Über John Nitzinger, USA, zu schreiben, bedeutet das Rad der Zeit bis tief in die Siebziger zurückzudrehen. Bekannt geworden ist er durch Bloodrock, bei denen er ca. 50 Prozent aller Songs geschrieben hat und mit deren Zweitling "Bloodrock 2" auch Gold eingefahren wurde. Die Zeit mit Bloodrock kann man wohl als eine seiner kreativsten Phasen bezeichnen, denn die mit ihm entstandenen LPs waren wahre Referenzteile zeitgenössischen Hard Rocks auf höchstem Niveau. Nach seiner Trennung von dieser Band startete er eine Solokarriere unter dem Namen Nitzinger. In dieser Zeit produzierte er drei außergewöhnliche Alben, die ihn in Sammlerkreisen unsterblich machten: "Nitzinger", "One Foot In History" und "Live Better Electrically", von denen die ersten beiden, in den jeweiligen Originalpressungen, schon zu absoluten Höchstpreisen, das waren in den 70er Jahren schon über 100 DM, gehandelt wurden. Selbst jetzt sind diese Vinylkreationen absolute Höhepunkte zeitgemäßen Songwritings, die in ihrer Variabilität und Hard Rock-Stilistik bis heute unübertroffen sind.
Nach dieser Zeit war noch ein Gastspiel mit Thunder und deren einziger Pressung fällig, das zusammen mit Bugs Henderson, einer nicht gerade unbekannten Regionalgröße, eingespielt wurde. Dies war jedoch eher eine Eintagsfliege und hinterließ eigentlich nur in der musikalischen Chronologie wichtige Spuren. Noch erwähnenswert ist natürlich, die wenn auch nur kurze Zeit mit PM, bei der kein Geringerer als Carl Palmer ( ELP) mit an Bord war. Aus dieser Epoche kam jedoch nur ein Album zur Serienreife und das war's dann auch. Gastspiele zwischendurch mit Alice Cooper auf dessen Veröffentlichung "Zipper Catches Skin" von 1982 sollten nur der Vollständigkeit halber mit erwähnt werden, da sie nicht unbedingt einen Kreativposten in der über 40-jährigen Karriere des ehemaligen Rockstars darstellen.
Und nun, Jahre später, mehrmals unterbrochen durch schwere Krankheiten, steht John Nitzinger wieder auf der Bühne und hat mit "Kiss Of The Mudman" nach vier Jahren Produktionszeit wieder ein neues Langeisen im Feuer. Was erwartet uns? Nach den Texten zu urteilen, arbeitet der Gitarrist und Sänger zuerst einmal seine Vergangenheit auf, die von Drogen, Alkohol und Krankheit gezeichnet ist. Ein Themenkomplex, der mit Sicherheit einige Doppelalben füllen könnte, wurde hier auf ca. 61 Minuten zusammengefasst.
Nitzinger, der nach eigener Aussage nunmehr seit 13 Jahren alkohol- und drogenfrei ist, hat einen Großteil seiner alten Power zurückgewonnen. Der Titeltrack "Kiss Of The Mudman" rockt lässig daher, die Hookline durchgängig in typischer Nitzinger-Machart. Beinahe könnte man von reiner Retro-Kultur sprechen, ist es aber nicht, sondern original, denn der Mann kommt schließlich aus den Siebzigern. Es wird gerifft im Heavy Blues-Bereich mit leichten Funk-Einflüssen, Sly & The Family Stone hinterlassen bis heute ihre Einflüsse, dazu satter Groove mit durchgetretenem Gitarrengasfuß. "The Devil's Got The Blues" bringt das, was der Name verkündet, nämlich Bluesrock in harmonischer Mischung. Fehlen darf auch nicht die obligatorische Ballade, die mit "You'd Bitch At A Cloud" in besinnlicher Form erscheint. Abwechslung wird jedenfalls groß geschrieben.
"The Long Sleep", ein Longsong mit fast neun Minuten Laufzeit, könnte mit geschlossenen Augen direkt aus den Siebzigern importiert worden sein. Große Gitarrenmelodien in einfühlsamen und gut dosierten Härtegraden servieren ein wahres Songmonument mit Langzeitwirkung. "Rock Your Block Off", "Calling", "Bad Day" u.s.w. sind pulsierende Riff-Ornamente, bei denen die Leadgitarre zusammen mit der Orgel den klassischen Rock der Siebziger zur neuen Blüte führt. Detailverliebt und instrumental weit über Standard zeigt Nitzinger hier, dass er mit seinen Kompositionen noch nichts verlernt hat. Die Songs sind straff, glühen teilweise noch vor innerer Hitze und sind angelegt auf Anti-Langeweile und eigene Stilistik. Das ist es, was Nitzinger auszeichnet. Mit der richtigen Rezeptur kommen rhythmische Stampfer, fein abgestimmt, wie Riff-Hymnen rüber. Die Hörmembran wird niemals überbeansprucht mit musikalischen Nichtigkeiten, sondern verbleibt immer im Bereich hochwertiger, nostalgischer Erhabenheit.
Mit diesem Album hat sich eine Legende und ein mit außergewöhnlichen Kompositionsfähigkeiten ausgestatteter Mann zurückgemeldet. Eingängigkeit, Flair einer vergangenen Zeit und Rockattitüden verleihen diesem Werk die richtige Charakteristik, um es zu dem zu machen, was es ist, eben ein Mix aus Hymnen, diversen Spielarten und Charme, wobei der letztere zum Teil zwar schon etwas morbide ist, aber das ist genau die Essenz, die diese Produktion weit aus dem Einerlei der täglichen Höreinflüsse heraushebt. Hier wurde im äußersten Randbereich der Neuerscheinungen ein wahres Qualitätsprodukt veröffentlicht, das objektiv betrachtet ein Konzeptalbum der obersten Kategorie darstellt. 9 von 10 RockTimes-Uhren
Line-up:
John Nitzinger (guitars, lead & background vocals)
Bob 'Spoon' Wayne (bass)
Randy Chez, David Crocket, Mike Gage (drums)
Clark Findley (keyboards & horns)
Ron Cobb (keyboards & piano)
Jeff Ward (piano)
Channing Hooper (violin)
Deidre, Jerry Long, Josh Davis, Wayne Six, Mike Gage, Mark Waddell (background vocals)
Tracklist |
01:Kiss Of The Mudman
02:The Devil's Got The Blues
03:You'd Bitch At A Cloud
04:The Long Sleep
05:Rock Your Block Off
06:Calling
07:Bad Day
08:You Know Me
09:Let The Living Grow
10:Sarah's Letter
11:Again, Again
12:Revenge
13:The Beast
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Externe Links:
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