Van Morrison / Pay The Devil
Pay The Devil
An Van Morrison und seinem neuen Album "Pay The Devil" scheiden sich die Geister. An Van Morrison scheiden sich die Geister sowieso. Und erst recht, wenn der Mann ein Country&Western-Album herausbringt. Ein (fast) lupenreines sogar.
'Van the Man' hat einen Status als 'musikalisches Genie' inne, den kaum ein Kritiker anzweifelt. Auch seine Kauzigkeit, seine Unnahbarkeit, sein völlig am Publikum uninteressiertes Bühnenauftreten, ebenso wie sein Schaffen abseits jeglicher Trends, nur nach eigenem Gusto, wird weitgehend übereinstimmend als Ausdruck seines schöpferischen Genius interpretiert.
Er schert sich keinen Deut darum, was von ihm (wenn überhaupt das noch jemand tut) erwartet wird und haut Jahr für Jahr Album um Album heraus, wie ihm Grad der Sinn steht. Fast jedes wird zunächst euphorisch als 'Meisterwerk', in den letzten Jahren gern auch als 'Altersmeisterwerk' begrüßt, egal, was er grad macht, Soul, Skiffle, Jazz, R&B, Irish Folk ... oder die ureigene Van Morrison-Mischung aus allem. Auch das Country-Fach wurde von ihm schon mit "You Win Again" (2000) belegt. Kritische Stimmen erscheinen jedoch meist erst im Nachhinein und da sind es doch recht profunde. Darüber hinaus gibt es aber auch Hörer, die mit dem kantigen Iren und seiner Musik überhaupt nichts oder schon lange nichts mehr anfangen können. Mit Rock hat das eh nur noch entfernt zu tun.
Nun ist er also wieder in Nashville gelandet und liefert mit "Pay The Devil" ein Album ab, als wäre das sein Stamm-Metier. Nur dass er angeblich nie in der Country-Fabrik war und dass das Werk in Eigenregie in Irland entstanden ist, mit denselben Musikern, die ihn zuletzt begleiteten. Egal, es klingt jedenfalls so, als hätte sich die alte Garde der Nashville-Studio-Cowboys noch einmal versammelt, um mit Herrn Morrison die Klassiker von Hank Williams, Earl Carson, Billy Wallace und Co. sowie dazu drei sich bestens einfügende Kompositionen des Gastes, einzuspielen.
Also mit 'Banjo, Fiddle, Steelguitar' und allem Geklimper und Geschrammel. Van hat jedoch auch Songs jenseits der Herz/Schmerz-Volksdümmelei ausgewählt, die von der Trunksucht, der Arbeitslosigkeit, von Verlust und anderen Tragödien handeln. Er sieht sich dabei selbst(ironisch?) als der Las Vegas-Zocker vom Cover, der mit dem Teufel spielt und mit ruhlosem Herumziehen für seine Musik bezahlt (?!). Seine unverwechselbare, knarzige Stimme (in Top-Verfassung) passt auch bestens zu dieser Musik. Warum er allerdings teilweise noch mit Streicherplüsch und Chorgesäusel aufzuckern musste, werden sich vor allem die Puristen fragen.
Nachdem die Scheibe schon ein paar Tage auf dem Markt ist (jedoch erst jetzt in der RockTimes-Redaktion eingetroffen), hab ich mich mal bei den Kollegen umgesehen, wie die Meinungen so sind. Erstaunlicherweise durchaus gemischt, wobei jedoch bei aller Kritik stets hervorgehoben wird, mit welcher Qualität Van Morrison auch dieses Oldtime-Produkt bewerkstelligt hat.
Ich behaupte, dass der Sechzigjährige, mit all seinem unbestrittenen Können, seiner riesigen Erfahrungen im Business und in den unterschiedlichsten Musikstilen sowie seinen hervorragenden Mitmusikern fast alles so spielen könnte, dass es qualitätsmäßig überzeugen würde. Und wenn er seinen Spaß dran hat, dann soll er das meinetwegen auch. Zu fragen braucht er ja niemand und gekauft wird es eh.
Die Frage ist aber, wer will eigentlich ein weiteres traditionelles Country&Western-Album 'Nashville styled', auch wenn es von Van Morrison ist? Mich hat schon keines seiner letzten Alben mehr richtig überzeugt und darum: Ich bestimmt nicht!


Spielzeit: 46:20, Medium: CD, Exile Music/Polydor, 2006
1:There Stands The Glass 2:Half As Much 3:Things Have Gone To Pieces 4:Big Blue Diamonds 5:Playhouse 6:Your Cheatin Heart 7:My Bucket's Got a Hole In It 8:Back Street Affair 9:Pay The Devil 10:What Am I Living For 11:This Has Got To Stop 12:Once A Day 13:More And More 14:Till I Gain Control Again
Norbert Neugebauer, 06.05.2006