Gleich vorweg: Man fasst es kaum, nach Kevin Gordon ein weiterer Americana-Knaller.
Auch die Leute, die diesen abgelutschten Begriff nicht ausstehen können werden hier aber zustimmen: Diese Mischung aus Roots-Rock und Country lässt sich anders nicht einordnen.
Der 30-jährige Scott Miller, der aus dem faszinierend schönen Shenandoah Valley stammt, hat als Titel seines Debüts das Motto seines Heimatstaates Virginia gewählt und darum geht es auch hauptsächlich in seinen Songs. Kleinstadt-Amerika gestern und heute sind seine Themen, die er unheimlich schmissig rüberbringt.
Seine Wortspiele, seine Ehrlichkeit werden in einem Zusammenhang mit Steve Earle genannt und er ist auch sehr nahe an diesem dran, zumindest an dessen "elektrischen" Platten. Ist aber auch kein Wunder, war er doch vor Jahren bei Earle's "E-squared"-Label unter Vertrag.
Miller steht genauso für Virgina, wie Bruce Springsteen für New Jersey und ein John Prine für Kentucky.
Der erste Track "Across The Line" rockt zuerst mal in Neil Young Manier, kurz mal farbig durchgezeichnet mit Streichern (alles andere als süsslich), die dann von einem Wah-Wah Solo abgelöst werden.
Insgesamt ist die Platte sowieso recht Rock-betont, es gibt aber zwei Ausnahmen, die scheinbar geradezu charakeristisch sind: "Sarah", vertont nach den Briefen seines Ur-Ur-Grossvaters an seine Frau als konföderierter Soldat während des Bürgerkrieges und "Highland Country Boy", der ein ähnliches Thema hat. Beide Songs sind Country in des Wortes Sinne, nur akustische Gitarren und sägende Fiddle im reinen Stil des Musizierens, wie es seine Vorfahren in den Ausläufern der Appalachen vor über 100 Jahren machten. Näher und auch ergreifender kann man seine Wurzeln nicht beschreiben.
Scott Miller's Talent zum Songwriting, seine spannenden Arrangements und seine 100% dazu passende Stimme lässt einen fragen: "Woher nimmt Amerika all diese hervorragenden Musiker?" Seine Band Commonwealth im Hintergrund ist perfekt eingespielt, Dave Grissom fällt an der Gitarre des öftern postiv auf, alles hat einen lässigen Groove, der einfach anmacht. Das Album schliesst nach all den Up-Tempo Nummern mit einer pianogetragenen Hymne, bei der dann endgültig klar ist, welche Bandbreite des musikalischen Ausdrucks Scott Miller besitzt.
Der Produzent R.S. Field, der selbst mitspielt, hat sein Geld für diese hervorragende Produktion bis zum letzten Dollar verdient, perfektes und harmonisches Klangbild, ausgewogene Abmischung, keinerlei Über- oder Untertreibungen der Arrangements. Es muss nicht immer der bekannteste Produzent im Regieraum sitzen, um ein Spitzenwerk zusammenzubasteln.
Hats off to you!
Fazit: Wer sich für ehrlichen, handgemachten Roots-Rock interessiert, kann hier zuschlagen. Und wird die Platte in ein paar Jahren, wenn viele andere CDs einfach langweilig geworden sind, immer noch gerne hören.
Spielzeit: 41:07, Medium: CD, Sugar Hill Records, 2001
1:Across The Line 2:I Made A Mess Of This Town 3:Loving That Girl 4:I Won't Go With You 5:Yes I Won't 6:Dear Sarah 7:Highland Country Boy 8:Absolution 9:Miracle Man 10:Daddy Raised A Boy 11:Goddamn The Sun 12:Is There Room On The Cross For Me
Manni Hüther, 25.08.2001
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