Billy Nicholls / Would You Believe
Would You Believe
Die Geschichte zu Billy Nicholls Debüt-Album ist im Prinzip eine traurige.
Nicht, dass es unzähligen anderen Musikern nicht genauso ergangen wäre und immer noch geht. Dennoch immer wieder verblüffend, wie der Wind sich drehen kann. Aber mal von vorne:
Billy Nicholls wurde von seinen musikalisch ebenfalls aktiven Eltern von früh an tatkräftig in allen seinen musikalischen Bestrebungen unterstützt. Als er gerade erst zarte 18 Jahre alt war, bekam der ehemalige Rolling Stones -Manager Andrew Loog Oldham Wind von dem hochtalentierten Musiker und Songschreiber und engagierte ihn vom Fleck weg als letzteren, um erstmal die anderen Pferde im Oldham-Stall dessen neu gegründeten Labels Immediate Records mit Songs zu versorgen.
Der gebürtige Londoner hatte künftig persönlichen Kontakt mit Mitgliedern der Beatles, der Rolling Stones und vor allem mit seinen Label-Kollegen, den Small Faces. Er konnte sein Glück kaum fassen und war endgültig im siebten Himmel, als ihm kurze Zeit später von oberster Stelle mitgeteilt wurde, dass man befand, es wäre an der Zeit für ihn sein eigenes Album aufzunehmen.
Mit ungezügeltem Enthusiasmus und Arbeitswahn stürzte sich Nicholls 1968 in die Aufnahmen. Nach Fertigstellung stand Immediate Records, die schon länger Probleme hatten, allerdings kurz vor dem finanziellen Kollaps. Das Ende vom Lied war, dass "Would You Believe" nicht veröffentlicht wurde. Was für eine Verschwendung von Talent und Können. Wobei wir bei der Musik angekommen wären.
Diese CD ist wie eine Zeitreise ins psychedelische Swinging London der Endsechziger Jahre und klingt wie ein Schmelztiegel aus den Beatles, den Rolling Stones, The Who und den kürzlich hier in RockTimes vorgestellten Fat Mattress, hat aber hier und da auch etwas von den Beach Boys. Mit Glyn Johns als Tontechniker und arrangiert von John Paul Jones (nur wenige Monate vor seinem Einstieg bei Led Zeppelin) entstand ein Sound, der einem beim Anhören des Albums sprichwörtlich Bilder von bunt gekleideten Menschen, langen Haaren, friedlichen Parks, langen (räusper) Zigaretten und noch längeren (hüstel) Erfahrungen mit psychedelischen Experimenten vor dem geistigen Auge aufblitzen lassen.
Im Gegensatz zu Fat Mattress, die mehr dem Rock zugewandt waren, orientierte sich Nicholls eher am Pop. Wobei 'Pop' hier nicht als Schimpfwort verstanden werden sollte, denn die Songs, sowie die Qualität der Einspielung lassen keine Wünsche offen. Und die Small Faces (besonders Steve Marriott und Ronnie Lane) waren so begeistert, dass sie auf mehreren Songs als Begleitband fungierten und Marriott gar einige Backing Vocals ablieferte.
Abgesehen von den sogenannten 'üblichen' Bandinstrumenten und dem genreüblichen verhallten und verechoten Gesang kamen noch viele weitere Instrumente wie Bläser, Streicher, Piano und Tasteninstrumente aller Couleur, Ukulelen und Mandolinen zum Einsatz.
Billy Nicholls ist zwar selbst als Produzent angegeben (Ausnahme: Der Song "Would You Believe", der von Marriott/Lane produziert wurde), aber Andrew Loog Oldham hatte natürlich kräftig seine Finger im Spiel. Dass er ein heftiger Fan von Phil Spector und dessen "Wall Of Sound" war, ist bekannt.
Und so was hat Oldham auch hier versucht, was dem Album aber nicht bei jedem Song zugute kommt. Manchmal kommen die Tracks fast zu überladen rüber und Billy Nicholls Stimme geht ein bisschen unter.
Trotzdem ein ganz starkes Album und ein bunter Trip ins '68er London.
CD 2, die mit "Snapshot" betitelt ist, bringt uns Demos und Outtakes, die im Rahmen der Aufnahmen zu "Would You Believe" eingespielt wurden. Und das ist dann fast wie eine ganz neue, wunderbare Geschichte. Präsentieren sich die Stücke (mit einigen Überschneidungen zu "Would...") hier im unproduzierten Gewand frisch und frei von allen Studio-Raffinessen in all ihrer einfachen Schönheit. Die Instrumentierung beschränkt sich auf das Nötigste und Nicholls, dessen Gesang, wie bereits erwähnt, auf "Would You Believe" teilweise fast ein bisschen untergeht, erweist sich als sehr guter Vokalist, der mit einer schönen Stimme ausgestattet ist, die auch keine Angst vor hohen Tönen zu haben braucht. Alles in allem ist "Snapshot" also eine ausgezeichnete Ergänzung zu "Would You Believe".
Bei mir hat diese Doppel-CD zwar ein bisschen gebraucht, bis sie gezündet hat, aber wenn es dann mal soweit ist, knallt sie richtig rein und man stellt fest, dass man ein ganz starkes Album und einen (damals) verlorenen Schatz des Swinging London vorliegen hat.


Spielzeit: 46:16 (CD 1), 50:49 (CD 2) Medium: Do-CD, Castle Music, 2006, Psychedelic Pop
CD 1: 1:Would You Believe 2:Come Again 3:Life Is Short 4:Feeling Easy 5:Daytime Girl 6:Daytime Girl (Coda) 7:London Social Degree 8:Portobello Road 9:Question Mark 10:Being Happy 11:Girl From New York 12:It Brings Me Down 13:Would You Believe (Mono Single Version) 14:Daytime Girl (Mono Single Version) 15:I Want To Be Friendly With You (Outtake) 16:Always On My Mind (Acoustic Version) 17:Would You Believe (Alternate Vocal)

CD 2 1:Would You Believe 2:Happiness Song 3:Cut And Come Again 4:Casey Jones 5:Always On My Mind 6:I'm To Blame 7:Feeling Easy 8: Back About Four 9:Umbrella Song 10:It Brings Me Down 11:Life Is Short 12:Haven't Any Money 13:Good Day Goodnight 14:The Fortune Teller 15:London Social Degree 16:I Want To Be Friendly With You 17:Being Happy 18:Love Is All Around 19:Walking Through The Park 20:Portobello Road 21:The Rest Of My Life 22:It Brings Me Down
Markus Kerren, 17.07.2006