“Think positive”. Diese so banale, aber zur Beachtung empfohlene Aussage eröffnet die CD. Eine CD mit Musik, wie ich sie unbewusst schon lange gesucht habe.
"Groove Jazz" nennt man das laut Aussage von “Starcult Promotion”. Dem kann ich nur zustimmen.
Auf Anhieb fällt mir als Vergleich Miles Davis, oder mit Abstrichen, eine alte LP von Biddu Orchestra ein.
Bei den Nighthawks ist das groovende Element jedoch stärker ausgeprägt. Zwei in der europäischen Jazz Szene bekannte und gefragte Musiker verbergen sich hinter diesem Namen: Dal Martino, aka Volker Vaessen, und Reiner Winterschladen.
Dal, der u.a. schon für Wolf Maahn, Culture Cross oder Jaki Liebezeit den Bass zupfte, ist auch gefragter Produzent für Film- und Werbemusik.
1997 gründete er dann, zusammen mit dem bereits seit 20 Jahren aktiven Profimusiker Reiner Winterschladen, die Formation Nighthawks. Reiner, seines Zeichens Trompeter, ist in vielen namhaften Jazz Formationen zu Hause und seit 1995 auch im Line up der NDR BigBand.
Sie können also mit Sicherheit live spielen, wenn Dal auch hier im heimischen Studio vorproduzierte und Reiner seine Lines dann darüber legte. Meistens nachts, daher auch der Bandname, der im englischen Sprachgebrauch Menschen beschreibt, die in der Nacht aufgehen, statt darin einzugehen.
Und ja, diese Musik beschreibt die Nacht mit all ihren Facetten. Wenn man zu den Menschen gehört, die nach Einbruch der Dunkelheit nicht unbedingt die Zeit vor dem TV verbringen, kann man jede Menge Assoziationen mit diesem Groove Jazz verbinden.
So stelle ich mir vor, diese Musik bei einer nächtlichen Autofahrt, oder besser noch im Zug zu hören. Draußen wird die Sonne blutrot von den Nachtwolken besiegt und im diffusen Licht huschen die rötlich erleuchteten Signalmasten vorbei. Gleise glitzern im Licht der untergehenden Sonne.
Dazu dann diese traumhaft gespielte Trompete mit ihrem manchmal traurigen und gleichzeitig ermutigenden Klang, untermalt von den groovenden Basslinien (“Positive”, “Joker Sleeps”, “The Secret Loneliness”, “Back home”); das ist schon was zum Träumen - oder auch super geeignet zum chill out nach was auch immer.
Stellt Euch einen Abend hoch oben in einer Loft vor. Mit Blick auf die Großstadt, einen Cocktail in der Hand und hört dann “Direction downtown”. So sollte man seine Nächte verbringen.
Verzichten könnte ich auf den ab und an aus dem Nichts auftauchenden Sprechgesang. Aber diese Wortfetzen haben nicht die Macht, diese ausdrucksstarke Stimmung, zu der natürlich auch der Rest der Musiker beiträgt, auch nur im Geringsten zu zerstören.
Wenn man die imaginäre Hochhauswohnung verlässt und “The Lieutenant is driving” oder “Metro” hört, steht man unvermittelt mitten im pulsierenden Nachtleben. Menschen und Autos huschen vorbei. Das nenne ich gekonnte Vermittlung von Impressionen. Urbane, nächtliche Impressionen. Nicht gedacht für`s Lagerfeuer. Hier wird bewusst das nächtliche Großstadtleben intoniert. Und das ist den Nighthawks mit Bravour gelungen.
Ich schließe mich den Medien und dem Publkium an, die sich schon damals beim Erstlingswerk "Citizen Wayne" (1997), einig über die herausragende Qualität dieser Band waren. Damals hieß es "selten war ein newcoming act aus dem Bereich des Groove Jazz, noch dazu aus deutschen Landen, derart erfolgreich".
Auch wer ansonsten mit Jazz nichts am Hut hat, sollte diese Formation unbedingt kennenlernen. Es ist ein musikalischer Ausflug in eine andere Dimension.
Spielzeit: 57:19, Medium: CD, Call It Anything / Schott Music, 2001
1:Positive, 2:Joker Sleeps, 3:Direction Downtown, 4:The Lieutenant Is Driving, 5:Tomorrow Evening, 6:The Secret Loneliness, 7:Nightflight, 8:Back Hom (Slow Moving Smoke), 9:Metro, 10:Armatura Zalau
Ulli Heiser, 01.12.2001
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