Im Angebot: Nymphea Mate. Bezeichnung: Rock. Klassifizierung: British Popular. Herkunft: Turin, Italien. Gütesiegel: makelloses Kunstprodukt eklektischer Moderne. Haltbarkeit: 2011... 12...?
Brit Pop stempelt man also den Italienern aufs Etikett ihres ersten offiziellen Studioalbums "Endio". Das stimmt. So irgendwie. Nymphea Mate lieben Gitarrensounds. Vielfältige, breitwandige, lärmende, mondäne. Sie können auch 'schnell' und speeden im Namen von "Billy Vanilla" und "Camilla" soliden Pop-Punk vom Griffbrett, der unzweideutig den frechen, erfolgreichen Neunziger Noisemakern Green Day huldigt.
Sie können auch candysüßen College Pop. "This Is Mine" und "Carry On" kommen teen-zart für Teen-Charts aus der Tube geflossen. Sie liefern all inclusive, strings and things and sings and harmony, Melodie und Melancholie, alles verarbeitet in intelligenter kompositorischer Markenware. Sie optimieren sämtliche Stilblüten mit raffinierten Drum-Basics sowie etlichen rhythmischen Gimmicks, die das jeweilige Soundgewebe wirklich hübsch straff ziehen und cool in Schwung halten.
Sie können auch akustisch, richtig stripped down to the bone, blank geschmiedet in ordentlicher traditioneller Handarbeit. Das heißt dann "When I Lost You". Oder sie drehen "Song For The Leader" hoch, verstärken problemlos auf Stadion-Format und rollen den großen Polit-Rock aus. Sie verkaufen Epos, Pathos und die Großspurigkeit von Oasis in "The Embers". Nymphea Mate sind echte Universalgenies. Talente. Lerner, Könner, Fachidioten, Musikverrückte. Zweifelsohne...
Auf der anderen Seite sind sie Verlorene, ein Spiegelbild ihrer Generation allseitig orientierter, zahlloser, grenzenlos ineinandergreifender Einflüsse. Weder stilistisch noch thematisch - sie verfolgen kein Konzept. Das ist ihr Konzept. Nymphea Mate sind die Neuen, die Zukunft. Die Befreiten, befreit von Konventionen, Tabus, gesellschaftlichen Normen, irgendwie zufrieden, irgendwie hilflos, auf der Suche nach irgendwas.
Aufbegehren? Ja, klar. Gegen herrschende Strukturen. Doch harte Worte, Wut oder Kritik ersticken sie sofort wieder in "(Beep)". Nur Ironie? Resigniert vorm Fernseher betrachten Nymphea Mate den hässlichen Kreislauf von Machtgier, Politik und Korruption. Hey ihr, da gab's doch diesen tragikomischen italienischen Häuptling! Hat der nicht euer Land auf dem Gewissen? Und damit ein paar nett beißende Worte verdient? Wo ist "Anarchy", wo ist "God Save The Queen"? Nichts mehr sperrt sich. Nichts mehr ist sperrig, unbequem, aufwühlend, skandalös, schon gar revolutionär.
"Ice Age" verspricht ökologisch brisanten Aufwach-Rock? Leider... Die Turiner richten ihren »cold war« lediglich gegen Hollywoods Schönscheinwelt der tief gefrorenen Botox-Mienen. Hm. Vielleicht offenbart sich der katastrophale Zusammenhang von Klima-Drama und gift-entstellten Gesichtern ja daran: was wir bereit sind, uns anzutun, sind wir wohl auch bereit, unserer Umwelt zuzumuten.
Und die Liebe?... und die Italiener? Hm... wieder ein Mythos, den Nymphea Mate 'entschärfen'. Hier brennt kein Feuer der Leidenschaft, hier zerreißt kein Herz, blutet vor Sehnsucht, stirbt vor Schmerz. Oder Romantik? Die servieren unsere Seerosen-Freunde bestenfalls als luftleichtes Trocken-Gebäck zum unvermeidlich gewordenen Latte Macchiato.
Es ist ein Kreuz. Diese vier schlauen, durchaus ambitionierten Südsonnen-Europäer haben eigentlich alles richtig gemacht, sind so indie, flexibel und aufgeweckt, wie es die Welt heute verlangt. Selbst das Artwork von "Endio" ist ein gelungenes, feines Einfallswerk ihrer fraglos attestierten Vielseitigkeit. Und nun warten sie auf den Knall, wie treffender Weise in ihrem Schluss-Song "Waiting For The Bang", der sich plötzlich doch querstellt, scharf gespitzte Song-Konturen mit überraschenden clever-schnittigen Bass-Linien grundiert und - fast an der großen Sinn-Frage rüttelt. Aha, das bleierne Phlegma gerät ins Wanken?
Noch einmal, Nymphea Mate! Los geht's! Ohne Netz, doppelten Boden, Trend-Avancen, Blatt vorm Mund und lauwarmen Milchkaffee! Auf nüchternen Magen, mit hungrigem Bauch, volles Risiko! Bang!
Line-up:
Enrico Bontempi (vocals, guitar)
Vico Righi (vocals, guitar)
Riccardo Mariatti (bass)
Andrea Berruti (drums)
Tracklist |
01:Sir Constance
02:Billy Vanilla
03:Camilla
04:This Is Mine
05:All Around You
06:The Embers
07:(Beep)
08:Song For The Leader
09:Ice Age
10:Carry On
11:All These Little Words
12:Desperate
13:Waiting For The Bang |
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