MSV Brecht / Hippie Tunes
Hippie Tunes Spielzeit: 49:37
Medium: CD
Label: Unit Records, 2012
Stil: Jazz, Jazz Rock


Review vom 26.02.2012


Wolfgang Giese
"Hippie Tunes", ist hier 'Flower Power' angesagt? Das Cover gibt nichts entsprechendes her. Auch zu der Musik, die hier geboten wird, sehe ich keinen Zusammenhang. So sollte der geneigte Käufer die CD wenden und dürfte auf der Rückseite entsprechende Hinweise auf das erhalten, was er erwarten kann. Denn durch die Besetzung lassen sich durchaus Rückschlüsse ziehen: Der Zug fährt in Richtung Jazz/Jazz Rock/Fusion.
Dieser 'Zug' hat auch in Deutschland Tradition. Ich nenne exemplarisch Namen wie Association P.C., deren Gitarrist Toto Blanke auch noch in den Siebzigern einige gute Scheiben vorlegte, oder das von dem Amerikaner Dave Pike geführte Dave Pike Set, die Gebrüder Kühn, Rolf und Joachim, den Gitarristen Volker Kriegel oder sogar der ansonsten eher pure Jazzer Albert Mangelsdorff schlug mit der Formation Mumps einige andere Töne an. Diese Tradition, ergänzt um einige internationale Einflüsse, vermag ich mit MSV Brecht und ihrem neuen Album "Hippie Tunes" trefflich fortgesetzt sehen.
Am 29. und 30. Juli 2010 wurden diese Stücke in den FWL-Studios in Leipzig eingespielt. Die Luftigkeit der Musik - ganz so, wie man sie vom Münchner Label ECM kennt -, die atmosphärisch verbreitete Weite von Landschaften, dieser unendlich lange Weg zum Horizont, wie ich es in der Musik des Norwegers Terje Rypdal hören und lieben kann, dies sind meine erste Assoziationen, wenn ich das erste Stück höre. Kein Anfang, kein Ende, einfach nur Musik, die schwebt und abhebt, sich wieder erdet und das in einer unendlich erscheinenden Flut von Tönen, von ständiger Abwechslung und Erneuerung scheinbar angetrieben... In den siebziger Jahren gab es ähnliches von der Schweizer Formation Om. Dazu gesellen sich Anklänge an das Mahavishnu Orchestra, an die komplex-verschlungene Musik von Bill Frisell mit seinem gestaltenden Gitarrenspiel.
Wahre Klanglandschaften mit ausufernden 'Spannungsbögen' türmen sich im Verlauf der acht Titel vor dem Ohr des Hörers auf - mal filigran, mal stürmisch, es fließt, es strömt, ständige Improvisation scheint im Vordergrund zu stehen, doch irgendwie scheinen Komposition und Arrangement vorhanden zu sein, scheinbar aus dem Augenblick entstehend, ein echtes Kollektiv stellt sich vor. Ein Live-Konzert mit dieser Band stelle ich mir unglaublich spannend vor, denn ich glaube, die anscheinend schier unermüdlichen Ideen könnten auf diese Weise richtig ausgelebt werden. Hierbei steht die Rhythmussektion den Solisten an Gitarre und Saxofon in nichts nach. Akzente können sie alle setzen.
Die Gebrüder Meyer stammen aus Visbek, aus Kiel kommt Hanno Stick, der Drummer, und zusammen mit dem Saxofonisten Vollbrecht aus Stadthagen sind die vier Nordlichter nun Wahlberliner. Geboren wurden sie zwischen 1983 und 1985 und so braucht sich der Grenzbereich zwischen Jazz und Fusion hinsichtlich des Nachwuchses, bei solchen Talenten, keine Sorgen zu machen. Ich bin begeistert von dieser Frische, Spontaneität und dem sensiblen Zusammenspiel der Musiker.
Noch ein Tipp, ganz klar!
Line-up:
Timo Vollbrecht (tenor sax, clarinet)
Peter Meyer (guitar)
Bernhard Meyer (bass)
Hanno Stick (drums)
Tracklist
01:Perlenbaum [Bernhard Meyer] (6:49)
02:Tale Of Jordan [Vollbrecht] (7:35)
03:Apart From Being A Part [Peter Meyer] (8:00)
04:Le Clap [Vollbrecht] (2:29)
05:Zombo [Stick] (5:09)
06:Hippie Tune [Stick] (6:01)
07:They Tell Me [Peter Meyer] (8:10)
08:Unumbium [Bernhard Meyer] (5:24)
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