Chris Norman / Handmade
Handmade
Beim Namen Chris Norman denke ich, und so wird es wohl vielen Leuten meiner Generation gehen, erst mal unweigerlich an Smokie
Smokie? Dahinter werden die meisten unserer Schlabberhosen tragenden Nachkömmlinge wohl höchstens einen coolen Ausdruck für Kettenraucher vermuten, statt einer Band, die maßgeblich die Siebziger Jahre geprägt hat.
Für mich war es eine Epoche, als die Musik und das Leben noch gemütlich und überschaubar waren. Man saß Mittwoch Abends gebannt vor dem einzigen Radio im Hause und lauschte Mel Sandocks Discothek im WDR. Mucksmäuschenstille im Wohnzimmer, schließlich hatte man das Mikro des zu Weihnachten geschenkt bekommenem Kassettenrecorders auf die Box gerichtet, und jedes Geräusch würde die Aufnahme vermasseln. Und wie es dann so kommen musste, schneite die geliebte Schwester im ungünstigsten Moment plärrend hinein, nachdem sie schon die Türklinke runtergeknallt hatte, was sämtliche Flüche und Rachegeschwüre dieser Erde meinerseits zur Folge hatte.
Ja so war das, als "If You Think You Know How To Love Me", "Don't Play Your Rock'N'Roll To Me" oder "Lay Back In The Arms Of Someone" und diverse andere Hits Chris Norman und seine Mannen zu Größen der damaligen Szene werden ließen und eigentlich auf jeder Fete dazu beitrugen, dass man sich unglaublicher Weise auch für andere Dinge als Fußball zu interessieren begann...
Irgendwann stieg Norman aus, und das war es dann auch mit Smokie, die dann zwar Anfang der Neunziger noch mal mit anderem Sänger ein Comeback versuchten, und auch mit dem Gassenhauer "Who The Fuck Is..." noch mal kurz aufhorchen ließen, aber doch eher dazu verdammt waren, auf zweitklassigen Oldieparties rumzutingeln. Chris Norman habe ich bis auf wenige Ausnahmen dann eigentlich auch aus den Augen verloren, obwohl er doch fleißig wie eine Biene war, "Handmade" ist immerhin sein 16. Soloalbum. "Midnight Lady" und "Broken Heroes" in Zusammenarbeit mit Obernerve Dieter Bohlen für Schimanski-Tatorte sind da so hängen geblieben, mehr eigentlich nicht.
So war ich recht gespannt, was der Gute heute noch zu bieten hat. Und schon nach den ersten Akkorden des Openers fällt man in die eingangs beschriebene Zeit zurück. Wunderbare, einfache Songs, mit herrlich rauchiger Stimme vorgetragen, die sich direkt in das Gedächtnis bohren, wie sie damals so vortrefflich vom Schreiber-Duo Chinn/Chapman kreiert wurden und auch Normans Songwriting garantiert bis zum heutigen Tage beeinflusst haben.
"Keep Talking", "Something About You", "She Forgot", "The Caravan Moves On", "Baby It's History", "So Radical" oder "Nothing Stays The Same" wären vor 25 Jahren sichere Top-Ten-Nummern gewesen, werden es heutzutage wohl aber schwer haben, sich irgendwo in die Charts reinzumogeln. Die Nummer "Angel Of Berlin" (geschrieben von Chris Norman), mit der Star-Search-Gewinner Martin Kesici abgeräumt hat, wird vom Urheber auf "Handmade" deutlich in den Schatten gestellt. Tolles Lied.
Zur großen Überraschung fallen gegen Ende dann plötzlich zwei Stücke völlig aus dem Rahmen. Bei "Let's Do It" geht es funkig mit pulsierendem Bass zu wie bei James Brown und "Down Louisiana" entpuppt sich als bluesiger Südstaatenrocker in bester Allman Brothers-Tradition. Da staunt man dann doch ein wenig. Am Ende gibt es dann aber nochmal eine waschechte Smokie-Nummer und das knapp einstündige Intermezzo in vergangene Tage ist vorbei.
Mir hat das Album großen Spaß bereitet und Typen meines Alters können unbedenklich zugreifen, sofern sie auch nostalgische Gefühle in dieser Richtung besitzen.
Schön Herr Norman, dass Sie mal wieder vorbeigeschaut haben...
Spielzeit: 54:58, Medium: CD, Sanctuary Records, 2003
1. Keep Talking 2. It's Crazy 3. Something About You 4. She Forgot 5. It's Alright 6. The Caravan Moves On 7. Under The Same Sun 8. Baby It's History 9. So Radical 10. Angel Of Berlin 11. Only You 12. Let's Do It 13. Down Louisiana 14. Nothing Stays The Same
Daniel Daus, 16.1.2004