Mr. Morning / Jamrock aus Schweden
Nachdem wir Mr. Morning hier schon rezensiert haben, lag es nahe, die sympathischen Jungs aus dem hohen Norden auch mal zu interviewen.
Leider lassen unsere Redaktionsmittel keine Dienstreisen zu - schon gar nicht nach Schweden, so dass wir uns für den elektronischen Weg, per Email entschlossen haben.
Es war eigentlich wie erwartet: Mr. Morning machen nicht nur sympathische Musik, sie sind auch aufgeschlossene Gesprächspartner und das lustige Augenzwinkern konnte man sogar zwischen den Zeilen lesen.
Ulli Heiser: "We play Rock music". Das steht auf Eurer Homepage. Weiterhin steht da, dass Ihr nur den musikalischen Rahmen vorgebt, innerhalb dessen jeder seinen eigenen Gedanken, Gefühlen, Vorstellungen freien Lauf geben kann.
Das ist etwas ungewöhnlich, denn die meisten Bands geben doch ziemlich genau vor, was sie mit ihrer Musik ausdrücken wollen und somit auch, welche Fans sie wie ansprechen.
Bei Euch habe ich den Eindruck, dass Ihr nur Spaß an der Musik vermitteln wollt - was ja eigentlich auch Sinn einer jeden Musik sein sollte.
Mr. Morning: Sicherlich, aber es kommt auch darauf an, was Du unter Spaß verstehst. Wir wollen beim Spielen Spaß haben und hoffen, dass es dem Publikum genauso viel Spaß macht und sie sich nicht langweilen. Wir bemühen uns, die Musik zu spielen, die wir auch selber gerne sonst wo hören würden: offene Musik - Musik, die nicht oberflächlich ist und auch nicht nach Publikum-heischenden Reaktionen aus ist.
Wir versuchen ehrlich zu sein und hoffen, dass unsere verschiedenen Gefühle durch unsere Musik auch zum Ausdruck kommen. Unsere Zuhörer sollen genau so ehrlich und offen uns gegenüber sein. Das "right now feeling" ist sehr wichtig. Wenn wir spielen, geht es uns nur um das "Hier und jetzt". Wir sehen unsere Musik als eine Diskussion innerhalb der Bandmitglieder und zwischen Band und Audience. Das Thema dieser Diskussion ist offen, jedoch sollte man zur Diskussion tanzen können. (Die Band lacht).
Meistens geht die Diskussion backstage weiter - bei einer Kiste Bier während der Recorder das aufgenommene Konzert wiedergibt.
Ulli: Ihr macht Rockmusik, aber das ist meiner Meinung nach nicht genug aussagekräftig für Eure Musik. So höre ich Reggae Rhythmen, "Junebug" etwa erinnert mich an den "bouncing Stil" von Phish. "Sunshine" hat Pink Floyd- Anleihen.
Eine enorme Stilvielfalt steckt in Euren Titeln. Ist dies explizit gewollt, oder passiert das eben durch die musikalischen Vorlieben der Bandmitglieder?
MM: Meistens entstehen unsere Titel während Jam Sessions. Beim jammen bringen alle Musiker ihre jeweiligen musikalischen Vorlieben und Einflüsse mit ein, so dass es unweigerlich beim Spielen auch in alle Richtungen geht. Wir alle lieben Musik, aber wir haben verschiedene Geschmäcker und deshalb kann man auch viele Stile in unseren Sachen hören. Eines aber ist uns allen gemeinsam: die Liebe zum und der Respekt vor dem Blues.
Ulli: Trotz dieser enormen musikalischen Bandbreite seid Ihr in der deutschen Jamszene, zumindest bei den hiesigen Deadheads sehr beliebt. Ihr werdet als Jamband gesehen. Fühlt Ihr Euch in erster Linie als Jamband oder seid Ihr etwas überrascht, so gesehen zu werden?
MM: Hey, das freut uns aber, dass die Deadheads unsere Musik mögen. Da Grateful Dead einen starken Part im "Soundtrack unseres Lebens"" haben, ist es nicht so ungewöhnlich, dieses auch in unserer Musik zu hören. Außerdem, wenn Jamband bedeutet, dass die Band gerne jammt, ja dann sind wir sicherlich eine Jamband. Erst seit den letzten Jahren machen wir auch "anständige Musik", meistens aber jammen wir ohne Regeln und ohne Sicherheitsnetz - auch live.
Manchmal flippen wir richtig aus und dann übernimmt Mr. Morning die Kontrolle über uns und benutzt uns, um seine Musik zu spielen.
Die Jam-Erfahrung wird von jedem Bandmitglied anders gesehen. Einer kann total enttäuscht sein, ein anderer dagegen hat einen Mordsspaß. Aber aus Erfahrung wissen wir: unterm Strich passt es immer.
Die Macht und Eigendynamik der Musik kann durch Gefühle, Wahrnehmungen und Erweiterungen nur verbessert werden.
Ulli: "Mr. Morning übernimmt die Kontrolle"? Wer ist Mr. Morning, bzw. gibt es eine tiefere Bedeutung hinter dem Bandnamen?
MM: Mr. Morning entstand in den Siebzigern. Wir waren eine Gruppe von Freunden - interessiert an Musik, Poesie und Kunst. Wir wollten einen Alias, da wir als Individuen nicht so wichtig waren. Aber die Gruppe als Gesamtes war schon wichtig.
Die heute existierende Band wurde vor einigen Jahren in einem Hühnerstall gegründet und ist eine Pflanze, die ihren Ursprung, oder besser ihre Wurzeln im "Mutterboden" von Mr. Morning hat. Die damalige Entwicklung geht weiter - jeder Tag hat einen neuen Morning......
Ja, so kamen wir zu unserem Namen und du siehst, es ist mehr als nur ein Name.
Ulli: Wie sieht es eigentlich in Schweden aus? Gibt es da auch eine aktive Jamszene und wie interpretieren schwedische Rockfans Eure Musik - Jam oder doch mehr Rockmusik im allgemeinen?
MM: Wir hoffen natürlich, dass es auch in Schweden eine Jamszene gibt, aber so genau wissen wir das nicht. Wir wissen auch nicht exakt wie die Rockfans auf uns reagieren, aber manchmal nach unseren Gigs, wenn wir enttäuscht zusammen stehen und uns anschreien, kommt es schon mal vor, dass der ein oder andere aus den Büschen kommt und uns mitteilt, wir würden die beste Musik machen, die er je gehört hat...... Wir sind also sehr zufrieden mit diesem Zustand.
Anmerkung: Tolles Beispiel für schwedisches Understatement.
Ulli: Was könnte der Grund sein, dass europäische Bands Eures Genres weniger erfolgreich sind als amerikanische ? Ich denke jetzt an Bands wie Widespread Panic oder Phish. Ist es ein Mangel an Fans dieser Musik, oder wird in Europa diese Art von Musik nicht genug durch die Medien unterstützt?
MM: In den Staaten hat San Francisco wahrscheinlich immer noch eine große Bedeutung. Aber im Ernst, wahrscheinlich ist es so wie Du schon sagtest. Es ist nicht leicht diese Musik - die Jams, die überlangen Songs usw. in TV oder Rundfunk zu präsentieren.
Ulli: Ja, ich denke, die kommerziellen Sender stehen unter dem Druck der Musikindustrie. Ihnen wird aufgezwungen, das zu spielen, was gerade hip ist, oder was die Industrie gerne hip sehen würde. Klar, es ist ein Geschäft und im Focus steht die junge Spaßgesellschaft.
Bands wie Mr. Morning brauchen also andere Kanäle um ihre Musik vorzustellen. Ist das Internet da eine Hilfe für Euch?
MM: Ja, das Internet ist eine der wenigen Möglichkeiten für unabhängige Bands, die keine Major Companies als Backbone haben. Man kann Leute ansprechen, die zu uns passen.
Ulli: Mir ist zu Ohren gekommen, dass Ihr 2003 auf dem Deadheadmeeting in Plauen spielen werdet. Nur ein Gerücht, oder ist das Fakt?
MM: Aus dem Gerücht wird eine Tatsache. Ja, Beategerd (Anmerkung: Beate und Gerd, die Veranstalter der Plauener Deadheadmeetings.), haben uns für das fünfte "Playing In The Band" 2003 gebucht.
Wir freuen uns schon riesig, vor einer Menge netter Deadheads zu spielen. IKO IKO
Ulli: Ihr klingt sehr professionell. Warum macht Ihr keine kommerziell ausgerichtete Musik? Mir ist es so natürlich sehr viel lieber. Aber immerhin hat Schweden schon einige sehr erfolgreiche Bands hervorgebracht, die sehr berühmt und reich wurden. Geld scheint für Euch nicht an erster Stelle zu stehen!
MM: So ist es. Geld ist nicht alles auf der Welt. Bis heute haben wir noch keinen Cent verdient. Aber - wir haben einen heiligen Auftrag von Mr. Morning bekommen und es ist unsere Pflicht, ihn zu erfüllen. Wir kennen die Mission zwar nicht, aber wir haben die Freakflagge hoch gehisst. Gegen ein paar Bucks wäre aber nichts einzuwenden, wenn die Möglichkeit besteht.
Ulli: Die 70er Jahre war die Ära der Rockmusik. Überall, sei es im Radio, TV oder in den Kneipen - wo man hinkam und hinhörte lief Rockmusik. Glaubt Ihr, dass diese Zeit noch mal zurückkommt, oder müssen wir für immer und ewig die Boy- und Girlgroups dieser Tage ertragen? Künstliche Bands, gegründet mit dem Ziel schnelles Geld zu machen.
MM: Wir hoffen, dass die Leute bald müde werden, dieses kommerzielle Zeugs zu hören und wieder beginnen der Musik auch zuzuhören. Wir sind der Ansicht, dass es am allerwichtigsten ist, zu leben, richtig vital zu leben. Hier und heute.
Wenn wir ehrlich sind und mit dem Publikum kommunizieren, wenn das Publikum aus aktiven Zuhörern besteht, dann fühlen wir, dass Mr. Morning die Show übernimmt und die Magie kann beginnen.
Wenn das mehr Bands machen, sind wir sicher, dass es bald viele gibt, die aus freien Stücken das machen, was sie eigentlich machen wollen, ohne einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, wie man am schnellsten zu Geld kommt.
In den 70ern war die Liveszene sehr lebendig und diesen Zustand sollten wir wieder anstreben. Richtig leben und lebendige Musik gehören zusammen.
Ulli: Habt Ihr vor, auch mal unter einem richtigen Label zu arbeiten, um Eure CDs auch über die professionelle Schiene anzubieten?
MM: Oh ja, aber das haben wir noch nicht mal versucht. Aber wenn wir unsere Freiheit behalten würden, um das zu machen was uns gefällt, dann wäre es schon denkbar. Kennst Du jemanden, der Interesse an uns hat............?
Anmerkung: Dank sehr guter Kontakte, die ich zu Schluff Jull habe, die bei "Taxim" unter Vertrag stehen, Taxim genau diese Musikrichtung vertritt, hat Olaf von den Schluffs mal bei Taxim vorgesprochen und einige Zeit nach diesem Interview, bekam Mr. Morning einen Plattenvertrag bei Taxim.
Interview mit Mr. Morning, 2001
1:Kokomo 2: Delia's Gone 3:Hope In A Hopeless World 4:I Heard The Angels Singin' 5: Five Miles Above 6:Angel 7:Got To Do Better 8:Walkin' Home 9:Painting Signs 10:To Know You 11:Honest I Do 12:The Light Was Worth The Candle 13: Don't Ever Let Nobody Drag Your Spirit Down
Ulli Heiser, 12.12.2001