dieser Phase gewidmet und kommt somit deutlich zu wenig zum Zuge. Dafür gehört der Schluss des Buches erneut seinem Vater.
Diese Autobiografie ist ohne Zweifel gut und empfehlenswert. Für meine Begriffe widmet Mike Rutherford allerdings darin zu viel Zeit seinem Vater. Es ist die Zeit, die ihm als Kind verloren ging und die er nun damit aufholen und verarbeiten möchte - es sei ihm selbstverständlich gewährt. Für Leser, die sein Leben nur mit der Zeit als Musiker assoziieren, könnten einige Passagen langweilig wirken, da sie viele Themen betrachten, die familienintern sind. Musikfans werden sich dafür über die sehr detaillierten Ausführungen über Genesis freuen und diese Kapitel regelrecht verschlingen. Zum Glück ist die Geschichte noch nicht zu Ende und vielleicht gibt es in einigen Jahren einen ebenso kompetenten Nachschlag oder eine andere Sichtweise eines anderen Bandmitglieds.
Kapitelübersicht:
18 Kapitel, allerdings unbetitelt!
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