Des Proggies Wunschgedanken schweifen mal eben zum vorzugsweise sonnigen Fleckchen Erde, welches einst Dolce Vita nebst Seifenoper-Glückseligkeiten unter Zypressen und bestenfalls musikalisch opulente, für Melodramen prädestinierte Künste, versprach. Von jeher fielen in den Experimentier-Siebzigern somit auch Bella Italias natürlicher Hang zu Barock-ästhetisierten, jedoch angelsächsisch infiltrierten Rock-Arrangements, auf mütterlich fruchtbaren Boden.
So köchelten Italiens, von freiheitlichen Blumenkinder-Fantasien und musisch traditionell-klassischen Lernstoff beflügelte Studenten die nacheiferungswerten Vorlieben für Beides, ob nun mit Tasten-Pomp und gehörig Rock-Mugger-Narziss frisierter Klassik, mirakulöse Sympho-Kompositionen à la Genesis, als auch so manches Pathetik-Sentiment erweckende Folk-Prog-Halluzigen, alsbald ihr eigenkreiertes Süppchen.
Neben einigen politisch sowie Krautrock-motivierten Stilblüten waren und gelten landeseigene, vom Klangpomp belegte Verkaufsexponate wie Premiata Forneria Marconi oder Le Orme, noch heute als etablierte Stammhalter des Italo-Prog-Pantheons.
Allerdings scheuten sich allen Landesklischees trotzenden Adepten in den Neunzigern dennoch nicht, den progkompositorisch mächtig verkitschten Altklamotten modernere, erzkonservative Zwirne zu verpassen.
Wie auch immer, überlebten so auch im krisengeschüttelten Erfinderland der Pasta sowie rotlackierten Blech-Flitzer die kollektiven Sehnsüchte nach traditionell verhafteteter Kunstrock-Partikel, und dank rühriger Impresario wie das Mailänder Label Altrock, einen vergleichbar verstärkenden Optimismus.
Für die hier zu besprechenden Italiener stehen aber die sonst so landeserworbenen Verdienste um schlaumeierisch-betriebenem Tasten-Süsskram samt reichhaltigem Pathos-Aufputz nicht zur Debatte, greifen diese wohl handwerklich, gleichsam mit jenem Wechselspiel zwischen zartbitterer Anmut und britisch grüblerischem Schmackes, vehement nach altbekannten Retro Prog-Fixsternen.
Auch wenn Bandkapitän und 12-Saiten-Hexer Francesco Zago laut Hörensagen die gen gelobtes Progland navigierende Musikerarche mittlerweile verlassen hat, so wirft dieser mit dem Not A Good Sign-Zweitling nebst seinen, sowohl klassischen Leichtbauweisen wie auch dickbrettigen Riffattacken verschriebenen Fingerfertigkeiten, das wohl trotzigste Siebziger-Bekenntnis ins strittige Genre-Haifischbecken.
Zusammen mit Paolo 'Ske' Bottas teils quirligen Tastenschwällen und dem im stetigen Fluss agierenden Rhythmus-Rückgrat versteht es der Maestro, das Melodien erhebende Spiel seiner Mannen zu einem hypnotischen Monolithen zu bündeln. Wenn obendrein noch Alessio Calandriellos melodramatisches Flehen, überdies scheinbar suizidal gestimmte Sanges-Symptomatik den wohl alles andere als trostspendenden Gipfel der Theatralik erklimmt, scheint die musikalische Kombination von melancholiegeweihtem NewProg à la Anekdoten und den befremdlichen Raffinement früher King Crimson eine deutliche Zäsur im ansonst intellektuell-begrenztem Retro-Einerlei zu setzen.
Zu Ungunsten instrumentaler Ausflüchte aufs nötige Spielmaß reduzierte Mini-Suiten repräsentieren sowohl sakral aufgeladene Schwurbel-Geschmeidigkeiten wie "Wait For Me", als auch artifiziell überzüchteter, Gentle Giant-befruchteter Avant Prog plus Gian Marco Trevistans solistischer Höhenflug in "Flying Over Cities" oder "Aru Hi No Yoru Deshita"s barocker Vintage-Charme hierbei nur ein Mindestmaß an beseelter Inklusion kryptischer Texthybriden und progistisch modischer Vergangenheitsbewältigung.
Mehr als beim Vorgänger erschließt sich dabei die stilistische Unentschlossenheit manch instrumental-energetische Rangelei, die ihre vormals eigene Aussage über »eine unheilvolle Klang-Schmelze aus Vintage-Keyboards, Gitarren sowie ätherisch kraftvoller Stimme mit einer rhythmisch schwungvollen Unterstützung«, jedoch umso mehr unterstreicht.
Wiewohl Not A Good Signs lombardische Geburtsstätte und deren geistbeflügelte Architektur manifestieren auch selbige verstärkt ihren durchaus weltabgewandten Drang, Crescendo-gelagerte Kunstrock-Gebilde mit einem bescheidenen Anteil klassizistischer Bordüren, scheinbar neu erfinden zu wollen.
Mit "From A Distance" verabschieden hier scheinbar künstlerisch geläuterte, und Maestro Zagos vermeintlich 'posthumes' Vermächtnis teilende Musiker, wohl Milanos reifste Prog-Agenda und obendrein eine durchaus gelungene Reformation klassisch verschachtelter sowie herbster Kunstrock-Melodien.
Line-up:
Paolo 'Ske' Botta (keyboards)
Alessio Calandriello (vocals)
Alessandro Cassani (electric bass, double bass, vocals)
Martino Malacrida (drums)
Francesco Zago (12-strings, electric guitars)
Guests:
Jacopo Costa (vibraphone, glockenspiel - #1,2,4,7,8)
Eleonora Grampa (oboe, english horn - #4,5,10)
Maurizio Fasoli (grand piano - #4,5,8,10)
Gian Marco Trevistan (electric guitar - #3)
Tracklist |
01:Wait For Me
02:Going Down
03:Flying Over Cities
04:Not Now
05:Aru Hi No Yoru Deshita
06:Pleasure Over Drowning
07:I Feel Like Snowing
08:Open Window
09:The Diary I Never Wrote
10:Farewell
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