Vor nicht allzulanger Zeit gab es von Kollege
Jürgen einen amtlichen Verriss für das Coveralbum
A Spoonful Of Time. Ganz so schlimm habe ich das zwar nicht empfunden, aber man muss schon sagen, dass
Nektar Kaliber im Portfolio hat, die wohl immer als Referenz herhalten werden, wenn etwas Neues von ihnen in den Player wandert.
Auch "Time Machine" muss sich an alten Werken messen lassen, zumal dann, wenn obiges Zitat verwendet wird.
"Time Machine", und damit Entwarnung, ist eine 'echte'
Nektar-Platte und trotzdem ist es gerade ein 'Ausreißer', der mich jubilieren lässt. Das Stück nennt sich "Set Me Free, Amigo" und ist so untypisch wie genial. Einem kurzen Prog-Intro folgt ein lockerer, herrlicher Mariachi-Jam und eigentlich möchte man mehr davon und tut sich plötzlich schwer, auf progressive Musik umzuschalten. Die Band war aber so clever, diesem Track eine hochmelodische Prognummer voranzustellen, die ganz im Stile alter
Nektar-Perlen u. a. mit einer interessanten Bridge aufwarten kann. Auch "Tranquility" knüpft an Traditionen - Keyboardpassagen die zum Dahinschmelzen sind, wechseln sich ab mit fast bluesrockartigen Rhythmus- und Gesangspassagen. Irgendwie geht mir dabei
James Gangs "Walk Away" durch den Kopf …
"Talk To Me" ist instrumental und stark. Lecker vertrackt mit Ausflügen in den Jazz. Dazu ein unbändiger und quirliger Rhythmus, der sich die Minuten mit sphärischen Tunes teilt. Manche Titel reminiszieren etwas an
Genesis. Wenn es Schwächen auf dem Album gibt, dann sind das die Nummern, die für meinen Geschmack etwas zu sehr in Richtung Pop schielen. Die Ballade "Destiny" etwa. Das ist absolut radiotauglich. Auch "Mocking The Moon" und "Talk To Me" haben Pop-Anteile, sind aber nicht seicht und haben ihre 'intelligenten' Parts. Wenn ich auch gerade von 'Schwächen' sprach, so jammere ich auf einem hohen Niveau. Die benannten Songs sind gut, haben aber zu jeder Zeit den 'Nachteil', sich mit den Bandhymnen vergangener Tage auf der Messlatte zu treffen.
"Time Machine" hat sicher das Zeug, um zu spalten. Neben großartigen Stücken steht Prog Pop. Das wird den alten
Nektar-Fans vielleicht zu nah am Zeitgeist sein, kann aber die Musik der Band 'Einsteigern' nahe bringen . Anders ausgedrückt bedeutet das aber auch, dass die Platte ein weites Feld abdeckt und alten und neuen Fans gefallen kann. Und "Set Me Free, Amigo" ist sowieso außen vor.
Die Bassgitarre wird diesmal von
Billy Sherwood bedient, in dessen Sherwood Studios auch aufgenommen wurde.
Nektar-typisch auch Klangqualität sowie Coverart
(
The Art of Carmona Brothers). Mit einer über 40-jährigen Dienstzeit ist die in Deutschland gegründete Band eine der ältesten Hasen im Prog-Geschäft. Auch bei z. B.
Yes konnte man über die Jahre immer wieder mal eine mehr oder weniger leichte Abkehr von der 'reinen Lehre' feststellen. Das ist in Ordnung, zumal die alten Tugenden stets präsent sind oder durchscheinen. Wenn man dann nach so langer Zeit von
»the best album we have ever made!« spricht, muss man es wie in einer guten Ehe sehen: Wer nach Jahrzehnten den aktuellen Tag als den besten bezeichnet und nicht der Anfangszeit nachtrauert, der muss hochzufrieden sein. Auch wenn manche das anders sehen und - um wieder aufs Thema zu kommen - den 70er Output der Band als ewige Referenz hochhalten.