Novalis / Konzerte
Konzerte Spielzeit: 78:55
Medium: CD
Label: SPV Records (Brain), 2008 (1977)
Stil: Prog Rock


Review vom 10.06.2012


Steve Braun
Während gerade einige Novalis-Platten von Made in Germany Music neu aufgelegt werden (in Kürze folgt die Besprechung der 1981er Veröffentlichung "Augenblicke"), wollen wir uns hier einmal einem ganz raren Schätzchen widmen. "Konzerte" - 1977 als LP erschienen - wurde zwar 2008 von SPV erstmals auf CD veröffentlicht, doch in einer viel zu kleinen Auflage. Als Folge ist dieses Scheibchen vielgesucht und wird nur zu Liebhaberpreisen gehandelt. Aber jeder einzelne 'Juro' ist gut angelegt - selbstredend auch wegen der drei Bonustracks.
Die 1977er Tour, bei der diese Aufnahmen zwischen Januar und April entstanden, stand ganz unter dem Eindruck des bundesweiten Durchbruchs der Band, der mit dem Album "Sommerabend" ein Jahr zuvor gelang. Die Buchungsanfragen mehrten sich, die Hallen wurden sehr viel größer, viele hundert Fans standen sich vor diesen allabendlich die Beine in den Bauch. Zudem war ein Problem der ersten drei Alben souverän gelöst worden: Mit Fred Mühlböck, ein (Vorsicht: Gag) 'akzentfreier' Österreicher, war endlich ein überzeugender Sänger gefunden worden, der zu dem symphonischen Prog Rock von Novalis wie die Faust auf das berüchtigte Auge passte. Die folgenden drei Alben - "Brandung" (1977), "Vielleicht bin ich ein Clown" (1978) und vor allem Flossenengel - bildeten den kreativen Höhepunkt der Band!
Die Namensgebung mit dem 'Künstlernamen' des frühromantischen Dichters Karl Friedrich von Hardenberg (1772 bis 1801) war vortrefflich gewählt - er passte perfekt zu Novalis' barock-opulentem Sound. Es war seinerzeit schon mehr als beachtlich, wie sie es schafften, ihre komplexen Songs auch live zu präsentieren.
Zu den Klängen von Ravels "Bolero", damals ein 'Hit' unter Hippies, hebt sich der Vorhang und mit dem Instrumental "Dronsz" steigt Novalis in ihr Set ein. Es folgt fast das komplette gleichnamige Album von 1975: "Es färbte sich die Wiese grün", "Impressionen" und "Wer Schmetterlinge lachen hört". Allesamt knapp zehn Minuten lang - also die perfekte Grundlage für lange (Kritiker meinten damals wie heute oftmals 'langatmige') Melodiebögen. Für einen Freund 'jammiger' Strukturen ist so etwas natürlich ein Fest... Mal 'gurgelt' die Hammond - mal 'röchelt' sie schwindsüchtig. Das Mellotron 'wimmert' herzzerreißend vor sich hin - die Querflöte 'tänzelt' leichtfüßig darüber. Die Gitarrenläufe sind zumeist sehr harmonisch gehalten - die Bassläufe darunter manchmal schwindelerregend. Lediglich Hartwig Biereichels exzellentes Schlagwerk hätte man soundmäßig deutlich mehr 'Wumms' verpassen dürfen. Glanzstück dieses 'Dreierpacks' von "Novalis" ist fraglos das verspielte "Impressionen", das deutliche Bezüge zur Klassischen Musik aufweist.
Die Zehn-Minuten-Marke wird erstmals mit "Wunderschätze" vom damals aktuellen Album "Sommerabend", vom Publikum freudig 'begrüßt', gerissen. Hier sind die Bezüge zu Pink Floyd überdeutlich - aber niemals so abgeschmackt, wie ich es seinerzeit bei Eloy empfand. Das mag vornehmlich an den konsequent deutschen Texten liegen. 'Denglish-ende' Sänger verbreiteten im Krautrock zwar durchaus ihren Charme, waren aber oftmals ein 'Ohrengraus'...
Doppelt so lang kommt dann "Sommerabend" daher, das den 1977er Longplayer beendete. Das Konzeptstück, das damals die gesamte B-Seite des gleichnamigen Albums in Anspruch nahm, umfasst die Teile "Wetterleuchten", "Am Strand", "Der Traum", "Ein neuer Tag" sowie "Ins Licht" und ist fraglos eine der schönsten Perlen der an Schmuckstücken reichen Novalis-Diskographie!
Die Bonustracks fallen unter aufnahmetechnischen Gesichtspunkten durch - es wird deutlich, warum die (streckenweise merkwürdig 'verhallten') Takes nicht ihren Weg auf die Original-LP fanden. Alle drei wurden dann im gleichen Jahr als Studioversionen auf das Album "Brandung" gepackt, das nach der Tour aufgenommen wurde. Am schönsten ist sicherlich das zehnminütige "Astralis", das von zwei deutlich kürzeren Stücken umrahmt wird. Mit "Irgendwo, irgendwann", von der Aufnahmequalität sicherlich schwach, zeigt Novalis, dass man durchaus Songs mit Hitpotenzial schreiben konnte. Schnurgerade rockt man hier nach vorne.
Bleibt zu hoffen, dass "Konzerte" endlich in größerer Stückzahl neu aufgelegt wird, denn hier liegt ein Beweisstück für die Live-Qualitäten von Novalis vor. Ein wunderschönes Kapitel der deutschen Rockhistorie...
Line-up:
Fred Mühlböck (lead vocals, guitar, flute)
Lutz Rahn (keyboards)
Detlef Job (lead guitar, vocals)
Heino Schünzel (bass, vocals)
Hartwig Biereichel (drums)
Tracklist
01:Bolero (0:53)
02:Dronsz (1:47)
03:Es färbte sich die Wiese grün (8:44)
04:Impressionen (9:40)
05:Wer Schmetterlinge lachen hört (8:42)
06:Wunderschätze (11:15)
07:Sommerabend (18:46)

Bonustracks:
08:Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren (3:07)
09:Astralis (8:55)
10:Irgendwo, irgendwann (4:28)
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