Motörhead / Stage Fright
Stage Fright
'Unglaublich', raunte mir ein Kumpel 1982 oder so ehrfürchtig zu, 'der Motörhead soll allein schon auf dem Monitor satte 3000 Watt verfeuern'.
Die Rede war natürlich von Lemmy Kilmister und ob diese Information stimmte, mag mal dahingestellt sein. Jedenfalls rumpelt Lemmy mit wechselnden Kolben im Motörblock seit den 70er Jahren durchs Business. Die legendäre Scheibe 'No Sleep 'Till Hammersmith' gehört in jede ernstzunehmende Plattensammlung und ein Motörhead T-Shirt zum Standardoutfit des Hard-Rockigen Individualisten. Immer wieder zeigen auch Musiker mit diesem Shirt ihre Hingabe zu Lemmy und seiner Bande. L. David Barnette von den Dusters hat sich ebenso mit einem Bandshirt ablichten lassen wie Rickey Medlocke, der sogar mit einem Motörhead Deutschland Hemdchen brillierte.
Pünktlich zum 30 jährigen Bestehen der Band bringen Motörhead ein Schlachtfest namens "Stage Fright" für das Heimkino zu ihren Fans. Zwei DVDs beinhalten vieles, was Motörhead schon immer ausmachte, heute noch typisch ist und hoffentlich noch weitere 30 Jahre charakteristisch für die Band sein wird.
"Good evening! Guten Abend! Wir sind Motörhead. Wir spielen Rock 'n' Roll!" .
So eröffnet Lemmy die am 7.12.2004 in der 'Düsseldorfer Phillipshalle' mitgeschnittene Show. Danach zünden er und seine Bastarde ein Hard Rockin' - Ass Kickin' - Ear Killin' - Mother Fuckin' Krawallfeuerwerk der Spitzenklasse ab. Hatte die Bands jemals einen Hit? Ist wohl eine Definitionsfrage, aber Klassiker wie "Overkill", "Stay Clean", " No Class" und "Ace Of Spades" gilt es schon mal durchzuhalten. Und auch der andere Stoff überzeugt. Wie immer ist die Performance der Band wild, intensiv, kompromisslos und LAUT!
Lemmy agiert, wie man ihn kennt. Das Mikro gesenkt, den Bass mit dem Plek tracktierend und die Stimme whiskeygeschwängert, zeigt er, wer der Chef im Ring ist. Klischees sind keine zu erkennen. Der Basser, Gröhler, Zeitgeschichtler und neuerdings auch Dehydrator braucht nichts aufzusetzen - der ist echt so.
Sein Gitarrist Phil Campbell platziert sich auf der linken Bühnenseite und macht wie üblich einen auf verdammt cool. Waren die Gitarristen schon immer eine offene Flanke der Band? Auch das ist Definitionssache. Bis auf Brian Robertson hatten sie wohl alle ihre technischen Schwächen, aber wie sämtliche seiner bisherigen Axtkumpanen oder Vorgänger, lebt The Zoomster den Sound der Band. Er macht die Songs nicht zu Kabinettstückchen, sondern zu rauen Planierraupen im Freizeitverhalten hartgesottener Musikfans.
Kommen wir zu Trommler Mikkey Dee. Mittlerweile ist er auch schon über 10 Jahre ein Motörheader. Kaum jemals passte ein neuer Musiker so perfekt ins Line Up einer Band. Mikkey zelebriert Powerdrumming. Er wütet brachial hinter seinem Kit. Seine Arme wirbeln herum und seine Beine ballern gnadenlos auf die Basstrommel ein. Da ist ein richtiger Mann am Werk. Verdammt, es macht Spaß, so jemandem bei der Arbeit zuzusehen.
Aufgenommen wurde die Show mit 23 Kameras. Das ist toll. Weniger toll ist allerdings die Schnitttechnik. Manchmal entfaltete das Dokument fast die Geschwindigkeit eines Videoclips. Umschnitte, Perspektivenwechseln und Kamerafahrten hetzen sich förmlich über den Bildschirm. Der Betrachter kann kaum mal ein Detail so wirklich würdigen. Vielleicht soll das in den Augen der extravaganten Producer und Marketingleute in unserer schnelllebigen Zeit so sein. Aber diese 'Gags' nerven zusehens und es wird dadurch bestimmt nicht einfacher, den ganzen Gig "auf Ex" zu betrachten. Schade! Vom Sound her ist die Aufnahme ziemlich gut. Natürlich entfaltete die Dolby 5.1 Version erst die ganze Brutalität einer Motörhead - Show. Wobei es immer wieder gewöhnungsbedürftig ist, wenn mit den Effekten herumgespielt wird. Bei einer Basspassage kreist der Tiefton förmlich durch das Wohnzimmer.
Eine hervorragende Idee stellen die Kommentare der Jungs zu ihrer Show dar. Diese sind unter einem anderen Menüpunkt anwählbar. Das ist mal ein gelungenes Feature.
Die zweite DVD ist mit jeder Menge Extras angereichert. Die Bandmitglieder kommen zu Wort, die Roadcrew, verschiedene Gäste und Freunde. Eine Slide-Fotoshow ist bei Musik - DVDs zwar inzwischen fast obligatorisch, aber für den Fan und dem, der Zeit genug hat, eine nette Dreingabe.
Eine Aussage von Lemmys Bassroadie Tim Butcher erhält das Prädikat 'besonders wertvoll' und wird sicherlich noch in 100 Jahren von Historikern genannt werden, wenn sie das Phänomen Rock 'n' Roll zu ergründen versuchen:
"Lemmy möchte, dass sein Bass so klingt wie ein anfliegender Stuka Bomber."
Aber auch die gepflegten 128 Dezibel, die der Meister nach Aussage eines anderen Roadies durch die Marshalls jagt, sind hitverdächtig.
Wer alles über Motörhead wissen möchte, ist für "Stage Fright" geeignet. Wer bisher nichts von Motörhead wissen wollte, sollte einen Ausflüg unter die Motörhaube trotzdem ins Auge fassen. Es gibt nämlich über 4 Stunden Material der einzig wirklichen 'Rock 'n' Roll' Band. Und Schöngeister kommen endlich mal auf andere Gedanken. Für diesen Personenkreis hält Lemmy übrigens noch eine Überraschung parat. Flankiert von Phil und Mikkey an Akustikgitarren röhrt er sich durch die paar kurze Unplugged-Passagen des "Whorehouse -Blues".
Diese DVD verdient locker neun ordenbehangene, ungestüme und warzige RockTimes-Uhren. Allerdings wird für die oft allzu forschen Schnitte in der B-Note eine davon abgezogen. Es bleiben also acht RockTimes-Uhren übrig.


Spielzeit: ca. 4 Stunden, Medium: DVD, SPV, 2005
DVD1:01: Dr. Rock 02: Stay Clean 03: Shoot You In The Back 04: Love Me Like A Reptile 05: Killers 06: Metropolis 07: Over The Top 08: No Class 09: I Got Mine 10: Tragedy 11: Dancing On Your Grave 12: Ramones 13: Sacrifice 14: Power 15: Brazil 16: Killed By Death 17: Iron Fist 18: Whore House Blues 19: Ace Of Spades 20: Overkill
DVD 2: Extras
Olli "Wahn" Wirtz, 13.07.2005
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